Freitag, 25. September 2015

Zum Untergang verurteilt

Vor einer Weile habe ich mich darüber ausgelassen, dass das Geschwätz über Qualität in der Schulausbildung nichts ist als eben Geschwätz.
Das Geschwätz ist bald konkreter geworden: Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek hat (in ungewohnt erdiger Sprache) ihre Zukunftsvision der Bildung verkündet. Die Kinder werden von Montag bis Freitag jeweils zwölf Stunden (7-19 Uhr) in der Schule verbringen, dort tolle Dinge erleben, ihr Sozialleben absolvieren und so weiter und so fort.
Nun könnte ich mich darüber verbreiten, wie erstrebenswert und sinnvoll es ist, Achtjährige sechzig Stunden pro Woche in der Schule zu kasernieren, und wie toll es für Eltern mit urbanen Arbeitszeiten ist, ihre Kinder um sieben Uhr dort abzugeben. Es ist aber völlig unerheblich, was die Frau Bundesministerin Heinisch-„Männer gehen nur zwecks Selbstverwirklichung in Elternteilzeit“-Hosek da absondert.
Warum? Merkt auf, meine Lesehäschen. Hier kommt ein Leckerbissen für Freunde der fortgeschrittenen Bürokratie.
In der dritten Volksschulklasse ist Schwimmunterricht in Wien Pflicht, und zwar im Ausmaß von acht Einheiten á 35 Minuten. Dafür müssen die Schulklasse, das öffentliche Bad und die Schwimmlehrerinnen unter einen Hut gebracht werden. Man könnte glauben, dass sich das betreffende Schulsekretariat dessen unterwindet, aber nein:
Dafür gibt es in Wien die „Kanzlei Schulschwimmen“. I shit you not. Personifiziert wird sie durch eine Frau Elisabeth Kellner. Ihr liegt es ob, die Schwimmkurstermine der dritten Wiener Volksschulklassen zu organisieren.

Keine leichte Aufgabe, wie sich zeigt, denn Frau Kellner gibt der Klasse 3b der Volksschule in der Wiedner Haupstraße 82 Termine immer donnerstags im Theresienbad, zwölfter Hieb, 8.20 Uhr am Beckenrand.

Nun benötigt man laut Wiener Linien für den Weg 22 Minuten, mit Fußwegen und Umsteigen. Jedoch ohne Wegzeit vom Klassenzimmer über die Garderobe bis zum Schultor und ohne  Zeit fürs Umziehen im Bad. Unterrichtsbeginn ist bekanntlich um acht Uhr. Kurz: Das geht sich nicht aus.

Die Lehrerin ärgert sich und ersucht die Schulsekretärin, in der Schwimmkanzlei anzurufen. Die Sekretärin erhält dort die Auskunft, das lasse sich jetzt nicht mehr ändern.
Die Lehrerin ärgert sich noch mehr und wendet sich an die Direktorin, die ihrerseits die Schwimmkanzlei anruft und mitteilt, das gehe sich nicht aus. Die Schwimmkanzlei erklärt, die Einteilung sei bereits abgeschlossen und lasse sich jetzt nicht mehr ändern. Auch deshalb nicht, weil die Schwimmlehrerinnen jeweils nach zwei Einheiten á 35 Minuten eine 35-minütige Pause einhalten müssen. Die Direktorin und die Lehrerin finden das großartig.
Die Lehrerin, nun schon recht erbost, teilt der Schwimmkanzlei mit, dann gehe sie eben nicht mit ihrer dritten Klasse schwimmen, denn es gehe sich eben nicht aus, und es sei weder für die Eltern noch für sie selbst als Mutter zweier Kinder zumutbar, an jedem Schwimmdonnerstag bereits um 7.30 in der Schule zu sein.
Es folgt ein Bahöö, denn es ist ja Vorschrift!, dass dritte Volksschulklassen in Wien acht Einheiten Schwimmunterricht genießen (auch wenn, wie im konkreten Fall, die ganze Klasse schwimmen kann).  Die Schwimmkanzlei setzt alle, wirklich alle Hebel in Bewegung und findet einen Ausweichtermin:

Um 9.20 Uhr. Am Beckenrand. Im Hütteldorfer Bad. Reine Wegzeit sind knapp 40 Minuten, mit Glück. Dazu kommen Zeitpolster für ohne Glück, für Kindsein, für Umziehen, Glumpert suchen und nicht zuletzt fürs Trockenfönen der kleinen Prinzessinnen. Rückkunft ist somit für gegen elf angesetzt. Danach dürfen die Kinder noch zwei Stunden Unterricht genießen. Mit der Klassenlehrerin noch im Bad zu bleiben, das ist leider nicht drin. Denn die Lehrerin hat zwar die Begleitlehrerprüfung fürs Schulschwimmen abgelegt.
Aber in Niederösterreich. Wenn sie mit Wiener Schulkindern in einem Wiener Bad schwimmt – was da passieren könnte, mag man sich gar nicht ausmalen.

Fazit: Die Kinder erhalten netto knapp einen Schultag Schwimmunterricht. Damit sind sie brutto eine ganze Schulwoche beschäftigt. Die Planung dafür verantwortet eine Frau, die vielleicht nichts anderes macht, ich weiß es nicht, ich will es auch nicht wissen, aber allein die Existenz einer Schwimmkanzlei sagt mir mehr über die ganze Chose, als ich je wissen wollte.

Und auf dieser Basis will Heinisch-Hosek das Schulsystem komplett neu aufsetzen? Wie mein geschätzter Lukas zu sagen pflegt: Wünsch’ Glück.

Freitag, 11. September 2015

Ja, genau


Am Montag war, wie männiglich bekannt, in Teilen des Bundesgebiets der erste Schultag. Wie das Amen im Gebet (oder eigentlich eher wie das Kommherjesus vor dem Essen) kamen in den Tagen davor mediale Wortmeldungen zum Thema Schule und Bildung. Und wie immer frage ich mich, was mit den Leuten los ist.

Im Standard wurde Frau Olivia Markl, Trainerin bei Teachforaustria, einer anscheinend löblichen Organisation mit hehren Zielsetzungen, zitiert: Unterricht nach Schulbuch führe zu „Faktenwissen statt zu profundem Verständnis“. Und außerdem: „Wozu man etwas braucht, steht nicht im Schulbuch.“

Löbliche Ziele hin oder her, da stehen die beiden Säue einträchtig und startbereit nebeneinander, die jedes Mal durchs Dorf getrieben werden, wenn es um das österreichische Bildungssystem geht: ein pejorativer Gebrauch des Wortes „Faktenwissen“, das anscheinend im Gegensatz zum „Verständnis“ steht. Und die Anwendbarkeit, die so manches zeitbestimmte pädagogische Konzept vor sich her trägt wie in meiner Kindheit der Pfarrer die Monstranz bei der Prozession zu Maria Himmelfahrt.

Ich weiß nicht, was ich seltsamer finde. Bei ganz vielen Dingen weiß man das halt nicht auf Anhieb, wozu man sie einmal brauchen kann. Auch wenn man sie vollrohr verstanden hat. Ich will die Auswahl des Lehrstoffes auch nicht der Frau Markl anhand ihrer Kriterien von „Brauchbarkeit“ überlassen. Dazu kenne ich sie nämlich zu wenig.

Vor allem aber hat mir noch nie jemand nahebringen können, was es mit der Brauchbarkeit auf sich habe.

Als nämlich Arthur Conan Doyle seinen Sherlock Holmes erschaffen hat, hat er ihm manches Volksschulwissen vorenthalten: Sherlock weiß ausdrücklich nicht, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und er wirft es Dr. Watson in einer berühmten Passage vor, ihm diese Information vermittelt zu haben, die sein Hirn nutzlos belastet, ohne ihm bei seiner detektivischen Tätigkeit irgendeinen Nutzen zu versprechen.

Daran muss ich immer denken, wenn irgendwer das mit der Brauchbarkeit daherbringt. Natürlich steht, da hat Frau Markl recht, nicht im Schulbuch, wozu man etwas braucht. Aber wer zum Geier hat behauptet, dass Brauchbarkeit das allein entscheidende Kriterium sei? Ich bestimmt nicht. Und so lange wir nicht in die Zukunft sehen können, wäre das auch schwachsinnig. Bis dahin nämlich kann niemand sagen, ob ein einzelnes, bestimmtes, individuelles Schulkind mehr davon profitiert, dass es den Lebenszyklus des Grasfrosches illegalerweise zuhause mitverfolgt, oder dass es innigst behirnt hat, wie man einer Pyramide eine Kugel eine Pyramide eine Kugel etc. einschreibt. Vielleicht stopft es sich auch einfach mit fadem Geographie-Faktenwissen voll und gewinnt dann in der Millionenshow!

Soviel zur  Brauchbarkeit.

Womöglich noch unüberlegter scheint es mir, Fakten gegen Verständnis in Stellung zu bringen. Was bitteschön ist schlecht daran, Fakten darüber zur Kenntnis zu nehmen, wie die Donau beschaffen ist? Ich hatte einst Nachhilfeschüler, denen ein paar Fakten verdammt nochmal nicht geschadet hätten. Dann wäre es ihnen erspart geblieben, damit zu reüssieren, dass „Vorarlberg die Hauptstadt von Kärnten“ sei. Fakt: Sowas lässt einen doof dastehen. Und was um Himmels willen sollen Schüler denn „profund verstehen“, wenn wir ihnen die Konfrontation mit hirntötenden Fakten so nötig ersparen wollen? Man versteht ja nicht einfach, sondern man versteht etwas. Über dieses Etwas muss man sich drübertrauen.

Am allerseltsamsten ist aber, dass die Opposition von Fakten und Verständnis nur im Schulalter gilt. In der sogenannten „frühkindlichen Förderung“ ist es anscheinend total wichtig, schon die Dreijährigen mit faktisch nachvollziehbaren Kompetenzen anzufüllen, auf dass sie mit 35 Jobs haben, die es ihnen gestatten, ihre Brut ebenfalls betreuen zu lassen.

Und nach der Schule finden wir es vollrohr okay, junge Menschen an Fachhochschulen mit möglichst viel rasch verwertbarem Faktenwissen vollzustopfen, ohne auf tieferes Verständnis großen Wert zu legen. Ich kenne viele aktuelle und gewesene Fachhochschülerinnen, und ich hatte den Mangel an Vergnügen, viele ihrer Abschlussarbeiten zu lesen. Aber noch keine hat mir das Gegenteil versichert. 

Fakt: Menschen im Schulalter haben nicht das geringste Problem damit, sich Faktenwissen anzueignen. Sonst hätte Pokémon die Verbreitung eines Bibelkommentars im 12. Jahrhundert genossen.

Fakt: Künstlich Gegensätze herbeizureden hat nichts mit einer Diskussion über Qualität in der Bildung zu tun. Es hat nur mit Gerede zu tun. Denn ein Reden über Bildungsqualität kommt genauso wenig ohne Reden über Lehrerqualität aus wie ein Reden über Werbungsqualität ohne ein Reden über Texterqualität auskommt. Und das Reden über Lehrerqualität kommt nicht aus ohne ein Reden über die schulischen und gesellschaftlichen Umstände, unter denen Lehrpersonal hochwertige Leistung erbringen kann oder eben nicht.

Hier geht es nicht um Bildung, hier geht es nur ums Reden darüber. Der Texter nimmt zur Kenntnis, dass Worte tatsächlich mitunter etwas bewirken können. Das eine Auge lacht, ins andere ist mir grade ein Staubkorn geflogen.

Freitag, 4. September 2015

Putzen oder lassen?


Meine lieben flauschig-frischen Lesehäschen, zwar seid ihr keine Lesekätzchen. Aber so fein, wie es von euch zu mir heraufduftet, bin ich sicher, dass ihr mindestens so reinlich seid, als wärt ihr welche.

Damit fangen natürlich die Probleme an. Denn die Katze schleckt wohl sich selber sauber, nicht aber ihren Korb, ihr Polster oder gar das Katzenklo. Dafür hat sie wen, nämlich dich, falls du von einer Katze besessen bist. 

Was bedeutet das nun für uns? Sauberschlecken ist erstmal kein Thema, damit wir das geklärt haben. Vielmehr muss jemand mit dem Fetzen drüber, sowie mit einer sorgfältig zusammengestellten Batterie von Reinigungs- und Pflegemitteln. Und den Staubsauger nicht vergessen! Die sorgfältiger Gereiften unter euch erinnern sich vielleicht noch, warum der Rathausplatz früher immer so sauber war: Weil der Poldi jeden Tag mit einem Fetzen drübergegangen ist. Wobei „der Poldi“ der weiland Bürgermeister Leopold Gratz  AKA „Whisky-Poldi“ war. Leider ist auch das für Küche, Bad und Special-Interest-Kammerl im Lese- oder Schreibhäschenbau keine Option. Hier steht irgendwann jede vor der Entscheidung, ob man sich jetzt um eine Perle umschauen sollte oder nicht. Als serviceorientierter Kolumnator frage ich mich, wieso ich mich nicht längst bemüht habe, euch diesbezüglich heimzuleuchten. Sträfliche Nachlässigkeit!

Also: Soll man oder nicht? Folgt mir, dann werden wir es hoffentlich herausfinden.

Erstens: Die Kosten. Ist ein Zehner in der Stunde immer noch okay für schwarz Putzen? Ich glaube schon. Bei mir ist es ein paar Jahre her, dass ich dieses Service zuletzt genossen habe. Da sind wir pro Monat ohne Umschauen in den dreistelligen Beträgen, oder, wie ich sie gerne nenne, „können wir uns das leisten?“.

Zweitens: Perlen sind wie Diamanten. Nicht jede ist ein schimmerndes Kleinod, für das man beinahe töten würde. Manche gehören am besten zermahlen und auf Schleifpapier gepickt. Leider merkt man das mitunter erst, wenn es zu spät ist. Das bringt uns zum bedauerlichen

Drittens: Was tun, wenn man trotz gutgemeinter Empfehlungen und größter Vorsicht eine Kaugummiautomatenperle erwischt hat? Dann musst du sie kündigen. Deine Perle, die nicht mal wirklich angestellt ist. Die keinen Urlaubs- oder Krankenstandsanspruch hat. Der es garantiert schlechter geht als dir (denn jede Wette, sie hat keine Perle). Und jetzt musst du saturiertes Armloch dich hinstellen und ihr erklären, dass sie deine oh so kostbaren Besitztümer nicht ausreichend liebevoll poliert. Na toll. Wer jetzt an „Vom Winde verweht“ denkt, kann froh sein. „Django“ wäre schlimmer. 

Fazit: Nach mittlerweile ix Jahren eigenhändigen Putzens empfehle ich jeder, die vor der Wahl steht, dringend die rasche und intensive Suche nach einer Perle. Ich habe das Geschrubbe dermaßen satt.