Freitag, 10. Dezember 2021

Der Felber lallt selber

 

Erstens einmal, o teure Lesehäschen, gilt es einen guten Rat des Zweckdichterbalgs zu beherzigen: Wer ein langes Gedicht auswendig lernt, lernt dabei auch etwas über sich selber. Vor allem darüber, wie man am klügsten vorgeht, um sich Neues anzueignen. Außerdem tut es nicht weh, sich die Bürgschaft, das Lied von der Glocke oder Poes Raben ins Langzeitgedächtnis zu räumen. Nebenbei gelingt damit ein Gesprächseinstieg mindestens so shmoov wie mit Themen vom Kaliber Wetter (bis Anfang 2020) respektive Corona (seit Anfang 2020). Bonus: Man redet nicht über Corona.

Des weiteren soll man nicht nur Gedichte auswendig lernen, sondern auch sorgfältig rechnen. So hat Altkanzler Kurz einst nicht damit gerechnet, dass man ihm einmal draufkommen würde, weshalb der unschuldige Konstantin nun als Vorwand dafür dienen muss, dass Papa sich aus der Politik zurückzieht. Weiterhinvizekanzler Kogler seinerseits rechnet mit extrem vielen deutschen Nachbarn, wenn er im ZEIT-Interview erklärt, dass Österreich sieben Milliarden Euro für den Klimaschutz ausgibt, was so viel sei, wie wenn Deutschland 500 Milliarden ausgibt. Leider hat er nicht dazugesagt, was er als Vergleichsgröße herangezogen hat, denn eine halbe Milliarde Einwohner hat Deutschland jedenfalls nicht.

Dies einerseits.

Andererseits ist Rechnen stark überbewertet, wie das Beispiel von Christian Felber zeigt. Der Gute war hieramts schon vor Jahren zu Gast, weil er in einem Interview erklärte, dass schöne Männer ein gutes Verhältnis zu ihren Füßen hätten und dass der Kommerzfußball zu stark vom Ergebnis dominiert sei (vermutlich im Unterschied zur Liebesbäckerei, zur Neigungsgruppe Fahrradbau oder der Ich-tanz-dir-einen-Haarschnitt-WG, wo jeweils eher wurscht ist, was dabei herauskommt, Hauptsache, alle haben einander dabei lieb).

Dieser Felber selber hat vor einem Weilchen die 30 Gründe veröffentlicht, deretwegen er sich nicht impfen lässt. Ich spare mir den Link und gebe euch stattdessen das Executive Summary. Spoiler: Die sogenannten 30 Gründe sind in Wahrheit nur drei, nämlich erstens: Felber ist schlecht im Lesen (hierher gehören Gründe wie „ich ernähre mich gesund und tanze viel imWald“, denn wenn er lesen könnte, wüsste er mittlerweile, dass eine robuste Konstitution nicht vor einer Ansteckung und schon gar nicht vor einem schweren Verlauf oder long Covid schützt).

Zweitens: Felber ist schlecht im Rechnen, weshalb er ungefähr jede Statistik fehldeutet, die ihm unterkommt. Dass er zum Beispiel auf das hier schon besprochene Simpsons-Paradoxon hereinfällt, ist quasi ein Ghörtsich für einen wie ihn.

Drittens: Felber bleibt er selber. Als Grund für seine Impfverweigerung führt er deshalb auch an, dass mehr an Medikamenten gegen Covid geforscht gehört. Anders gesagt: „Ich kaufe mir kein Fahrrad, weil Trittroller effizienter sein könnten.“ Und natürlich, das ist ganz wichtig: Er lässt sich nicht impfen, weil die Pharmakonzerne an den Impfstoffen Geld verdienen. Ein gestandener „Gemeinwohl-Ökonom“ nutzt und konsumiert ja nur Leistungen und Produkte, die von den Urhebern und Herstellern um Gottes Lohn bereitgestellt werden. Christian Felber selbst nimmt für einen Vortrag 2.000 Euro, wenn er sie bekommt – „lassen Sie uns gerne sprechen, was möglich ist“, heißt es auf seiner Website. Da ich stark bezweifle, dass dieser Satz im Wittgensteinschen Sinne gemeint ist und noch stärker befürchte, dass er besagen soll: „Gerne bespreche ich mit Ihnen, welches Honorar Sie sich leisten können“ – deshalb also würde ich persönlich keinen Vortrag von jemandem buchen, der offensichtlich nicht nur im Lesen und Rechnen, sondern auch im Schreiben und Sprechen noch Luft nach oben hat.

Schönes Wochenende!

 


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