O Lesehäschen, das mit dem neuen
Glück im neuen Jahr wird vorerst nix. An MeToo führt
auch 2018 kein Weg vorbei, zumindest nicht für euren leichtsinnigen
Schreiberling. Ich lehne mich, das ist mein Neujahrsvorsatz, in Sachen
sexueller Belästigung so lange immer weiter aus dem Fenster, bis es entweder
besser wird oder eine die Geschichte satt hat und mir von hinten einen Stups
versetzt. Möglicherweise überlebe ich und kann dann berichten, wie es war, was
bei sexuellem Missbrauch, den Männer an Frauen verüben, nicht möglich wäre.
Wie? Nein, echt nicht. Matt Damon kann ein Lied davon singen. Denn
Matt Damon ist zwar ein bilderbuch-, homestory- und miniserienreifer Sympathieträger.
Aber er hat in einer Talkshow gesagt: Es sei zwar sowohl verwerflich, jemandem
ungefragt auf den Hintern zu patschen wie jemanden zu vergewaltigen oder ein
Kind zu missbrauchen. Man solle diese drei Tatbestände aber nicht in einen Topf
werfen.
Na, mehr hat er nicht gebraucht. Die Schauspielerin Alyssa Milano war fassungslos, wie er
so etwas behaupten konnte. Denn jeder Missbrauch sei gleichwertig, weil er
nämlich stets Schmerz verursache und eng mit dem Patriarchat und als normalem
empfundenem Frauenhass verwoben sei.
Die Schauspielerin Minnie Driver erklärt, dass Männer
Frauen nichts über deren Missbrauchserfahrungen zu erzählen haben, weil diese
so individuell und persönlich sind, dass es einfach empörend ist, wenn ein
mächtiger Mann dazu etwas sagen will.
Die österreichische Journalistin Eva Reisinger wollte Hollywood nicht
den Doofheits-Lead überlassen und hat festgehalten, dass Männer niemals wissen
werden, was es heißt, eine Frau zu sein oder gar, als Frau sexuell belästigt zu
werden.
Ja, eh nicht. Ich weiß aber auch nicht aus eigener Anschauung, was
es heißt, ein Orang-Utan, ein Tiefseefisch oder ein Kunde einer Werbeagentur zu
sein. Trotzdem behalte ich mir das Recht vor, Ansichten darüber zu hegen, ob man Palmöl essen und die Meere
überfischen soll und ob ein Feedback klug ist oder nicht.
Man darf nämlich erstens über
Dinge nachdenken, die man nicht erlebt hat. Und es besteht zweitens ein
Unterschied zwischen der subjektiven Einzigartigkeit einer Erfahrung einerseits
und der Frage der Gültigkeit ethischer Leitlinien andererseits. Wenn ich
jemandem mit dem Auto hinten reinfahre, ist das stets peinlich und eng mit dem
Straßenverkehr und als normal empfundener Ausbeutung endlicher Ressourcen
verwoben. Trotzdem ist Radfahrern klar, dass es nicht dasselbe ist, ob ihnen
ein Autofahrer das Schutzblech gegen den Reifen drückt oder ob sie die Ölwanne plötzlich
von unten sehen. Auch empfindest du wahrscheinlich verschieden, je nachdem, ob
dein Chef zu spät zur Besprechung kommt oder ob er dich sein Auto waschen lässt,
während er deiner Freundin auf den Hintern greift.
Man kann natürlich diesen
Unterschied ebenso bestreiten wie jenen zwischen Grapschen und Jemandem-etwas-in-die-Vagina-oder-sonstwohin-Schieben.
Man hat sich aber dann halt von der Ethik
verabschiedet. Ethik ist, das hat nicht erst Kant entdeckt, eine
zwischenmenschliche Angelegenheit. Wenn wir uns nicht auf moralische Grundsätze
einigen müssen, sondern auf Chromosomenbasis schon feststeht, wer bei diesen
Grundsätzen mitreden darf, dann brauchen wir gleich keine. Beziehungsweise: Wer
will dann den Y-chromosomierten Dreckskerlen beweisen, dass deren Grundsätze
schlechter seien?
Als
Mann, der im Unterschied zu Matt Damon ziemlich wenig Macht besitzt und –
vermutlich gleich Matt Damon – noch nie wen vergewaltigt hat, sage ich ganz hodenkartellgeschwängert: Wer Herrn
Damons Recht bestreitet, Grapschen und Vergewaltigung unterschiedlich schlimm
zu finden, ohne Ersteres zu entschuldigen, die verzichtet auch darauf, beides
unter ethischen Gesichtspunkten zu verurteilen.
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