Freitag, 20. März 2015

Umgangssprachlich


Hoch zu verehrende Lesehäschen, es ist mir zu meinen Langohren gekommen, dass es in der Welt Uneinigkeit gibt. Die einen finden die Beatles besser, die andern Justin Bieber. Die einen wollen Frauen nicht autofahren lassen, die andern gehen nur mit Radfahrern aus. Die einen essen Gulasch, die andern würden gern. Die einen wissen, was „umgangssprachlich“ bedeutet, die andern nicht.

Deshalb hier, als kleine Hilfestellung, ein Leitfaden zur Identifikation von „Umgangssprache“.

1. Würde deine Mudda das so sagen?

Kommt natürlich sehr auf deine Mudda an. Wenn deine Mudda sich so schreibt, spricht sie wahrscheinlich fließend Umgangs. Wenn hingegen deiner hochverehrten Frau Mutter, die alle vier Wochen den Lesekreis bei sich willkommen heißt, „Zum Wohlsein“ sagt, wenn jemand niest, und sonntags im Pfarrcafé Kuchen reicht, zufällig und aus purer Verzweiflung ein „zu dumm aber auch“ auskommt, weil ihr die Spitzenklöppelarbeit in den Lindenblütentee gefallen ist – dann hat das mit Umgangssprache nichts zu tun. Weil ja alle unsere Mütter klöppeln, ergibt sich die Faustregel: Wenn deine Mutter es sagen würde, ist es wahrscheinlich nicht Umgangssprache.

2. Hast du es in Heute gelesen?

Falls ja, dann ist es nicht umgangssprachlich. Heute erscheint in einem Idiom, das von hochbezahlten Experten eigens dafür geschaffen wurde, nicht der Kommunikation zu dienen, weil es nämlich zwar Heute-Leser gibt. Dieses Grüppchen ist jedoch statistisch so unerheblich, dass es sich nicht lohnt, dafür eine Zeitung (schon gar eine kostenlose) herauszugeben. Viel wichtiger sind die Bilder-in-Heute-Anschauer. Damit die das Gefühl haben, eine Zeitung zu sich genommen zu haben, gibt es rund um die Bilder Grauwert auf Heutisch, der nach dem Zufallsprinzip abgesetzt wird, aber nichts besagt und daher auch nichts mit Umgangssprache zu tun hat.

3. Reden die Herrschaften in der Zentrale (Design und Produktion) oder in Sektion D/Digitalien normalerweise so?

Dann ist es auch nicht umgangssprachlich, sondern noch viel schlimmer. Gewöhne dir das bloß nicht an, und wasch dir gleich die Ohren mit Seife aus! Am besten auch den Mund, wo du schon du dabei bist. Und ein Glas Wasser könntest du mir auch mitbringen.

4. Hast du es in einem Foldertext von mir gelesen?

Dann war es höchstwahrscheinlich nicht umgangssprachlich. Ich bemühe mich da, echt Leute! Es sei denn, es handelte sich um einen Folder, in dem es konzeptionell Sinn ergäbe, dezidiert umgangssprachlich zu formulieren, Oida.

5. Geht es um den Satz „Der ganze folgende Prozess findet beim Musterunternehmen statt.“?

Nein, der ist nicht umgangssprachlich. Wenn du das Gefühl hast, er sei es, dann liegt es ganz allein an dir. 

Ich hoffe, damit gedient zu haben.

Schönes Wochenende!

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