Freitag, 7. Dezember 2018

Textkekse

Es war, o mitfühlende Häschen mit beneidenswert schönen Seelen, eine durchwachsene Woche für euren sehr Ergebenen. Das Zweckdichterbalg liegt mit einem kräftigen Atemwegsinfekt darnieder – schon wieder! Der Zweckdichterhund laboriert an interessanten und mühsamen Pfotenproblemen – schon wieder! (Wer hat gewusst, dass Hunde sowas wie Plattfüße kriegen können und wie elendig das ist?) Und so weiter und so fort. Deshalb verschieben wir die von euch allen so heiß herbeigesehnte weitere Befassung mit den Erscheinungsformen des deutschen Genitivs. Stattdessen serviere ich euch einen adventlichen Keksteller, gewürzt mit getrockneten und zermahlenen Stilblüten. Doch Vorsicht! Sie könnten sich, wie das bei Keksen ja mitunter geschieht, als schwer verdaulich erweisen.
In der Backstube hat sich Frau Eva Reisinger wieder einmal aufs Löblichste hervorgetan.  Ihr Artikel über den „vielleicht hippsten Ort Österreichs“ (ja, mit zwei p, obwohl es nicht um Babynahrung geht) fängt  gut an: „Die Rede ist von Bad Gastein, ein Ort  ...“. Wir lernen daraus, dass der Dativ vieles ist, aber leider nicht hip (hipp?) genug für das „Berlin der Alpen“. Dort geht nämlich die Post ab: „Ein Wasserfall prescht zwischen den hohen Häusern nach unten.“ Ich weiß nicht, wie das im Häschenstil ist, aber für mich hatte preschen immer etwas mit der Bewegung von Gliedmaßen oder mechanischen Einzelteilen zu tun. Dass eine amorphe Masse preschen kann, ist mir neu.  Schauen wir lieber ins Schaufenster. Sieh da: „Hinter einer Absperrung blicken die Schönen und Reichen aus vergangenen Zeiten entgegen.“ Fein, aber wem? Der Betrachterin? Dir? Mir? Aus dem fehlenden Objekt haucht uns nicht nur ontologische Leere an, sondern erneut eine betrübliche und rätselhafte Abneigung gegenüber des Dativs, oder so.
Trost bietet die stumme Kreatur: Ein Deutscher „trägt das Dalmatiner Welpen über die Stufen“. Ist hier das Gendern ins Kraut geschossen, oder ist es der Urheberin tatsächlich entgangen, dass der Welpe grammatisch so maskulin ist wie der Feminismus? Mit jenem Deutschen hat es eine besondere Bewandtnis, denn um seine Geschichte zu erzählen, „muss man sich an kitschigen Wendungen bedienen“. Holla! Was ist jetzt los? Plötzlich ist der Dativ gut genug? Nein, ist er nicht. Wir bedienen uns einer Technik, eines Kniffs, einer Wendung, aber jedenfalls eines Genitivs. (Welchen Genitivs, dazu ein andermal mehr.)
Ich glaube aber, wie hieramts schon früher angedeutet, dass Frau Reisinger gar nichts dafür kann. Dass es an ze.tt liegt, lässt ein Blick in andere dortige Ergießungen vermuten, die nicht von ihr stammen. Dort heißt es zum Beispiel von irgendjemandem: „Dessen Wahlkampf-Kappe zog er sich am vergangenen Wochenende dann auch auf den Kopf.“
Das hat offensichtlich jemand verfasst, der Deutsch aus Kreuzworträtselheften gelernt hat. Man kann zwar eine Kappe vom Kopf ziehen, aber man setzt sie auf. Auch die leidige Geschichte mit den Fällen ist bei ze.tt keine Spezialität von Frau Reisinger. So schreibt einer ihrer Kollegen: Dem muss sich auch ein Kanye West bewusst sein.“ Nein, muss er nicht. Kanye West muss, wie wir alle, Steuern zahlen und sterben. Aber sich einem Dativ bewusst sein? Niemals! Doch der hippe Reporter lässt nicht locker: „Genauso wie ich als Journalist nicht behaupte, auf meinem Twitteraccount privat unterwegs zu sein, erwarte ich von Musiker*innen, Schauspieler*innen und Sportler*innen, dass sie sich zumindest um die Dimension ihrer Tweets im Klaren sind.“ Während wir als Leserinnen offenbar nicht mit gleichem Recht erwarten dürfen, dass jemand, der vom Schreiben lebt, weiß, dass man sich herkömmlicherweise über etwas im Klaren ist und nicht um.
Und was läuft an der Feedbackfront? Man kann einen Bonus einlösen, während wir bisher stets dachten, dass der Bonus das sei, was man bekommt, wenn man den Gutschein oder was immer einlöst. Wieder was gelernt. Schönes Wochenende!

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