Freitag, 27. Februar 2015

Klein und fein


Groß- und Kleinschreibung hatten wir an dieser Stelle schon das eine oder andere Mal. Doch mit ihr ist es wie mit Rio Bravo, Polsterfolie knacken oder Zwergerlwerfen: Es wird einfach nie langweilig! Kein Wunder, dass kürzlich an euren Kolumnator eine Frage zum Thema Substantivierung herangetragen wurde.

Im Großen und Ganzen (und Kleinen und Ganzen) ist die Sache ja klar: Wird ein Adjektiv substantivisch verwendet, so schreibt man es groß. Auf der grauen Couch ist kein Platz, gehen wir ins Große. Die Hellen schmecken am besten. Daran hat die Rechtschreibreform übrigens nichts geändert, das war schon immer so. Trotzdem begegnen uns immer wieder Fälle, in denen die Regel nicht zu greifen scheint, so wie hier:

Das kleine Konfi ist besetzt, gehen wir ins große.

Wenn ich einen Texter suche, nehme ich immer den schönsten.

Ich stand grübelnd vor meinen Bugattis. Dann dachte ich mir „ach was!“ und startete den gelben. 

Warum gehen wir nicht ins Große, nehmen den Schönsten oder starten den Gelben?

Weil sich hier Mathematik und Maschinenbau linguistisch begegnen.

Denn natürlich wisst ihr, liebe sprachlich geneigten Lesehäschen, eh genau, warum wir das alles klein schreiben: Weil die scheinbar substantivierten Adjektive zwar nicht direkt bei den Substantiven stehen, die sie jeweils näher bezeichnen.  Die Beziehung zwischen den beiden ist aber stark genug, um uns deutlich spüren zu lassen, dass die beiden zusammengehören. Deshalb ist das Adjektiv in diesen Fällen nur scheinbar substantiviert. In Tat und Wahrheit behält es seinen adjektivischen Charakter, sonst könnte es dem Substantiv nicht auf die Sprünge helfen. Damit dieses Adjektivische äußerlich erkennbar sei, schreibt man das Wort hier klein. Wenigstens hier hat sich die Reformkommission bereitgefunden, nicht die formal simple, sondern die semantisch elegante Schreibweise festzuschreiben. Das Kriterium der Eleganz ist ja sonst eher aus anderen Disziplinen geläufig, eben z. B. Maschinenbau oder Mathematik: Wenn es gut aussieht, wird es wahrscheinlich auch funktionieren, bzw. die elegantere Lösung ist stets auch die bessere. In der Rechtschreibung ist das nicht immer so, aber hier hält die Kommission dankenswerterweise fest: Man schreibt Adjektive, Partizipien und Pronomen (müsste heißen: Pronomina) klein, obwohl sie formal substantiviert sind, wenn sie „sich auf ein vorhergehendes oder nachstehendes Substantiv beziehen“. Das gilt übrigens auch über Satzgrenzen hinweg, wie das letzte Beispiel beweist. Der Grund dafür ist einfach: 

Lukas hatte zwei Biere. Mir gab er das Kühlere. wäre erfreulich, sähe aber kacke aus.

So einfach kann das Leben sein.

Freitag, 20. Februar 2015

Man spricht Deutsch


Die Lage, meine hochverehrten Lesehäschen, ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Wer diese Wendung gerade gegooglet hat, ist binnen Sekunden ein kleines bisschen doofer geworden. Ich wollte ja nur wissen, wo das Zitat herkommt. Schwupps, fand ich mich in einem Forum wieder, das offenbar dazu dient, Menschen sinnlos zu beschäftigen, die andernfalls den deutschsprachigen Wirtschaftsraum nachhaltig schädigen könnten, wenn sie einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgingen, anstand in Hackfressenforen Blödsinn zu posten. Was da von SNAFU bis Adenauer mit einem Umweg über Karl Kraus dahergequakt wird, entbehrt offensichtlich jeder vernünftigen Grundlage.

Wo war ich? Genau: Hoffnungslos, aber nicht ernst. Wie allseits bekannt, zählt es ja zu meinen Kernkompetenzen, halbwegs Englisch zu können. Nicht unbedingt gesprochen, da sei mein schöner Voradelberger Akzent vor, aber doch immerhin schriftlich. Halbwegs Englisch zu können ist grundsätzlich eine feine Sache, und gerne bin ich zu Diensten, wenn jemand eine einschlägige Auskunft benötigt oder eine ursprünglich kroatisch getextete Headline aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen ist.

Wenn wir aber auf Englisch geil abliefern sollen, wird es kompliziert. Weil wir ja nämlich nicht in England sind. (Wären wir in England, fingen für mich andere Probleme an, weil die Engländerinnen besser Englisch können als ich. Die haben dort, höre ich, sogar ihre eigenen Werbeagenturen, wo sie tipptopp Englisch können.)

Das Problem liegt nun nicht darin, wie gut oder schlecht ich Englisch kann. Denn wie in der bekannten und immer wieder hilfreichen Geschichte von den beiden Campern müssen wir nicht schneller laufen als der Bär. Wir müssen nur schneller laufen als der andere, in diesem Fall die Kunde. Die Kunde ist, wenn es bei uns englisch abgeht, Tschechin. Oder Kroatin, vielleicht Niederländerin. Ungarinnen wurden schon gesichtet, Russinnen detto.

Jetzt geht ein gewissenhafter Exilvorarlberger wie ich her, packt sein bestes, in vielen Nachhilfestunden und C-Movie-Besuchen sixpackmäßig auftrainiertes Englisch aus und – das geht so nicht. Denn wir sprechen ja keine Engländer an, sondern unsere hoffentlich baldigen Kunden. Die sollen zwar checken, dass wir eh Englisch können, sie sollen aber auch die Gewissheit behalten, dass sie es ebenfalls beherrschen. Wenn unser Englisch zu heftig angast, kann die Kunde nicht mit. Und  besagter Exilvorarlberger konnte früher immerhin mal die ersten drei Seiten vom Hitchhiker’s Guide auswendig. Wir wollen der Kunde ja nicht vermitteln, sie sei dümmer als wir. Deshalb müsste das Vorige in kundentauglichem Englisch lauten: „... dass sie dümmer ist als wir“. Das ist zwar inhaltlich gefährlicher, wirkt aber harmloser. English for Runaways, wie Otto Waalkes gesagt hätte.

Doch es bleibt uns eben nicht erspart. Wer in einer fremden Sprache für Leute textet, denen diese Sprache ebenfalls fremd ist, arbeitet mit angezogener Handbremse, damit die Kunde auch bestimmt nicht den Anschluss verliert. Wer hingegen in einer Fremdsprache für deren Muttersprachler texten muss, hat sowieso die Arschkarte gezogen. Deshalb ist die Lage hoffnungslos. Was dabei herauskommt, wenn wir werbliche Texte einem Übersetzungsbüro anvertrauen, wissen wir.

Ernst ist die Lage glücklicherweise nicht, denn oft funktioniert es ja. Und manchmal fragen wir (also: ich) uns ja auch, wie das mit Deutsch so ist, wenn ein Text die Reise außer Haus antritt ....

Freitag, 13. Februar 2015

Schlussmachen


Diesen Anfang habe ich ja wieder einmal eins-a hingekriegt. Man weiß, Eigenlob stinkt, aber derstunken ist bekanntlich noch keiner, und es muss einfach mal gesagt werden, liebe Lesehäschen: Was den Beginn von Texten angeht, macht mir so schnell keiner was vor. Lateiner sprechen vom incipit, wenn sie den Einstieg meinen, und das heißt nichts anderes als „es beginnt“. Schwieriger wird es häufig mit dem Ausstieg, da ähnelt manche Schilderung einer Achterbahnfahrt, wo man erst frischfröhlich über die Seitenwand in den Sitz hüpft, aber nach stattgehabter Durchschüttelung nur mühsam und schwankend wieder sicheren Boden gewinnt. Wir haben ja heute häufig Veranlassung, uns eine passende, gediegene oder zumindest unauffällige Abschlussfloskel abzuringen, nämlich am Ende jeder E-Mail, wenn man ein ordentlicher Mensch ist. Jedesmal an diesem Punkt stellt sich eine Frage, auf die es mir keine richtige Antwort zu geben scheint.

Wollen wir uns hier einfach mit Würde und ohne viel Aufhebens vom Acker machen? (Nennen wir das mal „One-night-stand“.)

Oder wollen wir auch diese Viertelzeile noch nutzen, um die Ich-Aktie mit gezieltem  einen Zehntelpunkt nach oben zu treiben? (Das heißt ab jetzt „One-man-band“.)

Sagen wir „Mit freundlichen Grüßen“ oder „Sanfte Grüße“? „Hochachtungsvoll“ oder „Es grüßt inniglich“? „Ciao“, „Tschausen“ oder „Tschüssikowski“?

Sehr schwierig das. Ich für mein Teil gehe ja gerne den feigen Mittelweg: In E-Mails bleibe ich bei unauffälligen „schönen Grüßen“. Mündlich aber, wo sich geschmackliche Fehltritte leichter dementieren lassen, geht auch „Bis speda, Peda“, oder gar „baba mit aa“.

Feig, ich weiß. Aber so ist das nun mal.

Und jetzt, meine Lieben, ist Schicht im Schacht.