Freitag, 8. Juli 2022

Was nichts kostet

 

Es ist, o balkonienliebende Lesehäschen, schon eine Weile her, dass hieramts darüber nachgedacht wurde, wie Fliegen die Wehrpflicht als Mittel sozialer Disziplinierung abgelöst hat, ja, dass uns die einhergehenden Unannehmlichkeiten möglicherweise schon oft den kollektiven Arsch gerettet haben, weil heutige Führungskräfte mangels Militärdienst erst auf Dienstreisen per Flugzeug internalisieren, dass es eh nichts nützt und dass man im Zweifelsfall tun muss, was der Uniformierte sagt.

Die Frage ist nun, was Corona damit angestellt hat. Denn es war klar, dass der Mensch leiden, warten und gehorchen lernt, wenn man ihn nur oft genug auf Dienstreise nach Guangzhou schickt. Eine Zoomkonferenz kann da nicht mithalten, wie wir am gegenwärtigen Zustand der Welt sehen. Wer in Unterhosen zuhause sitzt und Gin Tonic aus einem Kaffeehäferl nippt, dem kann die Welt nicht genug anhaben. Es ist vielleicht zu kühn, wollte man behaupten, Putin wäre auf seine allerblödesten Ideen nicht gekommen, wenn er mehr geflogen wäre, anstatt Oligarchen in Videokonferenzen meier zu machen. Aber wer weiß?

Das Wichtigste, das man auf Flugreisen lernt, ist freilich, sie nach Möglichkeit zu meiden. Dieser Lerneffekt wurde offenbar durch die Pandemie zunichte gemacht. Selbst die ärgsten Schauernachrichten können die nach Ferne Dürstenden nicht davon abhalten, sich auf den Weg zu machen. Was einst die Staufolklore am Brenner war, ist heute die Schlange vor der Security. Letztere ist besser klimatisiert, aber bei ersterer durfte man rauchen und essen, soviel man lustig war. Außerdem hatte man den Brenner hinter dem Brenner hinter sich, während nach der Security ja erst der Flug kommt.

Wie euer Ergebener kürzlich lernte, ist es nämlich keineswegs mehr so, dass da vorne im Cockpit hochbezahltes Fachpersonal sein Bestes gibt, damit alle wohlbehalten ankommen. O nein: Es kostet heute nicht nur dich etwas, wenn du noch ein Gepäckstück mitnehmen, neben deinem Geliebten sitzen oder auf dem Flug etwas essen willst. Zahlreiche Airlines lassen sich vom fliegenden Personal seit Jahren dafür bezahlen, dass es sich zu ebendiesem zählen darf. Denn als angehender Pilot kann man bei der heutigen Marktlage kaum hoffen, für den Erwerb wertvoller Flugpraxis auch noch ein Gehalt zu kassieren. So mancher hoffnungsfrohe Jungspund zahlt über 100 Euro pro Flugstunde oder mehr, in der Hoffnung, irgendwann auf den einkommensträchtigeren Nebensitz wechseln zu dürfen. Bei 500 Flugstunden für eine Lizenz läppert sich das, Herrschaften! Würdest du aber voller Vorfreude ein Restaurant ansteuern, dessen Souschef Eintritt zahlt, damit er in die Küche darf? Öffnet man ein Buch mit höheren Erwartungen, wenn der Autor es auf eigene Kosten veröffentlicht hat, anstatt einen Verlag davon zu überzeugen? So richtig vertrauensbildend scheint mir das nicht, denn wenn etwas einmal einen Preis hat, kann es auch einen höheren Preis bekommen, womit die Finanzkraft des Copiloten immer mehr Bedeutung im Vergleich zu seinen sonstigen Qualifikationen gewänne.

Ich bleibe daher bei meiner Empfehlung, Reisen zu meiden. Wer unbedingt andere Touristen sehen will, der begebe sich an einen entsprechenden hotspot, je näher, desto besser. Dort kaufe man sich ein Erfrischungsgetränk nach Wahl, lasse den Betrieb eine Weile auf sich wirken und frage sich, wie dringend man die Zwillinge all dieser Menschen in einer Umgebung um sich haben will, deren Anblick einen Flug unter der zumindest partiellen Kontrolle eines Menschen voraussetzt, der dafür bezahlt hat, sie ausüben zu dürfen.

Schönes Wochenende!

Freitag, 1. Juli 2022

Bis wann denn nun?

 

Die Frage zum Tage, o heiße Lesehäschen, kann nur lauten: Wenn es bis zu 35 Grad kriegt, dauert diese unmenschliche Hitze dann bis zu drei Tage oder bis zu drei Tagen (länger ja hoffentlich nicht)? Einerseits kann man es sich gröbi machen und halt behaupten, dass sie bis zu drei Tage dauert, was übrigens korrekt ist.

Andererseits ist die Frage, warum? Bis ist nämlich ein glitschiges Wörtchen. Der gute Duden kennt es als Adverb, Präposition und Konjunktion, nimmt es aber selber nicht so genau mit der Trennschärfe. Wenn man unter „bis (Präposition)“ nachschaut, findet man eh auch „bis (Adverb)“, da ist man auch in der Dudenredaktion vollrohr serviceorientiert. Man erfährt dort auch, dass „Kinder bis 10 Jahre“ freien Eintritt haben. Wenn man aber weiter scrollt, haben „Jugendliche bis zu 18 Jahren“ keinen Zutritt, was erstens ungerecht gegenüber den Jugendlichen scheint, die sich draußen mopsen müssen, während die kleinen Geschwister sich drinnen die Kante geben. Zweitens hat man sich beim Duden wohl gedacht, dass immer die Präposition, die dem Substantiv am nächsten ist, den Kasus regieren darf.

Damit tappen wir aber immer noch im Dunkeln, beziehungsweise im viel zu Hellen, denn wäre es dunkel, dann dürften wir auf sinkende Temperaturen hoffen, während es tatsächlich noch heißer wird.

Jetzt heißt es dranbleiben, und tatsächlich: Es gibt nicht umsonst auch ein eigenes Lemma „bis (Adverb)“. Hier nämlich findet man nämlich die scheinbar irrelevante Information: „der Vorstand kann [bis zu] 8 Mitglieder umfassen“. Welcher Vorstand, ist man versucht zu fragen, und warum ist 8 nicht ausgeschrieben? Schmeck’s, kann die Antwort nur lauten, denn viel wichtiger ist, dass hier offenbar das Verb umfassen das Sagen hat, das bekanntlich einen Akkusativ als Gegenüber braucht. Ich sage das deshalb, weil der Akkusativ sehr leicht zu erkennen ist, wenn du deinen Liebsten umfasst, wenn es sich aber um deine*n Liebste*n handelt, fällt es gerade Legasthenikern oft schwer, zu erkennen, wer hier mit wem.

Wir merken uns also, was der Duden meint:

Erstens regieren Präpositionen Fälle, bis zum Beispiel den Akkusativ und zu den Dativ.

Zweitens: Wenn mehrere Präpositionen darum streiten, wer den Fall regieren darf, gewinnt die Präposition, die näher beim Substantiv steht, so wie du beim Bundesheer im Zweifelsfall auch auf den Vizeleutnant hören musstest, um dich allenfalls am nächsten Tag beim Oberleutnant zum Rapport zu melden, aber da hattest du die Häusln eh schon geputzt, obwohl du ja eigentlich pünktlich in der Kaserne gewesen warst, also auch wurscht.

Wenn drittens ein Verb vorbeischaut, können sich die Präpositionen brausen gehen, dann gilt, was das Verb sagt.

Eine letzte Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass nach diesen Regeln die Hitze bis zu drei Tage dauert, uns aber bis zu zu drei Tagen Hitze bevorstehen. Hier hilft nur sorgfältige Gewissenserforschung wie einst vor der Schulbeichte. Euer Ergebener tendiert zur ersteren Lösung.

Schönes Wochenende!