Freitag, 6. Juni 2014

Mir doch


Soll man einen Bart tragen? Keine Ahnung. Dabei ist die Frage ja virulent wie selten, wenn auch neu gewendet. Denn einst hängte (nicht: hing! – ein typisches Beispiel für ein stark gebeugtes Verb, das ein schwach gebeugtes Faktitivum mitbringt) man sich einen Bart um, wollte man etwas verhüllen. Heute hängt hingegen alles am Bart, womit auch die Frage erledigt ist, ob Frau Wursts Triumph für die Geschichte der Toleranz oder der Musik von größerer Bedeutung sein wird.

Denn so ein Bart ist ja eine recht spezielle Angelegenheit. Eine Gesichtswächte, die man sich wachsen oder, wie es ja heißt: stehen lassen kann. So als wäre das Antlitz flächendeckend bebartet und man rasierte Nase, Augenpartie etc., während man die Haare am Kinn unbehelligt ließe. Quasi die Tarn-Superkraft des Y-Chromosoms. Allerdings ist diese ungleich verteilt. Während z.B. mein Vater sich nur kurz vom Spiegel wegdrehen muss, und schon hat er Koteletten wie Captain Onedin (falls sich noch wer erinnert), ermangeln meine Follikel vergleichbarer Leistungsbereitschaft. Es schiene aber übertrieben, spräche man von einem Talent zum Bartwuchs. Zumindest aus der Sicht eines Menschen, dem diese Gabe fehlt.

Die Hauptfrage, die der Bart aufwirft, lautet ja immer: Ist er ein Feature oder ein Bug? Mancher gibt sich viel Mühe mit der Gesichtsgestaltung und schnitzt sich feinziselierte Ornamente auf die Backe, andere lassen dem Wildwuchs freien Lauf. Doch beiden gemein ist die Unklarheit, worum es geht: Schönheit? Faulheit? Funktion? Ich weiß ja nicht, ob ein Bart im Winter wärmt oder im Sommer kühlt. Ich beobachte aber auch keinen Zusammenhang zwischen Jahreszeit und Filzpappenfrequenz. Funktion können wir also vergessen, Faulheit auch, denn so ein Bart ist unangenehm, wenn er noch nicht die gute Länge erreicht hat, und gepflegt will er auch sein. Da ist regelmäßiger Kahlschlag bequemer.

Bleibt also nur die Schönheit. Für alle Anhänger der Maxime, dass die Form der Funktion untergeordnet sei, ist ein Bart leider immer eine ästhetische Fehlleistung. Denn einer unmittelbaren Funktion ermangelt er ja, es sei denn als Rotzbremse, was aber nur den Schnauzer rechtfertigt. Mit dem Bart nicht zu verwechseln sind die Barten der einschlägigen Wale, mit denen diese Krebschen aus dem Wasser filtern. Das geht aber nur mit Barten, nicht mit Bärten. Schon Karl Kraus setzte daher den Bart von (ich glaube) Hermann Broch mit jener Sorte architektonischer Ornamentik in eins, der Adolf Loos den Garaus zu machen bestrebt war. Für Bauhaus-Anhänger ist damit der Griff zur Klinge Pflicht. Beziehungsweise: Wer Crocs trägt, lässt sich auch einen Bart wachsen.

Für feminin Gegenderte und Kunstfiguren gelten bestimmt eigene Regeln, die uns nur nicht geläufig sind. Dass Conchitas Bartpracht sich großen Teils handwerklicher Geschicklichkeit verdankt, macht ihn noch nicht zum Kunstwerk, aber vielleicht zum Kunsthandwerk. Oder hat dieser Witz auch schon wieder einen Bart?

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