Vor einer Weile habe ich mich darüber ausgelassen, dass das Geschwätz über Qualität in der
Schulausbildung nichts ist als eben Geschwätz.
Das Geschwätz ist bald konkreter geworden: Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek hat (in ungewohnt erdiger
Sprache) ihre Zukunftsvision der Bildung verkündet. Die Kinder werden von
Montag bis Freitag jeweils zwölf Stunden (7-19 Uhr) in der Schule verbringen,
dort tolle Dinge erleben, ihr Sozialleben absolvieren und so weiter und so
fort.
Nun könnte ich mich darüber verbreiten, wie erstrebenswert und sinnvoll
es ist, Achtjährige sechzig Stunden pro Woche in der Schule zu kasernieren, und
wie toll es für Eltern mit urbanen Arbeitszeiten ist, ihre Kinder um sieben Uhr
dort abzugeben. Es ist aber völlig unerheblich, was die Frau Bundesministerin
Heinisch-„Männer gehen nur zwecks
Selbstverwirklichung in Elternteilzeit“-Hosek da absondert.
Warum? Merkt auf, meine Lesehäschen. Hier kommt ein Leckerbissen für
Freunde der fortgeschrittenen Bürokratie.
In der dritten Volksschulklasse
ist Schwimmunterricht in Wien Pflicht, und zwar im Ausmaß von acht Einheiten á
35 Minuten. Dafür müssen die Schulklasse, das öffentliche Bad und die
Schwimmlehrerinnen unter einen Hut gebracht werden. Man könnte glauben, dass
sich das betreffende Schulsekretariat dessen unterwindet, aber nein:
Dafür gibt es in Wien die
„Kanzlei Schulschwimmen“. I shit you not. Personifiziert wird sie durch
eine Frau Elisabeth Kellner. Ihr liegt es ob, die Schwimmkurstermine der
dritten Wiener Volksschulklassen zu organisieren.
Keine leichte Aufgabe, wie sich zeigt, denn Frau Kellner gibt der
Klasse 3b der Volksschule in der Wiedner Haupstraße 82 Termine immer
donnerstags im Theresienbad, zwölfter Hieb, 8.20 Uhr am Beckenrand.
Nun benötigt man laut Wiener Linien für den Weg 22 Minuten, mit Fußwegen und Umsteigen. Jedoch ohne Wegzeit vom
Klassenzimmer über die Garderobe bis zum Schultor und ohne Zeit fürs Umziehen im Bad. Unterrichtsbeginn
ist bekanntlich um acht Uhr. Kurz: Das
geht sich nicht aus.
Die Lehrerin ärgert sich und ersucht die Schulsekretärin, in der
Schwimmkanzlei anzurufen. Die Sekretärin erhält dort die Auskunft, das lasse
sich jetzt nicht mehr ändern.
Die Lehrerin ärgert sich noch mehr und wendet sich an die Direktorin,
die ihrerseits die Schwimmkanzlei anruft und mitteilt, das gehe sich nicht aus.
Die Schwimmkanzlei erklärt, die Einteilung sei bereits abgeschlossen und lasse
sich jetzt nicht mehr ändern. Auch deshalb nicht, weil die Schwimmlehrerinnen
jeweils nach zwei Einheiten á 35 Minuten eine 35-minütige Pause einhalten
müssen. Die Direktorin und die Lehrerin finden das großartig.
Die Lehrerin, nun schon recht erbost, teilt der Schwimmkanzlei mit,
dann gehe sie eben nicht mit ihrer dritten Klasse schwimmen, denn es gehe sich
eben nicht aus, und es sei weder für die Eltern noch für sie selbst als Mutter
zweier Kinder zumutbar, an jedem Schwimmdonnerstag bereits um 7.30 in der
Schule zu sein.
Es folgt ein Bahöö, denn es ist
ja Vorschrift!, dass dritte
Volksschulklassen in Wien acht Einheiten Schwimmunterricht genießen (auch wenn,
wie im konkreten Fall, die ganze Klasse schwimmen kann). Die Schwimmkanzlei setzt alle, wirklich alle
Hebel in Bewegung und findet einen Ausweichtermin:
Um 9.20 Uhr. Am Beckenrand. Im Hütteldorfer Bad. Reine
Wegzeit sind knapp 40 Minuten, mit Glück. Dazu kommen Zeitpolster für ohne
Glück, für Kindsein, für Umziehen, Glumpert suchen und nicht zuletzt fürs
Trockenfönen der kleinen Prinzessinnen. Rückkunft ist somit für gegen elf angesetzt. Danach dürfen
die Kinder noch zwei Stunden Unterricht genießen. Mit der Klassenlehrerin noch
im Bad zu bleiben, das ist leider nicht drin. Denn die Lehrerin hat zwar die
Begleitlehrerprüfung fürs Schulschwimmen abgelegt.
Aber in Niederösterreich. Wenn sie mit Wiener Schulkindern in einem
Wiener Bad schwimmt – was da passieren könnte, mag man sich gar nicht ausmalen.
Fazit: Die Kinder erhalten netto knapp einen Schultag Schwimmunterricht. Damit sind sie brutto eine ganze Schulwoche beschäftigt. Die
Planung dafür verantwortet eine Frau, die vielleicht nichts anderes macht, ich
weiß es nicht, ich will es auch nicht wissen, aber allein die Existenz einer
Schwimmkanzlei sagt mir mehr über die ganze Chose, als ich je wissen wollte.
Und auf dieser Basis will Heinisch-Hosek das Schulsystem komplett neu
aufsetzen? Wie mein geschätzter Lukas zu sagen pflegt: Wünsch’ Glück.