Freitag, 5. Januar 2018

Matt Damon und die Frauen

O Lesehäschen, das mit dem neuen Glück im neuen Jahr wird vorerst nix. An MeToo führt auch 2018 kein Weg vorbei, zumindest nicht für euren leichtsinnigen Schreiberling. Ich lehne mich, das ist mein Neujahrsvorsatz, in Sachen sexueller Belästigung so lange immer weiter aus dem Fenster, bis es entweder besser wird oder eine die Geschichte satt hat und mir von hinten einen Stups versetzt. Möglicherweise überlebe ich und kann dann berichten, wie es war, was bei sexuellem Missbrauch, den Männer an Frauen verüben, nicht möglich wäre.
Wie? Nein, echt nicht. Matt Damon kann ein Lied davon singen. Denn Matt Damon ist zwar ein bilderbuch-, homestory- und miniserienreifer Sympathieträger. Aber er hat in einer Talkshow gesagt: Es sei zwar sowohl verwerflich, jemandem ungefragt auf den Hintern zu patschen wie jemanden zu vergewaltigen oder ein Kind zu missbrauchen. Man solle diese drei Tatbestände aber nicht in einen Topf werfen.
Na, mehr hat er nicht gebraucht. Die Schauspielerin Alyssa Milano war fassungslos, wie er so etwas behaupten konnte. Denn jeder Missbrauch sei gleichwertig, weil er nämlich stets Schmerz verursache und eng mit dem Patriarchat und als normalem empfundenem Frauenhass verwoben sei.
Die Schauspielerin Minnie Driver erklärt, dass Männer Frauen nichts über deren Missbrauchserfahrungen zu erzählen haben, weil diese so individuell und persönlich sind, dass es einfach empörend ist, wenn ein mächtiger Mann dazu etwas sagen will.
Die österreichische Journalistin Eva Reisinger wollte Hollywood nicht den Doofheits-Lead überlassen und hat festgehalten, dass Männer niemals wissen werden, was es heißt, eine Frau zu sein oder gar, als Frau sexuell belästigt zu werden.
Ja, eh nicht. Ich weiß aber auch nicht aus eigener Anschauung, was es heißt, ein Orang-Utan, ein Tiefseefisch oder ein Kunde einer Werbeagentur zu sein. Trotzdem behalte ich mir das Recht vor, Ansichten darüber zu hegen, ob man Palmöl essen und die Meere überfischen soll und ob ein Feedback klug ist oder nicht.
Man darf nämlich erstens über Dinge nachdenken, die man nicht erlebt hat. Und es besteht zweitens ein Unterschied zwischen der subjektiven Einzigartigkeit einer Erfahrung einerseits und der Frage der Gültigkeit ethischer Leitlinien andererseits. Wenn ich jemandem mit dem Auto hinten reinfahre, ist das stets peinlich und eng mit dem Straßenverkehr und als normal empfundener Ausbeutung endlicher Ressourcen verwoben. Trotzdem ist Radfahrern klar, dass es nicht dasselbe ist, ob ihnen ein Autofahrer das Schutzblech gegen den Reifen drückt oder ob sie die Ölwanne plötzlich von unten sehen. Auch empfindest du wahrscheinlich verschieden, je nachdem, ob dein Chef zu spät zur Besprechung kommt oder ob er dich sein Auto waschen lässt, während er deiner Freundin auf den Hintern greift.
Man kann natürlich diesen Unterschied ebenso bestreiten wie jenen zwischen Grapschen und Jemandem-etwas-in-die-Vagina-oder-sonstwohin-Schieben. Man hat sich aber dann halt von der Ethik verabschiedet. Ethik ist, das hat nicht erst Kant entdeckt, eine zwischenmenschliche Angelegenheit. Wenn wir uns nicht auf moralische Grundsätze einigen müssen, sondern auf Chromosomenbasis schon feststeht, wer bei diesen Grundsätzen mitreden darf, dann brauchen wir gleich keine. Beziehungsweise: Wer will dann den Y-chromosomierten Dreckskerlen beweisen, dass deren Grundsätze schlechter seien?  
Als Mann, der im Unterschied zu Matt Damon ziemlich wenig Macht besitzt und – vermutlich gleich Matt Damon – noch nie wen vergewaltigt hat, sage ich ganz hodenkartellgeschwängert: Wer Herrn Damons Recht bestreitet, Grapschen und Vergewaltigung unterschiedlich schlimm zu finden, ohne Ersteres zu entschuldigen, die verzichtet auch darauf, beides unter ethischen Gesichtspunkten zu verurteilen.

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