Freitag, 19. Juni 2015

Wohltemperierte Aufzucht


Nicht jeder pflanzt sich fort. Muss ja auch nicht sein, gibt eh so viele Leute. Sogar manche, die sich bereits fortgepflanzt haben, drängen uns die Frage auf, ob das unbedingt notwendig war. Nach erfolgreich stattgehabter Brut stellt sich jedenfalls früher oder später eine weitere kitzlige Frage. Und wozu gibt es diese Freitagskolumne, wenn nicht zur halbherzigen Klärung solcher?

Deshalb, teure Lesehäschen, will ich nicht alsbald erhellen, ob man sein Kind ein Instrument lernen lassen soll? Also, ein Musikinstrument natürlich.

Die Antwort ist, wie so oft, ein schallendes Jein. Ganz wichtig ist erst einmal genaues Hinlesen, und zwar zum entscheidenden Wort „lassen“: Falls euer Nachfahr nämlich aus menschlicher DNA gestrickt ist und nicht aus einer Mischung von Angorakaninchen und Kohlrabi, dann könnt ihr es maximal dazu zu bringen, ein Instrument zu lernen, aber nicht dazu, es lernen zu wollen. Das bedeutet: Die Willenskomponente bleibt für künftige Äonen auf euren Schultern liegen und verursacht dort unansehnliche bis schmerzhafte Druckstellen. Ein Kind zum Üben zu motivieren, dessen haben sich schon manche unterwunden. Ich bin dafür zu faul, und wenn ich mich so umsehe, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich damit der einzige bin.

Der andere wesentliche Punkt betrifft die Art und Gattung des Instruments. Der Klassiker zum Einstieg ist ja euch heute noch sehr häufig die Blockflöte. Diese kostet nicht nur wenig, sie ist auch das vielleicht ungeeignetste Werkzeug, formbare kleine Seelen an die Wunderwelt der Harmonie heranzuführen. Der Virtuose vermag ihr jene fröhlichen Triller, jenen süßen Schmelz, jenes berückende Timbre zu entlocken, die für Eltern von Blockflötenkindern mit einem einzigen Wort charakterisiert sind: „ungeahnt“.

Bis man sie nämlich wirklich spielen kann, ist die Blockflöte das akustische Äquivalent einer Trennscheibe, und zwar einer Trennscheibe der Marke Zgonc, die schon zweimal benutzt worden ist, also, wie wir am Land sagen, einer hinichn Flex, und zwar einer hinichn Flex, mit der grade einer versucht, den Motorblock vom alten Steyr in zwei Teile zu schneiden, damit sie in die Mülltonne passen.

Wenn die Kinderflöte nicht perfekt gestimmt ist (und das ist sie nie, schon weil die billigen Musikschulmodelle die Stimmung nie lange halten) und nicht perfekt gegriffen sowie angeblasen wird (und das wird sie nie, sind ja Anfänger), fräst sie sich deshalb umstandslos durch die Ohren, weiter direkt durch den Hirnstamm und dann abwärts das Rückgrat entlang bis zu den wirklich empfindlichen Teilen, und das mit einer Geschwindigkeit und einer akustischen Zerstörungskraft, die dem Unerfahrenen Staunen abnötigen und „Todeskampf eines tollwütigen Dudelsacks“ zur Ohrwaschelwellness degradieren.

Natürlich ist der Ouput jedes Instruments stark userabhängig. Bei der Blockflöte gilt das aber leider nicht nur für das Gesamterlebnis aus Tonhöhe, Timing und weißichnochalles. Es gilt für jeden einzelnen Ton. An demselben Geburtsfehler laborieren Streichinstrumente, Blech und so weiter. Bei all diesen Gerätschaften hat ein, zum Beispiel, a nicht unbedingt 440 Hz, sondern je nach Können äh blblblbl 473,8 oder 417 gradaus. Dann klingt es leider nicht mehr wie ein a, sondern wie, zum Beispiel, eine hiniche Flex.

Das schlägt sich aufs Gemüt, deshalb gehört solches Zeug nicht in Kinderhände.

Wenn eure Kleinen gern Musik machen wollen, dann lenkt sie sanft, aber bestimmt zum Xylophon oder, noch besser, zu den Tasteninstrumenten. Tasteninstrumente sind der beste Freund des mithörenden Elternteils. Ob klassischer Flügel, bescheidene Melodika, Heimorgel, vielseitiges und preisgünstiges Keyboard oder das Spinett für Angeber: Sie alle liefern immer ein, zum Beispiel, C, wenn man hinten auf die Taste fürs C drückt. Und sie alle entbehren der durch Mark und Bein gehenden Schärfe der Blockflöte. Für Blockflöte ist dann in der Pense noch Zeit, da ist man eh viel allein.

Denkt an meine Worte, wenn es so weit ist. Ihr werdet es mir danken.

Schönes Wochenende!

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