Freitag, 13. Dezember 2019

Weihnachtliche Possessivpronomina

In der Vorweihnachtszeit hat man ja bekanntlich Muße für sprachliche Feinheiten. So will ich nicht anstehen, euch, o unterbeschäftigte Punschhäschen auf eine Reise ins Land der spannenden Pronomina mitzunehmen. Gerade am Punschstand stellt sich ja bisweilen die Frage, ob das jetzt dein Punsch oder mein Glühwein (immer Glühwein, bitte!) ist.
Wie du da so am Punschstand stehst, ist dir ein bisschen langweilig. Das ist am Punschstand nichts Ungewöhnliches, aber schließlich bist du ja nicht allein hier – allein die überzuckerte Plörre in sich hineinzuschütten, das wäre ja nun wirklich zu trostlos. Also bittest du deinen Freund um sein Handy, „um schnell die Mama anzurufen. Er (leichtfertiger User 40 plus!) borgt es dir umstandslos, ohne zu bedenken, dass die Facebook-App zugänglich ist, aber zu spät, du tippst schon, dass die Finger glühen. Dann ist das der Freund, auf dessen Handy du tippst. So weit, so klar, dessen ist hier das das possessive Relativpronomen. Man könnte auch sagen, es ist der Genitiv des Relativpronomens der. Klar ist natürlich auch, dass du sofort einen interessanten Mix aus S/M-Gruppen, Swingerclub-Profilen und Hardcore-Feminismus-Treffpunkten geliket hast, damit der Facebook-Feed deines geliebten Freundes nicht mehr nur mit Avocadorezepten zugemüllt wird.
Klar ist weiters, und damit kommen wir zum saisonal relevanten Content für ausgeschlafene User wie euch: Wer auf der Weihnachtsfeier neben dem Chef sitzt, sollte schauen, dass er aus seinem Glas trinkt, nicht aus dessen Glas. Sonst kann sich da schnell ein unangenehmes Gespräch entwickeln. In diesem Fall ist dessen nämlich der Genitiv des Demonstrativpronomens oder, wie wir heute gern sagen, der Wesfall von der. Dass das Relativpronomen und das Demonstrativpronomen beide der heißen, kann schon vorkommen, ich kenne auch zwei Automechaniker, die beide vertrauenswürdig sind und Martin heißen, aber beide nicht mein Cousin sind, der ebenfalls Martin heißt und vertrauenswürdig, jedoch kein Automechaniker ist. Sein Bruder ist allerdings Autohändler, aber ehrlich, meine Teuren, das führt jetzt zu weit.
Dessen ist in diesem Fall nützlich, weil man die Gläser damit zumindest grammatisch eindeutig zuordnen kann, während man im wirklich Leben diese bunten Schleifchen vom Chinaversand braucht, die auf dem Papier sehr praktisch aussehen, aber in Wirklichkeit denkt man meistens nicht dran. Wenn man doch dran denkt, findet man sie entweder nicht, oder man hat eh schon so viel intus, dass man zum Suchen zu faul ist. Wie löblich hingegen dessen, wo man gleich Bescheid weiß!
Oder vielleicht auch nicht. Denn wie stehen die Dinge hier?
Wenn der Texter schon einfach die Formulierung des Kunden geklaut hat, hätte der Arter doch gleich auch dessen Layout nehmen können.
Weiß man, dass das Layout vom Kunden stammt und nicht vom Texter, nur weil hier „dessen“ steht anstatt „sein“?
Antwort: nicht zwingend, denn eine verbindliche Regel scheint nicht zu existieren. Normalerweise weist dessen aber nicht auf denjenigen, der im Satz etwas tut. Mit sein würde der Arter sein eigenes Layout klauen (soll auch gelegentlich vorkommen), mit dessen ist es jedenfalls sonst jemandes Werk. Für die Weihnachtsfeier bedeutet das: Wer dazu imstande ist, trinke stets nur aus seinem eigenen Glas. Im Zweifelsfall trink wenigstens aus dem Glase eines früheren Users, dessen Lippenstift zu deinem Teint passt. Schließlich soll es eine gelungene Feier werden. Schönes Wochenende!

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