Freitag, 27. Juni 2014

Deutsch für Ösen


Es ist We-Em, und zum Thema "Fußball und Deutsch" hat die WDR-Maus ja schon so ziemlich alles gesagt, was zu sagen ist. Wer das entsprechende Video nicht kennt, klickt einfach auf den Link unten.
Deshalb tue ich mir da gar nichts an und liefere stattdessen zwei Blüten, die sich mir zufällig zum Pflücken angeboten haben.

Die erste hat mit dem Unterschied zwischen Deutsch und Österreichisch zu tun und führt uns auf einem gewundenen Pfad zu einer unerwarteten Subtilität.
Wie man weiß, ist in Österreich ja oft gewesen worden, wo man in Deutschland stattdessen gehabt hätte: Die einen sind gestanden, der andere hat gestanden (hätte er in Österreich gestanden, so hätte er es endlich zugegeben, vielleicht auch im Sitzen). Wir sind gesessen, die Deutschen haben gesessen, was uns nur passiert, wenn wir gestanden haben anstand standhaft zu dementieren. Der deutsche Bruder hat getorkelt, wir sind getorkelt (z.B. heimwärts).
So weit, so klar: In Österreich sagt man es mit "sein" schöner. 

Nun ist mir kürzlich eine Frage untergekommen, die auf den ersten Blick klar schien: Sagt man "ich bin geschwankt" oder "ich habe geschwankt"? Selbstverständlich "bin" ich geschwankt, weil ich mir mal wieder einen zu viel genehmigt hatte.
Doch wie liegen die Dinge, wenn ich mir unsicher war, mich nicht entscheiden konnte, kurz: wenn ich nüchtern war, aber im Wigl-Wogl?

Mir scheint, dann "habe" ich geschwankt, nämlich im übertragenen Sinn, während ich im wörtlichen Sinn da stand wie ein Zinnsoldat.

Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber mir gefällt das: dass die Sprache über die Hilfszeitwörter eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen stofflicher und metaphorischer Bedeutung liefert. Schön wie ein Sommermärchen!

Die andere Blüte hat kürzlich auf dem Dunghaufen eines Kunden ihr Häuptlein gereckt. Wir alle haben schon viele ähnliche gepflückt, aber trotzdem soll diese nicht unbemerkt verwelken: Es war einmal ein Brief, in dem wurden Kunden über eine Neuerung unterrichtet. Natürlich wurde nicht alles anders, deshalb gab es in dem Brief zwei Absätze: einen zum Thema "das bleibt gleich" und einen zum Thema "das wird anders". In der 6. Korrekturrunde wurde ein Punkt von "das wird anders" nach "das bleibt gleich" verschoben. Denn es ging um einen Sachverhalt, der sich ändern wird. Deshalb sollte er nicht unter "das wird anders" stehen, denn das, so unser Kunde, ergäbe keinen Sinn. Viel einleuchtender ist es doch, die Änderung als Kontinuität zu verkaufen.
Was das für die WM heißt, weiß ich nicht. Aber ich hatte zehn Euro, die sagen, dass Deutschland Weltmeister wird.


Freitag, 6. Juni 2014

Mir doch


Soll man einen Bart tragen? Keine Ahnung. Dabei ist die Frage ja virulent wie selten, wenn auch neu gewendet. Denn einst hängte (nicht: hing! – ein typisches Beispiel für ein stark gebeugtes Verb, das ein schwach gebeugtes Faktitivum mitbringt) man sich einen Bart um, wollte man etwas verhüllen. Heute hängt hingegen alles am Bart, womit auch die Frage erledigt ist, ob Frau Wursts Triumph für die Geschichte der Toleranz oder der Musik von größerer Bedeutung sein wird.

Denn so ein Bart ist ja eine recht spezielle Angelegenheit. Eine Gesichtswächte, die man sich wachsen oder, wie es ja heißt: stehen lassen kann. So als wäre das Antlitz flächendeckend bebartet und man rasierte Nase, Augenpartie etc., während man die Haare am Kinn unbehelligt ließe. Quasi die Tarn-Superkraft des Y-Chromosoms. Allerdings ist diese ungleich verteilt. Während z.B. mein Vater sich nur kurz vom Spiegel wegdrehen muss, und schon hat er Koteletten wie Captain Onedin (falls sich noch wer erinnert), ermangeln meine Follikel vergleichbarer Leistungsbereitschaft. Es schiene aber übertrieben, spräche man von einem Talent zum Bartwuchs. Zumindest aus der Sicht eines Menschen, dem diese Gabe fehlt.

Die Hauptfrage, die der Bart aufwirft, lautet ja immer: Ist er ein Feature oder ein Bug? Mancher gibt sich viel Mühe mit der Gesichtsgestaltung und schnitzt sich feinziselierte Ornamente auf die Backe, andere lassen dem Wildwuchs freien Lauf. Doch beiden gemein ist die Unklarheit, worum es geht: Schönheit? Faulheit? Funktion? Ich weiß ja nicht, ob ein Bart im Winter wärmt oder im Sommer kühlt. Ich beobachte aber auch keinen Zusammenhang zwischen Jahreszeit und Filzpappenfrequenz. Funktion können wir also vergessen, Faulheit auch, denn so ein Bart ist unangenehm, wenn er noch nicht die gute Länge erreicht hat, und gepflegt will er auch sein. Da ist regelmäßiger Kahlschlag bequemer.

Bleibt also nur die Schönheit. Für alle Anhänger der Maxime, dass die Form der Funktion untergeordnet sei, ist ein Bart leider immer eine ästhetische Fehlleistung. Denn einer unmittelbaren Funktion ermangelt er ja, es sei denn als Rotzbremse, was aber nur den Schnauzer rechtfertigt. Mit dem Bart nicht zu verwechseln sind die Barten der einschlägigen Wale, mit denen diese Krebschen aus dem Wasser filtern. Das geht aber nur mit Barten, nicht mit Bärten. Schon Karl Kraus setzte daher den Bart von (ich glaube) Hermann Broch mit jener Sorte architektonischer Ornamentik in eins, der Adolf Loos den Garaus zu machen bestrebt war. Für Bauhaus-Anhänger ist damit der Griff zur Klinge Pflicht. Beziehungsweise: Wer Crocs trägt, lässt sich auch einen Bart wachsen.

Für feminin Gegenderte und Kunstfiguren gelten bestimmt eigene Regeln, die uns nur nicht geläufig sind. Dass Conchitas Bartpracht sich großen Teils handwerklicher Geschicklichkeit verdankt, macht ihn noch nicht zum Kunstwerk, aber vielleicht zum Kunsthandwerk. Oder hat dieser Witz auch schon wieder einen Bart?