Freitag, 18. November 2022

Demut

 

Der Falter, o linkslinke Lesehäschen, ist ja eine nicht genug zu schätzende Institution im ansonsten eher mäßig diversen Biotop österreichischer Medien, wobei „Biotop“ hier durchaus so verstanden werden darf, wie es Jodok S., damals Mitschüler eures Ergebenen, im Biologieunterricht zirka 1987 auf den Punkt brachte: „A Biotop ischt a Dräckloh“, ein Biotop ist ein Dreckloch. Darin gedeihen bekanntlich Symbiosen, auf die man als Gebührenbeiträger gerne verzichtet hätte.

Jedoch hat auch der Falter noch Luft nach oben, zumindest, was die Qualität der Schreibe angeht. So kommt der Redakteurin innerhalb eines Artikels aus:

Der Beschuldigtenstatus der beiden […] Flüchtlinge […], er war jetzt offiziell.

Und auch: Schlafen, das konnte er dann zwei Wochen nicht.

Es ist ja nicht falsch, ein Satzglied so mit Komma hervorzuheben und dann einen Platzhalter nachzuschieben. Jedoch: Übertreiben, das soll man dabei bleibenlassen. Man erinnert sich dann wieder, warum es früher sogenannte Edelfedern gab. Eine Edelfeder war (meist) ein alter, weißer Mann, der von nichts wirklich Ahnung hatte. Das machte er dadurch wett, dass er sehr, sehr gut schreiben konnte. Zeitungen und Magazine ließen ihn tun, was er am besten konnte: Sie schickten Journalisten und Rechercheure hierhin und dahin, die Material zusammentrugen und ordneten, bis das Gerüst einer brauchbaren Story dalag. Dieses übergab man der Edelfeder, die daran ihre Magie wirkte und sich niemals dazu hinreißen ließ, ein hervorstechendes Stilmittel zweimal hintereinander zu verwenden. Ja, so war das damals.

Heute gibt es Vergleichbares noch für Amtsschimmelnostalgiker. Es war ja schon hie und da die Rede von Leckerbissen wie der Schulschwimmkanzlei oder den Schleifen, die einen das digitale Amt beschreiben lässt.

Wer aber seinen inneren Staatsbürger endlich wieder einmal so richtig gezüchtigt sehen will, weil man,  ein bisschen katholisch bleibt Österreich ja doch, schon etwas angestellt haben wird, der halte sich nicht mit Ämtern auf. Vielmehr begebe er sich stracks zur Österreichischen Gesundheitskasse, die, wir erinnern uns, aus diversen Krankenkassen zusammengestückelt wurde, um eine Milliarde Euro zu sparen und die stattdessen mehrere hundert Millionen Euro zusätzlicher Kosten verursacht hat.

Euer Ergebener nämlich tat desgleichen und rief den medizinischen Dienst an, weil Therapierechnungen des Zweckdichterbalgs abgelehnt worden waren, mit der Begründung, dass die Leistungen nicht von medizinischem Personal erbracht worden waren. Es ward ihm die Auskunft, er könne während der Öffnungszeiten ohne Termin vorbeischauen, um den Fall zu besprechen (immerhin interessant, weil die Therapieleistungen von medizinischem Personal nicht angeboten, jedoch von der behandelnden Ärztin empfohlen werden und nachweislich wirksam sind).

Dort angekommen, fragte ein „Schaltermitarbeiter“ (das ist jemand, der hinter einer Glasscheibe sitzt und Ankommende ausfratschelt, sich aber für etwas Besseres als einen Portier halten will), nach dem Begehr. Dies dargetan, beschied er euren Ergebenen, er möge sich trollen, weil die Leistung nicht übernommen werde. Als euer nicht mehr ganz so Ergebener darauf bestand, dass es ihm laut telefonischer Auskunft zustehe, die medizinische Frage mit jemandem vom medizinischen Dienst zu besprechen, verstieg sich die Schalteramöbe zu der Antwort: „Das tun Sie ja gerade.“

Mehr selbstherrlich frotzelnd präsentierte Amtsstubenherrlichkeit konnte man, o meine Teuren, selbst in den 70er Jahren von der österreichischen Bürokratie nicht erwarten. Bravo, und schönes Wochenende!

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