Freitag, 22. Mai 2015

Okkasion für Beuteaustriaken


Meine hochverehrten Lesehäschen, bald tut sich eine seltene Gelegenheit auf, deren Nutzung allerdings wohl überlegt sein will: Eine Staatsbürgerschaft wird frei. Eine österreichische Staatsbürgerschaft, damit es da keine Missverständnisse gibt. Ich nämlich plane die meinige zurückzugeben. Zu dieser Entscheidung hat mich die Lektüre des Standard vom vergangenen Samstag geführt, genauer gesagt, eines Artikels, in dem ausführlich und mit der gebührenden Breite die Querelen rund um das steirische Tanzschulgesetz dargelegt wurden. Da kommen jetzt natürlich gleich einige Fragen, v. a.:

Es gibt ein steirisches Tanzschulgesetz? Ja eh. Das ist jetzt nichts, weshalb man einen Brief an die Mama anfangen würde.

Es gibt Querelen rund um dieses? Ja, allerdings. Noch schlimmer: Um diese Querelen wird sich behördlicherseits gekümmert.

Aber der Reihe nach. Irgendwo im Hinterkopf habe ich ja schon vor Jahrzehnten abgespeichert, dass in der Steiermark Tanzen irgendwie bedeutsam ist, seit ich im Hödlmoser gelesen hatte, dass Steirer ihre nichtsteirischen Tanzpartnerinnen zu fragen pflegen, ob sie „steirisch oder normal?“ zu tanzen wünschen. Dass dem legistisch-föderalistisch Rechnung getragen wird, war mir hingegen neu und ist der Grund dafür, dass ich meinen Pass bald auf dem Ballhausplatz verbrennen werde.

Nämlich haben Rot-Schwarz-Blau (ja, da war man sich einig!) in der Steiermark letztes Jahr ein Tanzschulgesetz – nun ja: begangen, das sich in nicht weniger als 28 Paragraphen der „Wahrung und Pflege der steirischen Ballkultur“ unterwindet bzw. so tut als ob, während in Wahrheit die steirische Tanzschullobby sich ins Fäustchen lacht. Festgeschrieben ist z. B., dass eine Maturaklasse ihre Polonaise für den Abschlussball nicht mit einer slowenischen Tanzschule oder einem freien Choreografen einstudieren darf, weil jene nicht über ein entsprechendes Tanzzertifikat des Landes Steiermark verfügen.

Damit nicht genug. Als totes Recht wäre dieses Gesetz schon schlimm genug, doch es wird auch exekutiert. Es wurden tatsächlich schon Strafen ausgesprochen, weil in der Steiermark irgendwer irgendwem Tanzschritte gezeigt hat, ohne den entsprechenden lobbyistisch sanktionierten Zettel in der Lade zu haben. Sogar gewesene Dancing Stars mussten da schon ein Scherflein in die steirische Landesschatulle abführen, weil sie zwar gut genug tanzen können, um Österreichs Schwiegermütter glänzend zu unterhalten, aber nicht gut genug für einen steirischen Landestanzreferenten oder weißichwen, dem ein Zertifikat abgeht.

Angesichts all dieser Sachverhalte darf ich nun meine persönliche Staatsbürgercharta formulieren, und keine Angst, sie besteht aus lediglich zwei Paragrafen: 

§ 1: Einem jeden gewählten Vertreter des Volkes, der sich nicht entblödet, während seiner aus Steuern abgegoltenen Arbeitszeit auch nur einen Gedanken an die Rechtmäßigkeit von Tanzunterricht mit oder ohne Landestanzzertifikat zu verschwenden, gehört, um es mit der gebotenen Volksnähe zu formulieren, ein Schuh in den Arsch. 

§ 2: Einem jeden Beamten oder sonstwie vom Staat, einem Bundesland oder einer Gemeinde Beschäftigten und damit auch aus öffentlichen Geldern Bezahlten, der die Frechheit besitzt, auch nur eine Sekunde seiner Dienstzeit für die Exekution einer Tanzschulzertifizierungsgesetzgebung zu vergeuden, gehört ein Schuh in den Arsch.

Fertig.

Ich habe den Karlheinzi geschluckt, ich habe den Jörgi und den Wolfi geschluckt, ich hätte vielleicht sogar irgendwann die Hypo und den Mensdorff geschluckt.

Nun aber ist es genug. Ich kündige die Zurücklegung meiner Staatsbürgerschaft an und erteile mir hiermit ein Vorschlagsrecht für einen Nachfolger.

Die angebotene Staatsbürgerschaft ist in altersentsprechend gutem Zustand. Ein paar Speibflecken sind freilich erkennbar, wurden aber in einem zertifizierten Fachbetrieb weitgehend entfernt und stinken nicht. Selbstverständlich ist sämtliches Originalzubehör vorhanden. Das passive Wahlrecht befindet sich sogar noch in der versiegelten Originalhülle. Bewerbungen bitte per E-Mail, first come, first serve.

Freitag, 8. Mai 2015

Warum ich es gerne tröpfeln lasse


Kürzlich hatte ich das seltene Vergnügen, eine Runde mit meinem geschätzten Herrn Bruder zu plaudern.  Selten, weil Höchstderselbe in Voradelberg seinen teils fragwürdigen Lebenswandel ausbreitet (Banking, Mountainbiking, Schnee-Bretting und so). Dabei hat er beiläufig fallenlassen, dass an der Stätte seines beruflichen Wirkens keiner außer ihm Filterkaffee trinkt.

Daraus entnehme ich erstens, dass mein kleiner Bruder ein irre wichtiger Mann sein muss. Immerhin halten sie bloß für ihn eine eigene Kaffeemaschine in Schwung!

Zweitens sagt es mir, dass man auch im Bankgeschäft menschlich bleiben kann. Naja, Kunststück, bei 0,01 % Zinsen.

Drittens bestätigt es, dass Blut geringfügig dicker ist als selbst starker Filterkaffee (dazu gleich mehr). Denn auch ich, meine geschätzten espressogeganselten Lesehäschen, schlürfe gern das, was unsere Freunden in den großen alten US of A ebenso freundlich wie ein bisschen zu kumpelhaft „hot joe“ nennen. Abgesehen davon, dass es in der hiesigen Küche mittlerweile gar keine einschlägige Maschine mehr gibt, trinke ich ja meinen Kaffee praktisch ausschließlich zuhause. Aber trotzdem. Kann mich einmal wer aufklären, was es mit dem Espresso auf sich hat? Ich verstehe es ja, wenn eine gern ihre Bialetti auf den Herd stellt und dann auf das heimelige Brodeln wartet. Wer gern an seiner klassischen Pavoni den Maschinisten gibt – ein Hoch auf sie! Und gegen einen ordentlichen Vollautomaten mit einem kräftigen Mahlwerk habe ich zu keiner Tageszeit was einzuwenden. Aber Kapselmaschinen? Im Ernst? Von der Alu-Problematik und dem Kilopreis will ich ja gar nicht reden. Doch wenn ich in so ein Teil ein pad oder Tab oder was immer einwerfe, muss ich immer an die Wendung denken, mit welcher der verehrungswürdige Raymond Chandler in Playback, seinem letzten Philip-Marlowe-Roman, die überkomplette Ausstattung eines protzigen Cadillac beschreibt: Dieser bietet unter anderem „a cigarette lighter into which you dropped your cigarette and it smoked it for you“. 

Ganz ehrlich, da lobe ich mir ein Tässchen ehrlichen Filterkaffees. Er heißt mich willkommen wie die Oma in den Semesterferien. Man kann sich auch ruhig noch eine zweite Portion reinpfeifen, ohne dass jemand schief schaut. Man spürt dabei, dass man noch lebt, weil ja der gute alte Filterkaffee – ceteris paribus – stärker ist als Espresso. Man kann etwas darin eintauchen, z. B. einen Löffel Riebel. (Dieses ist für mich als Vorarlberger in der Diaspora nahe am Killerkriterium: Ein Kaffee, in den man keinen Riebel eintauchen kann, den darf bitte wer trinken, der keinen Riebel kennt.)

Außerdem, meine Damen und Herren, sind wir als Werberinnen und Werber ja allzumal gehalten, den Finger am Puls der Zeit zu belassen, auf dass wir der Zielgruppe vorhupfen können, was morgen angesagt ist. In diesem Sinne kann ich nur konstatieren: Der Trend zum Filterkaffee für Connaisseurs wurde hieramts vermützt. Der war nämlich schon vor einem Jahr vollrohr angesagt. Wo bleiben die helle Röstung und der porzellanene Filtertröpfler in der Teeküche?