Freitag, 14. Februar 2025

Persönlich

Es gab, o erinnerungsstarke Lesehäschen, lange nichts Schöneres und Wertvolleres als die Menschlichkeit. Es galt, Mensch unter Mensch zu bleiben, und wer daran so richtig krachend scheiterte, der hatte ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Seht, ein Mensch! sprach Pontius Pilatus, wenn auch etwas spät.

Inzwischen ist, man muss das leider so sagen, die Menschlichkeit aber passé, von gestern und vermutlich cringe. Denn mit gar nicht wenigen formschönen und praktischen Anglizismen hat auch, wie die Spinne in der Bananenkiste, ein vollkommen unnötiger, umständlicher und lästiger den Weg zu uns gefunden hat. Der der englische Mensch sieht dem man zum Verwechseln ähnlich, weshalb man dortzulande nunmehr von persons spricht. Seltsamerweise hat sich auch bei uns die Ansicht verbreitet, dass das super sei, weshalb wir nun nicht mehr unter Menschen sind, sondern unter Personen. Das ist für die Person erfreulich, denn früher war eine Person entweder jemand unter Polizeiverdacht oder jemand, mit dem man aus anderen Gründen lieber nichts zu tun haben wollte. Kürzlich wurde euer Ergebener Zeuge, wie eine Frau eine Kollegin eine „tolle Person“ nannte. Letztere freute sich wahrscheinlich umsomehr, weil wir 2025 schreiben und nicht 1850, als nämlich tolle Personen mit Anbinden und Eisbädern behandelt wurden, fortschrittlichenfalls auch mit Stromstößen – nutzt’s nix, schadt’s nix. 

Weniger erfreulich ist es für die Menschlichkeit, die ja nun niemanden mehr hat, der als ihr leuchtendes Beispiel dienen kann. Und alles nur, weil niemand beim Anglizismenimport innegehalten hat, um sich zu fragen, ob das Deutsche nicht eh schon ein einwandfreies Wort für jemanden hat, dessen Geschlecht keine Rolle spielt. Endlich kommt einmal eine andere Sprache mit einem generischen Maskulinum (nämlich man) daher, sodass sich die andern hintangesetzt fühlen müssen, und anstatt versonnen unsere Fingernägel zu betrachten und dabei unauffällig mit „Mensch“ zu wedeln, treten wir uns die „Person“ ein, die halt mehr nach Volkszählung klingt als nach gesteigertem Respekt. Wir lehnen uns nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir vermuten, dass die Kreuzigung auch stattgefunden hätte, wenn Pilatus Seht, eine Person gerufen hätte.

Es bleibt, und hier seid ihr zu Feldversuchen aufgerufen!, eine Frage zu klären: Wenn man Personen als Menschen anspricht, nehmen die das dann persönlich? Oder bringen sie Verständnis für die menschliche Schwäche auf, dass einem der Mensch näher ist als die Person? Man kann nur hoffen, dass auch künftig ein feiner Unterschied bleibe zwischen solchen, die menschlich bleiben und solchen, die persönlich werden. Schönes Wochenende!


 

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