Freitag, 5. September 2014

Sex und -ismus


Wie letzte Woche versprochen, widmen wir uns heute der Prostitution. "Haha, das tun wir doch immer", tönt es mir aus den Reihen der Lesehäschen entgegen.

Jein. Heute reden wir von der anderen Sorte Prostitution, die, die man nicht komplett angezogen machen kann. Nämlich habe ich gelernt, dass es in Wien Pornobusse gibt.

Für Nichteingeweihte: Hinterm Rathaus steht ein Puff. Dessen Betreiber trifft geeignete Werbemaßnahmen. Er lässt Kastenwägen mit Werbesujets folieren und die Fahrzeuge an strategisch geeigneten Orten parken. Die resultierenden Parkstrafen kommen vermutlich aus seinem Mediabudget, doch das kann uns blunzn sein. Viel interessanter sind die Reaktionen darauf. Die  Busse zeigen nämlich verhältnismäßig züchtig ausstaffierte junge Frauen mit der Verheißung "only for gentlemen".

Die Frauenstadträtin (SPÖ) hat dazu erklärt, die Bilder seien "eindeutig sexistisch". Auf jeden Fall, möchte ich antworten, nämlich insofern, als sie für Sex werben. Darüber hinaus bin ich mit mir im Unreinen.

Ganz im Ernst: Ich kenne die Bedingungen nicht, unter denen die betroffenen Sexarbeiterinnen die beworbenen Leistungen erbringen. Ich frage mich aber ernstlich, wie eine nicht sexistische Puffwerbung denn aussähe? Selbst Typokampagnen stoßen da wahrscheinlich schnell an Grenzen.

Gut, dass es den Werberat gibt. Der hat Merkmale zusammengestellt, an denen man sexistische Werbung erkennen kann. Nämlich:

-        wenn eine "Person in rein sexualisierter Funktion als Blickfang dargestellt wird, insbesondere dürfen keine bildlichen Darstellungen von nackten weiblichen oder männlichen Körpern ohne direkten inhaltlichen Zusammenhang zum beworbenen Produkt verwendet werden."

-        Wenn "eine entwürdigende Darstellung von Sexualität vorliegt oder die Person auf ihre Sexualität reduziert wird".

Das hilft uns nicht weiter, denn die Frauen sind erstens nicht nackt, und zweitens: selbst wenn sie es wären, wäre der direkte Zusammenhang zum beworbenen Produkt jedenfalls gegeben. Entwürdigend scheinen mir die Bilder auch nicht. Ob die Frauen auf ihre Sexualität reduziert werden, vermag ich nicht zu beurteilen.

Doch halt, da gibt es noch eine Spezialregel zur Werbung für sexuelle Dienstleistungen: Diese "darf, soweit sie rechtlich zulässig ist, die Würde von Menschen, insbesondere von SexdienstleisterInnen, KonsumentInnen oder PassantInnen, nicht verletzen. Körper und insbesondere weibliche oder männliche Sexualität dürfen nicht unangemessen dargestellt werden."

Mir scheint, hier lässt man eine Hintertür für jene offen, die sich unbedingt aufregen wollen. Über "verletzte Würde" hat auch ein Liezener Hauptschullehrer geklagt, als wir einst für weiland Cosmos mit dem Paaaastor warben.

Doch die Spezialregel zeigt immerhin, dass auch im Werberat die Problematik erkannt wurde: Werbung für Sex kann, muss aber nicht dasselbe sein wie sexistische Werbung. Diese Wahrheit ist gewiss zumutbar, wie Michi Spindelegger sagen würde.

Hingegen ist sie keine "Tochter der Zeit", sorry, Herr Khol. Zeitlich bedingt ist wohl eher, dass Stadträtinnen die Tatsache eines Puffs zur Kenntnis nehmen (vernünftigerweise, denn dass der Kampf gegen Prostitution einer gegen Windmühlen wäre, lehren die letzten ix tausend Jahre). Trotzdem lassen sie es sich nicht nehmen, die Werbung dafür reflexartig zu bekritteln.

Denn ehrlich und wahrhaftig, liebe Freunde: Die Sexwerbung auf den Pornobussen bekräftigt den Sachverhalt, dass Sexarbeiterinnen Sex verkaufen. Man kann über alles verschiedener Meinung sein, aber dieser Sachverhalt ist gewiss weit weniger kontrovers als die Fragen, wer für Essenkochen, Kindererziehung, Emotional-intelligent-Sein usw. zuständig ist. Die Antworten darauf werden in jedem Werbeblock um vieles sexistischer festgeschrieben als alles, was auf dem Pornobus zu sehen ist.

Im Übrigen verlange ich, dass nur Jobs mit vollständig ausgefülltem Reinzeichnungskleber die Agentur in Richtung Fulfillment verlassen. Venceremos!

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