Groß- und Kleinschreibung hatten wir an dieser Stelle schon das eine
oder andere Mal. Doch mit ihr ist es wie mit Rio Bravo, Polsterfolie knacken oder Zwergerlwerfen: Es wird
einfach nie langweilig! Kein Wunder, dass kürzlich an euren Kolumnator eine
Frage zum Thema Substantivierung herangetragen wurde.
Im Großen und Ganzen (und Kleinen und Ganzen) ist die Sache ja klar:
Wird ein Adjektiv substantivisch verwendet, so schreibt man es groß. Auf der
grauen Couch ist kein Platz, gehen wir ins Große. Die Hellen schmecken am
besten. Daran hat die Rechtschreibreform übrigens nichts geändert, das war
schon immer so. Trotzdem begegnen uns immer wieder Fälle, in denen die Regel
nicht zu greifen scheint, so wie hier:
Das kleine Konfi ist besetzt,
gehen wir ins große.
Wenn ich einen Texter suche,
nehme ich immer den schönsten.
Ich stand grübelnd vor meinen
Bugattis. Dann dachte ich mir „ach was!“ und startete den gelben.
Warum gehen wir nicht ins Große, nehmen den Schönsten oder starten den Gelben?
Warum gehen wir nicht ins Große, nehmen den Schönsten oder starten den Gelben?
Weil sich hier Mathematik und Maschinenbau linguistisch begegnen.
Denn natürlich wisst ihr, liebe sprachlich geneigten Lesehäschen, eh
genau, warum wir das alles klein schreiben: Weil die scheinbar substantivierten
Adjektive zwar nicht direkt bei den Substantiven stehen, die sie jeweils näher
bezeichnen. Die Beziehung zwischen den
beiden ist aber stark genug, um uns
deutlich spüren zu lassen, dass die beiden zusammengehören. Deshalb ist das
Adjektiv in diesen Fällen nur scheinbar substantiviert. In Tat und Wahrheit
behält es seinen adjektivischen Charakter, sonst könnte es dem Substantiv nicht
auf die Sprünge helfen. Damit dieses Adjektivische äußerlich erkennbar sei,
schreibt man das Wort hier klein. Wenigstens hier hat sich die Reformkommission
bereitgefunden, nicht die formal simple, sondern die semantisch elegante
Schreibweise festzuschreiben. Das Kriterium der Eleganz ist ja sonst eher aus anderen
Disziplinen geläufig, eben z. B. Maschinenbau oder Mathematik: Wenn es gut
aussieht, wird es wahrscheinlich auch funktionieren, bzw. die elegantere Lösung
ist stets auch die bessere. In der Rechtschreibung ist das nicht immer so, aber
hier hält die Kommission dankenswerterweise fest: Man schreibt Adjektive, Partizipien und Pronomen (müsste heißen:
Pronomina) klein, obwohl sie formal substantiviert sind, wenn sie „sich auf ein
vorhergehendes oder nachstehendes Substantiv beziehen“. Das gilt übrigens
auch über Satzgrenzen hinweg, wie das letzte Beispiel beweist. Der Grund dafür
ist einfach:
Lukas hatte zwei Biere. Mir gab er das Kühlere. wäre erfreulich, sähe aber kacke aus.
Lukas hatte zwei Biere. Mir gab er das Kühlere. wäre erfreulich, sähe aber kacke aus.
So einfach kann das Leben sein.