Freitag, 20. November 2020

Erhebet die Stimmen

 

Brüder- und Schwesterhäschen im Geiste, damit sind wir auch schon beim Thema. Denn hin und wieder flackert die Diskussion auf, ob Gotteshäuser im Lockdown offen bleiben sollen oder nicht – die katholische Kirche hat die Frage damit erledigt, dass es einstweilen keine öffentlichen Gottesdienste geben wird. Damit haben die Herrschaften vollkommen recht, weil der Gottesdienst unnötig geworden ist.

Denn es gibt Dinge, die keiner Worte bedürfen. Wenn zwei drauf und dran sind, einander die eine oder andere aufzulegen (zu Andreas Khol vielleicht ein andermal mehr), dann siehst du ihnen das auch auf hundert Meter an, ohne dass du hörst, wie der eine dem anderen ankündigt, dass es jetzt gleich Granada spielen wird.

Ähnlich funktioniert das beim Gemurmel von ferne. Du kriegst auch durch die Wand mit, ob deine Nachbarn sich gerade abhauen oder kurz davon sind, einander in die Goschn zu hauen. Bisher klappte das auch in der Öffentlichkeit. Ob ein Politiker eine Rede hielt oder der Pfarrer eine Predigt, das war schon klar, bevor du noch ein einziges Wort verstanden hattest. Am Brevier geschulter Singsang, dazwischen aus der Kopfstimme geknödelt, alles Mögliche ohne Ansehung des Bedeutungsinhalts schnell heruntergeleiert bis zu den letzten ein, zwei Wörtern eines Satzes, die dafür umso getragener ausgesungen wurden – das konnte nur Liturgie sein. In der Predigt war es ein bisschen anders, aber nur ein bisschen, da bemühte sich der Pfarrer je nach rhetorischem Geschick um gesteigertes Verständnis, gerne gewürzt mit einem Predigtmärlein.

Heute klingt das alles ganz genau so, nämlich bei den unregelmäßigen, aber umso schmerzlicher herbeigesehnten Pressekonferenzen des Bundeserlösers.

Man vergegenwärtige sich den o so oft vernommenen Duktus eines Priesters, der genau weiß, dass alle schon alles mitsingen können und es daher nicht darum geht, was er sagt, sondern dass er es genau so sagt, dass die richtige Mischung aus Weihefülle, Bedeutungsschwere und Vertrautheit rüberkommt.

Und dann pfeife man sich die Pressekonferenz unserer vielgeliebten Regierung vom letzten Samstag (es war der 14. November) und dem Kanzler abwärts nochmal rein, denn es gibt was zu gewinnen:

Für jedes Kabinettsmitglied, das NICHT hundertprozentig ganz genau so dahersermonisiert wie der Pfarrer, wenn er schon lange Zähne nach dem Messwein hat, spendiere ich dem Findehäschen ein gut gekühltes Bierchen in der Glasflasche, abzuholen mit Abstand oder gemeinsam zu konsumieren, wenn das wieder möglich ist. Jeder, wirklich jeder Einzelne aus dieser ganzen traurigen Riege von Als-hätten-wir-es-nicht-längst-wissen-Könnern intoniert sein Sprüchlein, als wäre es das Agnus dei. Weil jedem von ihnen klar ist, dass es zu wenig und zu spät ist und weil sie, gut österreichisch sozialisiert, ganz automatisch darauf hoffen, dass, wie die Hostie sich in Fleisch und der Wein in Blut verwandle, aus papierenen Maßnahmen ein rettendes Konzept werde. Man muss nur den richtigen Ton treffen und ganz fest daran glauben.

So, und alle, die es noch können, beten jetzt ein Vaterunser darum, dass wir ganz bald eine Regierung kriegen, der man gleich anhört, ob sie uns eine diesseitige Lösung oder jenseitige Glückseligkeit verheißt, weil man die politische Rede wieder vom katholischen Ritus unterscheiden kann. Wenn es soweit ist, zünde ich im Stephansdom ein Kerzerl an.

Schönes Wochenende!

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