Freitag, 14. Februar 2014

Beistriche


Ach, hätte ich einen Beistrich für jeden Beistrich, nach dessen korrekter Setzung sich bei mir schon erkundigt wurde! Dann müsste ich nicht die langen Winterabende damit verbringen, unter der Lupe welche zu schnitzen, auf dass auch künftig die Texte sorgfältig gegliedert seien.

Deshalb und auf vielfachen (also: zwiefachen) Wunsch geht es heute weiter mit den serviceorientierten Freitagen und (vielleicht auch: , und) wir widmen uns der Frage, ob da ein Beistrich gehört oder warum nicht. Ob wir damit heute fertig werden, ist zweifelhaft.

Zunächst muss ich leider festhalten, dass Beistriche oder, wie im Duden und generell in Deutschland gebräuchlich, Kommata grundsätzlich nichts Gutes sind. Setzt man einen Beistrich, dann wittert mancher Kunde einen unerwünschten Schachtelsatz, der potenzielle Konsumenten verwirren könnte. Man möchte dem entgegenhalten, dass ja bekanntlich ohnehin keiner die Copy liest, außer einige wenige Neugierige, die sich auf einem Bildungsniveau bewegen, das es ihnen gestattet, auch Beistriche zu verdauen.

Setzt man andererseits keinen, kann es sein, dass einer fehlt.

Die Beistriche lassen sich ganz einfach einteilen in die eh klaren, die unklaren und die fakultativen.

Die offensichtlich notwendigen Beistriche sind erstens jene, die Gliedsätze abtrennen wie diesen hier. Selbstverständlich gehört hierher auch, dass Objektsätze einen Beistrich erfordern.

Ebenso steht es z.B. mit Kausalsätzen, weil sonst etwas fehlen würde.

Dasselbe gilt auch für die indirekte Rede, in welcher mich ein Leser gefragt hat, ob heute die Beistriche drankämen.

Zweitens gelingen den meisten Language-Usern die Beistriche in Aufzählungen, Listen und Aneinanderreihungen gleichwertiger Satzglieder oder auch Teilsätze: Ich schrieb den Satz, vermisste einen Beistrich, holte ihn aus der Lade und setzte ihn an seinen Platz.

Drittens sind die Beistriche vor und nach Beifügungen, auch bekannt als Appositionen, allgemein geläufig.

Die zweifelhaften Beistriche fehlen häufig, sollten uns aber erfreuen:

Vergleichssätze sind ohne Beistrich nicht so hübsch, wie sie sein könnten.

(Vergleiche brauchen einen Beistrich nicht so dringend wie Vergleichssätze.)

Schlimm sind die fakultativen Beistriche, die wir der Rechtschreibreform verdanken. Sie kommen am häufigsten bei den Infinitivgruppen vor, und man darf sie setzen oder nicht.

Der Effekt der Reform lässt sich gut zusammenfassen: Wo man früher der Klarheit halber einen Beistrich setzen musste, darf man ihn jetzt der Unklarheit halber weglassen. Wo man früher keinen setzen durfte, weil eh alles klar war, darf man es jetzt, um die Verwirrung zu steigern.

Ich empfehle daher, sich an die alte Regel zu halten und die neue Freiheit den Narrenkappenträgern zu überlassen. Die Regel lautet:

Ein einfacher Infinitiv braucht keinen Beistrich, also:

"Wir versuchten zu gewinnen."

Ein erweiterter Infinitiv bekommt einen Beistrich:

"Wir versuchten, unsere Kunden mit akrobatischen Übungen zu beeindrucken."

Als Erweiterung gelten auch schon Kleinigkeiten wie ohne, statt, außer, als:

"Wir gewinnen lieber, als zu verlieren."

Ich würde sagen, das reicht für heute. Bis zum nächsten Mal schreibt jeder drei Sätze mit erweiterten Infinitiven. Weiter geht’s am 21. Februar!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen