Freitag, 15. März 2019

Scheißgrammatik


O treue Häschen, dieses politische Herumgemoser bringt uns nicht weiter, fürchte ich. Schauen wir lieber, was es in der Grammatik nicht etwa Neues gibt, aber Altes, das keiner weiß. Heute: das Prädikativ.
Was ein Prädikat ist, hab ihr ja alle in der ersten Klasse gelernt: jenes Satzglied, von dem man erfährt, was das Subjekt so treibt. Die Sonne? Scheint. Trump? Tweetet. Der Bär? Ihr wisst Bescheid. Aber was ist ein Prädikativ? Kommt ganz drauf an. Da gibt es die sogenannten „freien Prädikative“. Die braucht man nicht unbedingt, deshalb kümmern wir uns jetzt auch nicht groß darum. Ihr wollt ein Beispiel? Na gut. Peter hat die Kinder glücklich von der Schule abgeholt. Damit ist gesagt, dass die Kinder glücklich waren, als er sie abgeholt hat. Peter hat die glücklichen Kinder von der Schule abgeholt sagt hingegen, dass die Kinder überhaupt glücklich sind.
Interessanter sind die obligatorischen Prädikative. Manche Verben geben nämlich für sich allein kein Prädikat ab, etwa sein, bleiben, werden, gelten, sich erweisen, dünken oder heißen. Dabei kommt es natürlich auf den konkreten Fall an. Wenn sein im Sinne von existieren verwendet wird, kann es auch allein stehen. Wenn du deinem Arter tröstend versicherst Das wird schon!, dann kann das ruhig so bleiben. Meist aber brauchen solche Verben ein stämmiges Prädikativ, das sie verlässlich stützt, damit sie es bis ans Ende des Satzes schaffen. Wenn du zum Beispiel bist, muss das noch nicht viel heißen. Du kannst Lehrerin sein, unzufrieden, überrascht oder sonstwas. Wer sich erweist, erweist sich als BiMAZ, Hochstapler, unzuverlässig oder ungustiös. Wer Latein hatte, erinnert sich vielleicht an den Begriff der Kopula: Das war damals die finite Verbform, die ein Prädikativ braucht, um ein Prädikat zu bilden.
Jetzt wird es noch interessanter. Ein Prädikativ kann nämlich alles Mögliche sein – ein Adjektiv, wenn du dich als wankelmütig erweist, ein Substantiv, wenn dein Freund ein Hallodri ist, und so weiter. Doch ein paar wenige Wörter haben ihre Bestimmung gefunden: Es gibt sie ausschließlich als Prädikativ, und Scheiße nochmal, es sind nicht die schlechtesten Ausdrücke. Zu ihnen gehören fremdsprachige Farbbezeichnungen wie beige, orange, mauve und ähnlich geschmäcklerische Nuancen, aber auch Kraftbegriffe wie schnuppe, egal, wurscht, scheiße und natürlich scheißegal. Es gibt sie deshalb nur als Prädikativ, weil sie sich nicht deklinieren lassen, was auch einleuchtet, denn wenn man etwas scheiße findet, dann kann man sich die Deklination auch schon sparen. Möglicherweise ist es auch umgekehrt, und man kann sie deshalb nicht deklinieren, weil Prädikative keine Deklination brauchen, aber an diesem Scheißproblem sind schon die alten Griechen zum Thema Henne/Ei gescheitert.
Was heißt das für deinen alltäglichen Sprachgebrauch? Etwas kann scheiße sein oder Scheiße sein, je nachdem, ob du dein heutiges Scheiß-Prädikativ aus der Adjektiv- oder Substantivlade ziehst. Du kannst es aber nur scheiße finden, nicht Scheiße, weil zu finden nur ein Adjektiv als Prädikativ passt. Vielleicht macht es dich auch kirre, wer weiß.
Auch kann etwas zwar scheiße sein oder gefunden werden. Aber wenn du zum Beispiel im „Ausreisezentrum“ hockst und dich fragst, ob eigentlich alle plemplem sind sind, dann ist das wahrscheinlich eine Scheiß-Erfahrung oder auch eine beschissene Erfahrung, es kann aber keine scheiße Erfahrung geben (natürlich auch keine scheißene Erfahrung oder ähnliches, genauso wenig wie es eine egale Entscheidung gibt, Oida.
Doch halt!, nur weil es hier und heute nicht nur, aber auch um fäkale Ausdrucksweise geht, muss man nicht gleich ordinär werden. Das würde mich nämlich scheiße dünken. Schönes Wochenende!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen