Die Segnungen der KI, o fortschrittsbewusste Lesehäschen, zeigen sich ja nicht nur daran, dass man seine Abschlussarbeit nicht mehr selber schreiben muss oder mirnixdirnix Bilder von Einhörnern erzeugen kann, die auf einem Bein stehend mit Wodka Martinis jonglieren, während Albert Einstein ihnen Wattebäusche zuwirft.
So etwas ist natürlich super, aber die KI schenkt uns noch mehr: nämlich das bekannte Trolleyproblem in ganz neuem Gewand. Ihr wisst schon: Eine wildgewordene Straßenbahn fährt auf eine Gruppe von fünf Personen zu. Man könnte eine Weiche umstellen, sodass die Straßenbahn umgeleitet wird. Auf dem anderen Gleis würde sie nur eine Person überfahren. Darf (oder soll man sogar) ihren Tod in Kauf nehmen, um die anderen fünf zu retten? Bei autonomen Fahrzeugen stellt sich die Frage tatsächlich (oder würde sich stellen, wenn wir nicht seit der Cruise-Pleite wüssten, dass ein herkömmliches Auto einen Chauffeur braucht, ein sogenanntes autonomes aber deren zwei, nur, dass die im Fernsteuerungscenter sitzen).
In der Werbung ist es nicht ganz so dramatisch, weshalb es umso sonderbarer anmutet, dass Werbern so gern Gewissenlosigkeit unterstellt wird. Wenn wir gewissenlos wären, wären wir in einer Branche, in der wir Schlimmeres anstellen könnten, Herrschaften!
In der Werbung könnte aber dieser Fall eintreten: Ein Geflügelhändler kommt auf die Idee, auch mit Entchen Geld zu verdienen, die nicht, wie heute gesagt wird, normschön sind. Er will aber nicht das unschöne Geflügel fotografieren. Denn damit würde er ja die armen Küken stigmatisieren. Obwohl die hässlichen Entlein sogar dafür bezahlt würde.
Stattdessen beauftragt er seine Werbeagentur, per KI Bilder von schielenden Stockenten, zerzausten Kolbenenten, unansehnlichen Mandarinenten zu erstellen. Dies ausschließlich, um den psychischen Schaden zu vermeiden, den die reizlosen Entenmodels bei einem Fotoshooting unweigerlich erleiden würden, für das sie nur kraft ihrer Reizlosigkeit gecastet würden, und nicht etwa, weil die KI keine Modelgage verlangt.
So weit, so gut. Als die zuständige Designfachkraft die KI promptet, muss sie aber (nicht zum ersten Mal) feststellen, dass auch die KI nur eine auf Äußerlichkeiten fixierte Drecksau ist. Promptet die Fachkraft Bilder für Enten, so liefert die KI verlässlich platonische Idealvögel, offensichtlich ferne Verwandte jenes Schwans, in dessen Gestalt einst Zeus die Leda rumgekriegt hat. Um realistische Bilder von echten Alltagsviechernzu bekommen, muss man schlimme Wörter verwenden, nach „hässlichen“, „ekligen“, „abstoßenden“ Enten verlangen. Das tut der Designfachkraft, die ja weiß, dass jede Ente auf die eine oder andere Art schön und wertvoll ist, in der Seele weh.
Was also tun?
Ist es besser, dass die Designfachkraft darunter leidet, fiese Prompts zu schreiben? Zu bedenken ist auch, dass die Vorurteile der KI-Drecksau durch solche Prompts wohl noch stärker werden.
Oder ist es besser, wenn die garstigen Entlein vor die Kamera treten, dafür aber immerhin eine Gage kassieren?
Und wie stellt man sich zu der Tatsache, dass Generationen von Designfachkräften mirnixdirnix Bilder von mittelhübschem Geflügel künstlich verschönert haben, um Generationen von mittelhübschen Flattertieren zu suggerieren, dass sie sich ebenfalls hübscher machen müssten? Die KI hab ich übrigens schon gefragt. Die schnatterte, wie üblich, viel, aber nichts Hilfreiches.
Schönes Wochenende!