Freitag, 13. September 2019

Mit Stimmen abstimmen

Wahlkampf ist, o teure Häschen. Ich offeriere diese Information zum Zeichen meiner Serviceorientierung, weil man es sonst fast nicht gemerkt hätte. Das liegt erstens daran, dass die ÖVP sich schon selber nicht mehr auskennt, ob sie jetzt wahlkämpft oder nicht, und zweitens daran, dass alle sehr wohl wahlwerbenden Parteien bis jetzt der Versuchung widerstanden haben, „Stopp dem Sonstnochwas“ zu fordern. Das ist einerseits sehr löblich, andererseits irritierend, weil die ebenso sonderbare wie fragwürdige Formulierung „Stopp dem“ wahrscheinlich in der ganzen 2. Republik die Echtheitspunze jedes ordentlichen Wahlkampfs dargestellt hat. Selbst wenn jemand Elternvertreterstellvertreter in der 3. Volk werden wollte, ging das nicht ohne „Stopp dem Kinder-mit-Auto-in-die-Schule-bring-Wahnsinn“. Glaube ich, meine Erinnerungen an die Elternvertreterstellvertreterwahlen in der 3. Volk sind eher vage.
Wozu überhaupt Wahlkampf? Natürlich, damit man weiß, für wen man stimmen soll. Oder abstimmen? Die Meinungen gehen auseinander. Kürzlich erreichte euren Ergebenen eine einschlägige Korrektur: „Stimmen Sie für Ihren Liebling“ sei zuwenig, das müsse heißen: „Stimmen Sie für Ihren Liebling ab.“ Erfreulich daran ist das Gespür, das die Verantwortlichen fühlen hat lassen, dass hier ein Unterschied bestehe. Betrüblich ist, dass man sich zielsicher für die ungeeignete Version entschieden hat. Denn wenn ich für meinen Lieblingswirten stimme, dann schreibe ich auf einen Bierdeckel seinen Namen, damit er die Wahl zum besten Wirten gewinne. Wenn ich für meinen Lieblingswirten abstimme, dann vertrete ich ihn bei einer Abstimmung. Er hat mir nämlich rechtzeitig eine Vollmacht mitgegeben, damit ich bei der Wahl zum Elternvertreterstellvertreter in der 3. Volk in seinem Namen eine Stimme abgeben kann.
Dieses Amt kann man sich in der Regel mit einem Dutzend ehrlicher Stimmen locker sichern und dann gleich das entsprechende Wunschkennzeichen (W EVSV3) bestellen. Oder mit einem Dutzend ehrlichen Stimmen? Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, beides. Da hat man die freie Wahl. Denn man bereitet einen Krüglmartini zwar auf jeden Fall mit einer Handvoll grüner Oliven und niemals mit einer Handvoll grünen Oliven. Deshalb scheint es mir auch nicht zulässig, eine Handvoll grüne Oliven (ohne r) hineinzukippen. Was dem Dativ recht ist, muss für den Akkusativ billig sein! Dies einerseits.
Andererseits kann der Cocktailexperte eine Kreation stets nur mit zwei frischen Orangenscheiben bereiten und nicht mit zwei frischer Orangenscheiben, das ist ja klar wie dreifach filtrierter Wodka. Beim Dutzend aber geht beides, glaube ich. Denn Dutzend ist zwar kein Zahlwort, nicht einmal ein unbestimmtes Zahlwort (wie einige, wenige etc.), sondern einfach ein Substantiv, das sich für Mengenangabe verwenden lässt, so wie die Messerspitze oder die Handvoll. In dieser Eigenschaft dürstet es nach dem Genitiv, und zwar nach dem Genitivus partitivus, der ausdrückt, dass man ein feiner Mensch ist: Man nimmt nicht die ganze Hand, sondern nur einen Teil (lateinisch: pars) davon – eine Messerspitze, eine Handvoll, einen Spritzer.
Trotzdem bedeutet das Dutzend eine ganz bestimmte Zahl und kann diese ersetzen. Zahlwörter ihrerseits (nämlich Kardinalzahlen wie drei oder vier im Unterschied zu drittens, achtfach usw.) bleiben bis auf die drei kleinsten undekliniert und regieren keinen bestimmten Fall. Wenn davor mit steht, kommt danach immer der Dativ, mit für immer der Akkusativ, egal ob es um fünf Zwetschken oder um sieben Exminister geht. Deshalb kann man ebensogut mit einem Dutzend angefressenen Weißwählern diskutieren wie mit einem Dutzend angefressener Weißwähler. Es dürfte nicht schwierig sein, sie zu finden. Schönes Wochenende!

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