Vergesst die Nostalgie, meine o so teuren Lesehäschen. Besonders, wenn es um die
Bürokratie geht. Zwar denkt euer
ergebener Kolumnator heute noch schaudernd an das schlecht verhohlene Grinsen
jener Dame im Passamt, die per Lineal feststellte, das neue Passfoto sei zwei
Millimeter zu niedrig. Zurück an den Start! Ähnliche Erinnerungen hat jede,
aber erst ab einer gewissen Altersschwelle. Weil die Ämter tatsächlich besser
geworden sind. Ein neuer Pass, ein Wohnsitzwechsel – alles kein Problem,
Bezahlung per Karte, Wiederschaun.
Wie soll man sich angesichts
solcher Funktionsfreudigkeit ein gesundes Misstrauen gegenüber akuter
Staatlichkeit erhalten?
Passt auf, das geht, dank der
Segnungen der Digitalisierung. Zwar
ist die gezielte Bosheit des
Amtsorgans von einst durch Inkompetenz
nach dem Gießkannenprinzip ersetzt, aber man kann sich trotzdem schön giften.
So wollte euer Kolumnator das eine oder andere
Volksbegehrinnen unterstützen. Ich erspare euch meine Odyssee über FinanzOnline und handysignatur.at und nehme euch gleich mit zu einem interessanten
Besuch auf help.gv.at, und ich
verrate nicht zuviel, wenn ich sage: Der Name wäre gern Programm.
Die Anmeldung per Bürgerkarte funktioniert
immerhin, nun soll man seine persönlichen Daten vervollständigen. Alsbald
erscheint die rot markierte Meldung, dass alle Felder mit * Pflichtfelder seien. Leider aber gibt
es erstens überhaupt keine Felder mit * und sind zweitens alle vorhandenen
Felder schon befüllt.
Irgendwann dämmert dir, dass du
die rote Markierung ignorieren kannst, weil es den Verantwortlichen wichtiger
schien, die Bürgerinnen darauf hinzuweisen, was alles auszufüllen ist, anstatt
zu bestätigen, dass sie eh alles ausgefüllt haben. Nun aber schnell auf den Link
zu den Volksbegehren geklickt, das zu unterstützende Anliegen gewählt, und ...
Nun ja. Stell dir vor, du hoppelst
auf ein Amt, um etwas Unvermeidliches zu erledigen. Du machst (weil Häschen!)
vor der schützenden Glasscheibe der Portiersloge Männchen, wohinter ein Portier
und eine Portierin sitzen, er verbeamtet, sie hoffnungsfroh. Du wendest dich an
ihn, er sagt „Bitte bei der Kollegin.“
Du wendest dich an sie: „Der Kollege ist
gleich für Sie da.“ Er: „Bitte bei
der Kollegin.“ Und so weiter, bis einer von den zweien aufs Klo muss. Erst
dann erfährst du, wo du hinmusst.
So läuft das, wenn man auf help.gv.at sagt „Grüß Gott, i warad nocha do zwengan Volksbegehren“. Dann erwidert
die Seite nämlich „gerne, bitte hier
entlang zur Anmeldung“. Und schon stehst du vor verschlossener Seite und
wartest vergeblich. Bis du auf die rettende Idee kommst: einfach abhauen.
Wenn du dich nämlich auf help.gv.at anmeldest und auf die Volksbegehren
klickst, ist für die Verantwortlichen völlig klar, dass das niemand tun würde,
der schon angemeldet ist. Deshalb schickt dich die Seite zur Anmeldung. Dort
fällt das System ins Stresskoma, weil du ja schon angemeldet bist. Du musst
dich zuerst abmelden, dann die Volksbegehren auswählen, dich von dort –
vollaumatisch! – zur Anmeldung weiterleiten lassen, dich anmelden, und dann
kannst du endlich deine Unterstützungserklärung abgeben.
Damit,
o teure Häschen, ist auch geklärt, wie die Chancen für die Konzernbesteuerung stehen, von der alle reden. Amazon, PayPal, Google oder Alibaba
hatten nämlich noch nie die geringsten Schwierigkeiten, mir anzumerken, ob ich
schon eingeloggt sei oder nicht. Und ein Staat, der nicht imstande ist,
festzustellen, ob ein Bürger bereit ist, von seinem Bürgerrecht Gebrauch zu
machen, hat das Rennen verloren. Schönes Wochenende!