Freitag, 23. Februar 2018

Amtsweg

Vergesst die Nostalgie, meine o so teuren Lesehäschen. Besonders, wenn es um die Bürokratie geht. Zwar denkt euer ergebener Kolumnator heute noch schaudernd an das schlecht verhohlene Grinsen jener Dame im Passamt, die per Lineal feststellte, das neue Passfoto sei zwei Millimeter zu niedrig. Zurück an den Start! Ähnliche Erinnerungen hat jede, aber erst ab einer gewissen Altersschwelle. Weil die Ämter tatsächlich besser geworden sind. Ein neuer Pass, ein Wohnsitzwechsel – alles kein Problem, Bezahlung per Karte, Wiederschaun.
Wie soll man sich angesichts solcher Funktionsfreudigkeit ein gesundes Misstrauen gegenüber akuter Staatlichkeit erhalten?
Passt auf, das geht, dank der Segnungen der Digitalisierung. Zwar ist die gezielte Bosheit des Amtsorgans von einst durch Inkompetenz nach dem Gießkannenprinzip ersetzt, aber man kann sich trotzdem schön giften.
 So wollte euer Kolumnator das eine oder andere Volksbegehrinnen unterstützen. Ich erspare euch meine Odyssee über FinanzOnline und handysignatur.at und nehme euch gleich mit zu einem interessanten Besuch auf help.gv.at, und ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage: Der Name wäre gern Programm.
Die Anmeldung per Bürgerkarte funktioniert immerhin, nun soll man seine persönlichen Daten vervollständigen. Alsbald erscheint die rot markierte Meldung, dass alle Felder mit * Pflichtfelder seien. Leider aber gibt es erstens überhaupt keine Felder mit * und sind zweitens alle vorhandenen Felder schon befüllt.
Irgendwann dämmert dir, dass du die rote Markierung ignorieren kannst, weil es den Verantwortlichen wichtiger schien, die Bürgerinnen darauf hinzuweisen, was alles auszufüllen ist, anstatt zu bestätigen, dass sie eh alles ausgefüllt haben. Nun aber schnell auf den Link zu den Volksbegehren geklickt, das zu unterstützende Anliegen gewählt, und ...
Nun ja. Stell dir vor, du hoppelst auf ein Amt, um etwas Unvermeidliches zu erledigen. Du machst (weil Häschen!) vor der schützenden Glasscheibe der Portiersloge Männchen, wohinter ein Portier und eine Portierin sitzen, er verbeamtet, sie hoffnungsfroh. Du wendest dich an ihn, er sagt „Bitte bei der Kollegin.“ Du wendest dich an sie: „Der Kollege ist gleich für Sie da.“ Er: „Bitte bei der Kollegin.“ Und so weiter, bis einer von den zweien aufs Klo muss. Erst dann erfährst du, wo du hinmusst.
So läuft das, wenn man auf help.gv.at sagt „Grüß Gott, i warad nocha do zwengan Volksbegehren“. Dann erwidert die Seite nämlich „gerne, bitte hier entlang zur Anmeldung“. Und schon stehst du vor verschlossener Seite und wartest vergeblich. Bis du auf die rettende Idee kommst: einfach abhauen.  
Wenn du dich nämlich auf help.gv.at anmeldest und auf die Volksbegehren klickst, ist für die Verantwortlichen völlig klar, dass das niemand tun würde, der schon angemeldet ist. Deshalb schickt dich die Seite zur Anmeldung. Dort fällt das System ins Stresskoma, weil du ja schon angemeldet bist. Du musst dich zuerst abmelden, dann die Volksbegehren auswählen, dich von dort – vollaumatisch! – zur Anmeldung weiterleiten lassen, dich anmelden, und dann kannst du endlich deine Unterstützungserklärung abgeben.
Damit, o teure Häschen, ist auch geklärt, wie die Chancen für die Konzernbesteuerung stehen, von der alle reden. Amazon, PayPal, Google oder Alibaba hatten nämlich noch nie die geringsten Schwierigkeiten, mir anzumerken, ob ich schon eingeloggt sei oder nicht. Und ein Staat, der nicht imstande ist, festzustellen, ob ein Bürger bereit ist, von seinem Bürgerrecht Gebrauch zu machen, hat das Rennen verloren. Schönes Wochenende!

Freitag, 16. Februar 2018

Gemischter Satz

Vor einer Weile, meine lieben Lesehäschen, habe ich zufällig einen Artikel über automatisch generierte Nachrichtenartikel gelesen. Ich vermute, dass es davon schon mehr gibt, als man auf den ersten Blick glauben sollte. So übernahm Der Standard kürzlich die Agenturmeldung von einem Zugsunglück in den USA, wobei der Zug mit umgerechnet rund 96 Stundenkilometern unterwegs gewesen sei. Sofort ersteht vor unserem geistigen Auge das Bild einer Nachrichtenagenturmitarbeiterin, wie sie die Parameter für das Übersetzungsprogramm angibt und dabei festlegt, dass Maßeinheiten automatisch ins metrische System umzurechnen seien. Nur ergibt es natürlich nicht den geringsten Sinn, bei physikalischen Größen eigens anzugeben, dass hier etwas „umgerechnet“ wurde. Es sei denn, man wollte seine Leser gratis weiterbilden, indem man ihnen mitteilt, wieviele Stundenmeilen „rund“ 96 km/h entsprechen. Nur fehlte die Angabe der Geschwindigkeit in Stundenmeilen, weil das Übersetzungsprogramm ja nur umrechnet, aber nicht umformuliert, weshalb auch das völlig sinnlose „rund“ stehenblieb.
Anlass zur Hoffnung gibt uns die Tatsache, dass die Stelle in der Onlinefassung tatsächlich korrigiert wurde: Hier ist immerhin von einer Geschwindigkeit von fast 60 Meilen in der Stunde (etwa 96 Stundenkilometer) die Rede. Das „etwa“ bei einer Angabe, die auf ein Prozent genau daherkommt, irritiert aber immer noch.
Beim Ausmisten (der Zweckdichterhund bekommt seinen eigenen Schreibtisch, daher sind Umräumarbeiten unerlässlich) ist mir ein Zubehörkabel für Kopfhörer untergekommen, in der originalen Kunststoffbox. Diese trägt die Aufschrift For shipping only. Remove before use. Ach, was gäbe ich darum, den Menschen, der diesen Hinweis benötigt, eine Banane essen zu sehen! Ich stelle mir das ungefähr so vor wie Fig. B oder D in der schönen Tischmanieren-Illustration von Loriot (bitte selber googlen, hier gibt’s nur in ganz seltenen Ausnahmefällen Bilder). Hingegen will ich den Betreffenden keinesfalls beobachten müssen, wie er ein Kondom verwendet.
Zu denken gibt mir auch der nach 22 Uhr allgegenwärtige Werbespot einer Partnervermittlungsagentur der lebensbejahenden Art, die sich mit einer achtzigprozentigen „Flirt-Erfolgsrate“ nun ja, brüstet. Was genau ist ein „Flirt-Erfolg“? Etwas sagt mir, dass damit nicht ein duftender Handschuh gemeint ist, den die Angebetete vom Balkon flattern lässt, nachdem ihr Beau eine Serenade dargebracht hat.
Etwas anderes sagt mir, dass die achtzig Prozent frei erfunden sind, weil niemand so bescheuert ist, Fragen eines Online-Flirtvermittlers zum Verlauf eines Abends zu zweit (oder zu mehreren) zu beantworten. Zumindest hoffe ich das, denn man hegt ja gern Hoffnung für die Menschheit. Mit dem Alter wird dieser Drang immer stärker, auch wenn die Basis der Hoffnung an Substanz einzubüßen scheint. Das liegt an Menschen wie Herrn Karl Mahringer, der, qualifiziert durch seine Erfahrungen in Export-Import-Geschäften mit Afghanistan, über dasselbe einen Länderbericht verfasst hat. Dieser dient als Grundlage für nicht wenige Abschiebungen afghanischer Asylwerber, weil Herr Mahringer geschrieben hat, dass es in Afghanistan eh nicht sooo arg ist. Nun hat ein Plagiatsjäger festgestellt, dass es um die wissenschaftliche Qualität des Berichts traurig steht. Gegen diesen Vorwurf verteidigt sich Herr Mahringer nicht etwa mit einem Nachweis des Gegenteils, dass er sehr wohl wissenschaftlich vorgegangen sei, sondern mit dem Hinweis, er habe eh geschrieben, dass er das nicht getan hat. Ich wäre gern dabei gewesen, als die Verantwortlichen im Innenministerium besprochen haben, wie sie mit diesem Hinweis umgehen sollen. Aber noch lieber würde ich das mit der Banane sehen. Schöne Woche!

Freitag, 2. Februar 2018

Schuhwerk

Mit den Medien ist es halt so eine Sache. Zum Beispiel war bekanntlich gerade Akademikerball, eine Veranstaltung, die euren Kolumnator schon wegen ihres Namen nervt. Nicht besser wird es dadurch, dass sie in erster Linie der Selbstvergewisserung einschlägiger Dummbeutel dient, d.h. der gegenseitigen Versicherung, dass die Zielgruppe der eigenen politischen Dummbeutelei noch engstirniger sei als man selber dumm. Wir reden hier von einem Biotop, in dem die aufgelegte Verteidigung gegen den Vorwurf antisemitischer Gesänge nicht etwa lautet, man sei kein Antisemit. Vielmehr erklärt man, dass man nicht singen kann.
Damit hat das Wort Biotop wieder zu jener engeren Bedeutung zurückgefunden, die ein Mitschüler eures Zweckdichters einst schön zusammengefasst hat: A Biotop ischt a Dräckloh; für die dialektal Überforderten: Ein Biotop ist ein Dreckloch, eine Definition, die im regenreichen Bregenzerwald völlig ausreicht, indem ein Biotop dort nichts anderes sein kann als eine Vertiefung in der Gegend, in der sich mehr Wasser sammelt als anderswo, sodass Lurche (nicht die Sorte, die unterm Sofa wohnt) sich bevorzugt dort ansiedeln. Damit ist auch der Bogen geschlagen zu jener Schleimigkeit, die sich vom Akademikerball bis in höhere politische Kreise zieht. Sollte Herr Landbauer (von dem ich nicht wissen will, ob er auf dem Akademikerball war, aber falls nicht, dann hat er eine Lücke hinterlassen) im Zuge einer Lenkererhebung einmal das Beweisfoto einer Radarkamera vorgelegt bekommen, dann weiß ich schon, wie er sich aus der Affäre zieht: Er sagt einfach, dass er keinen Führerschein hat.
Nun gibt es auch unter solchen Leuten welche, die zu ihren anderen Sünden die Hoffart fügen, weshalb sie gelegentlich der Drang packt, ihre Einserpanier auszuführen. Aus bitterer Erfahrung wissen sie, dass sie dabei unter Zivilisierten Gefahr laufen, angespien zu werden, weil die Reflexe des oberen Verdauungstraktes halt sind, wie sie sind, und wenn einen das Grausen erst einmal gepackt hat, gibt es kein Zurück mehr.
Deshalb hält sich der Akademikerball: damit sich Kerlinnen und Kerle, bei deren Anblick es einen ordentlichen Menschen reckt, auch einmal aufdirndln können, ohne dass der näheren Umgebung schlecht wird.
Damit wir erfahren, was dort los ist, gibt es den Journalismus und die Pressefreiheit.
Damit uns klar wird, dass beides nur so wertvoll ist wie die Menschen, die davon Gebrauch machen, gibt es Journalistinnen wie jene, die den Artikel Das müsst ihr über Österreichs rechteste Veranstaltung wissen verfasst hat, laut Untertitel eine Analyse. Nicht nur, dass schon der Superlativ im Titel recht forsch vergeben scheint: Wäre eine Sitzung des Ultra-Flügels der Tea Party die rechteste Veranstaltung der USA, oder schaut man, wenn einem der Sinn nach dieser steht, lieber bei einer Kreuzverbrennung des Klans vorbei? Und gibt es eigentlich das Ulrichsberg-Treffen noch? Antwort nach kurzem Googlen: ja. Ich hoffe, die Autorin hat sich das mit der „rechtesten Veranstaltung“ gut überlegt. Nicht, dass irgendwer von den Ballgästen enttäuscht war, weil sie sich mehr erwartet hätte.
Was müssen wir nun über den Akademikerball wissen? Nichts, was ihr nicht ohnehin schon wisst, bis auf eines, dass uns schon im ersten Absatz unter die Nase gerieben wird: Die Damen und Herren dort tragen „High Heels und Lederschuhe“. Zwar stammt die Analytikerin aus Oberösterreich. Ich kann aber bezeugen, dass auch dort „High Heels und Lederschuhe“ nicht nur in den besseren Ständen durchaus gang und gäbe sind und es keineswegs Brauch ist, in Chucks oder Flip-Flops zu einer traditionellen Tanzveranstaltung aufzulaufen.
Ich rate daher, sowohl Akademikerbällen als auch Analysen dieser Gewichtsklasse fernzubleiben. Hermann-Maier-Dokumentationen sind hingegen vollrohr okay. Schönes Wochenende!