Freitag, 3. Dezember 2021

Privatentscheidung


 

Die Witze, o vielgeliebte Lesehäschen, über das Abtreten des Erlöserkanzlers macht bitte jeder selber. So lustig ist die Arroganz, mit der unser Altbasti uns verkauft, es sei ja ganz selbstverständlich, dass man nach stattgehabter Fortpflanzung erst einmal eine Runde „Zeit mit der Familie“ verbringt anstatt zu hackeln, weil es sich halt sonst nicht ausgeht, aucht nicht, noch auch die Geschwindigkeit, mit der die zweite Republik auf italienische Taktung (fünf Kanzlerwechsel in vier Jahren) zusteuert. Für das Argument, es sei Zeit zum Aufhören, wenn man für seine Tätigkeit nicht mehr „brenne“, wird vielleicht so manche Regaleinräumerin, so mancher Paketbote bestenfalls ein Alzerl Verständnis aufbringen.

Fragen wir uns stattdessen, wie wir weitertun. Nicht selten hört man mahnende Stimmen, die vor einer Spaltung der Gesellschaft warnen, die uns drohe, sollte, anstatt weiterhin „Impfangebote“ zu machen, die anscheinend keine Sau interessieren, obrigkeitlicherseits der Impfdruck erhöht werden. Zuletzt stand so etwas in irgendeinem Schweizer Medium, glaube ich. Man kann dem nur zustimmen: Es ist keineswegs erstrebenswert, die Gesellschaft zu spalten. Bedauerlich ist aber, dass die Spaltung nur im Bereich des Impfens abgelehnt wird, während wir sie sonst vollrohr okay zu finden scheinen. Es hat sich bisher noch niemand darüber beschwert, dass man einen Führerschein braucht, um auf öffentlichen Straßen zu fahren, obgleich dies bei näherem Hinsehen eine nicht weniger schreiende Ungerechtigkeit darstellt als jene, die durch eine Zweigeplus-Regelung im Bereich des Einzelhandels entstünde. Wie kommen die Führerscheininhaber denn dazu, für sich das Privileg des Fahrzeuglenkens in Anspruch zu nehmen? Ist die Entscheidung für oder wider die Führerscheinprüfung nicht eine zutiefst private, von welcher die Teilhabe an grundlegenden Kulturtechniken wie dem Autofahren unbeeinträchtigt bleiben sollte?

Noch mehr Spaltungspotenzial wohnt dem Strafrecht inne, das mir nichts, dir nichts die Gesellschaft in solche spaltet, die im Häfen sitzen, und solche, die sich noch auf freiem Fuß befinden. Auch hier schweigen die Mahner unverständlicherweise. Aber die Sache beginnt ja schon bei den Kleinsten, nämlich im wortwörtlichen Sinne. Bereits auf dem Rummelplatz wird beinhart gespalten in solche, die schon hinreichend aufgeschossen sind, um mit der Hochschaubahn zu fahren, und solche, die, weil vorerst zu kurz geraten, nur neidisch zuschauen dürfen, sorry, erst ab einmeterzwanzig. Sollten wir nicht gerade die Schwächsten der Gesellschaft davor schützen, schon im zartesten Alter solchermaßen abgespalten zu werden?

Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich gibt es gute Gründe dafür, dass man manches nur unter bestimmten Voraussetzungen darf.

Bestimmt gibt es auch gute Gründe dafür, die Impfrate anders als durch Zwang steigern zu wollen. Die Vermeidung einer „Spaltung der Gesellschaft“ ist aber eher kein solcher Grund, weil wir halt täglich ganz gut damit leben, dass die Gesellschaft gespalten ist in solche, solche und noch andere. So lange man sich deswegen nicht den Schädel einschlägt, ist das kein Problem. Schönes Wochenende!

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