Freitag, 6. Dezember 2024

Newsflash


Dass wir immer mehr von allem brauchen, o konsumbewusste Lesehäschen, ist ja kein Geheimnis. Mehr Wohnraum, mehr Fleisch, mehr Airbags und mehr Verständnis von unserer Umgebung dafür, dass wir all dessen bedürfen.

Wovon wir aber ganz besonders viel verschleißen, ist Vergangenheit. Euer ergebener Graukopf weigert sich zu glauben, es sei nur seinem Alter geschuldet, dass er es kurios findet, wenn Dinge nach zehn Jahren schon zum ersten Revival anstehen. Früher war nicht alles besser, aber die Reifezeit bis zur Nostalgie war länger. Ein Hauch der eigenen Verwesung weht einen an, wenn man feststellen muss, dass ein Trend wieder da ist, während dessen erster Inkarnation man schon Vater war.

Journalistische Bequemlichkeit verstärkt diesen Effekt noch. Denn wenn man früher nicht wusste, was schreiben, dann verbreitete man sich über die interessanten Interessen der „jungen Leute“ oder suchte etwas länger nicht Benutztes aus der Lade mit den Fotos von Nessie.

Heute schaut man sich stattdessen ein paar Folgen einer Serie von vor zehn, fünfzehn Jahren an und erklärt dann dem interessierten Publikum, dass die „echt schlecht gealtert“ sei. Das liegt dem Journalisten zufolge niemals daran, dass das Erzähltempo quälend zäh ist oder dass die Tricks lächerlich sind, sondern immer daran, dass die Serie nicht die heutigen Standards von politischer Korrektheit erfüllt, die der Journalist für angemessen hält.

Deshalb an dieser Stelle ein Geständnis und eine Erklärung: Euer Ergebener erzählt manchmal im vertrauten Kreis Witze, die er in größerer Runde nicht zum Besten geben würde. Weil er unter bestimmten Umständen sicher sein kann, dass die Zuhörer ihn gut genug kennen, um zwischen einer Unkorrektheit des Witzes und der prinzipiellen Korrektheit des Erzählers zu unterscheiden. Denn der Zweckdichter traut seinen Freunden diese Klugheit der Trennschärfe zu. Wer sich hingegen beschwert, dass „How I Met Your Mother“ nicht so geschrieben ist, wie ein zur Selbstzensur neigender Autor heute eine Comedyserie schreiben würde, kann sich auch darüber aufregen, dass Clawdia Chauchat im Zauberberg eine doch sehr passive Rolle im Vergleich zu den herummännernden Philosophen kriegt oder dass Penelope nur daheim an ihrem Teppich frickelt, während Odysseus all die coolen Abenteuer erlebt. Denn, liebe Glossanten: Heute ist nicht gestern. Gestern war manches anders. Wissen wir, sind keine News. Schönes Wochenende!

 

 

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