Freitag, 20. November 2015

Meine nerveuse Friseuse


Betrüblicherweise, meine mir so teuren Lesehäschen, ist Frau J. nun wirklich verrückt geworden. Ich hatte wie üblich auf dem Friseurstuhl Platz genommen, als sie, die sonst immer von Bosheit aufrecht gehalten und umgetrieben schien wie von einer inneren Sprungfeder, gebeugt herbeischlurfte. Grüßte mit leiser Stimme, hustete diskret. „Sind’S leicht erkältet?“ fragte ich höflich, und ward beschieden: „Nein, ich habe ein – Problem.“ Nämlich, so verriet sie sotto voce, „mit der Mafia“. Ich, mezzoforte: „Mit der MAFIA?“. – „Psssst!“

Danach entrollte sie in stark ungarisch gefärbter, flüssiger Rede ein wirres Panorama, an dem Hieronymus Bosch seine Freude gehabt hätte: Mit dem Russen habe alles angefangen. Der Russe hatte ein Geschäft drei Häuser weiter, in dem er angeblich – angeblich! – Autoteile verhandelte. Weil erstens: Autoteile kann man doch nicht einfach so verkaufen, die kriegt man doch in der Werkstatt. Und zweitens: Der  war ja nie da, der Russe. Ein reines Scheingeschäft. Überhaupt, so Frau J., sei sie die einzige Geschäftsfrau weitum, die tatsächlich arbeite, sonst nur Scheingeschäfte ausschließlich. Ursach dessen ist natürlich die seit Jahren aufs Betrüblichste irregeleitete österreichische Politik, die jeden kriminellen Zuwanderer mit offenen Armen willkommen heißt, zum Schaden der leider allzu wenigen gesetzestreuen Geschäftsfrauen und –männer. Aber weiter: Die rechtschaffene Frau J. habe den Russen, so sie, „angezeigt“, und jetzt ist da kein Russe mehr mit Scheingeschäft. Doch so leicht wird man so einen nicht los. Denn „die Russenmafia“ steckt ja mit „den Zigeunern“ unter einer Decke. Deshalb leidet Frau J. seit Monaten an Atembeschwerden. Da liegt so ein Schleier in der Luft, bei ihr zuhause. Zuerst hat sie auf Motten getippt „Männer“ kommen lassen, damit die „die Wohnung ausspritzen“. Die Männer aber stecken ihr ein Licht auf: Diese kleinen schwarzen Punkterln, die da am Boden wuseln, das seien keine Motten. Zigeuner seien darauf spezialisiert, so etwas mit Schläuchen bei den Tür- und Fensterdichtungen einzuleiten, um missliebige Bewohner zu vergraulen. Was die Punkterln seien?

Na Elektrosmog.

Grundsätzlich, so klagte Frau J. mehrfach, sei alles nicht nur sehr belastend für sie, sondern auch sehr schwierig. Weil ihr ja keiner glaubt. In Österreich is sowas nemlich ein sehr seltener Fall. Im Ostblock ist das anders. Und mit dem durch Schläuche an den Dichtungen vorbeigeleiteten Elektrosmog ist es ja nicht getan. Sie wies mir klagend eine offene Stelle am Zeigefinger: Da habe sie gestern ihren Flüssigseifenspender bedient. Jemand habe offenbar etwas Ätzendes auf den Drücker geschmiert. Und kürzlich habe sie Weißwäsche gewaschen – alles voller roter Flecken! Weil jemand Farbe unter ihr Waschmittel gemischt hat, um sie psychisch fertigzumachen.

Ob sie schon beim Arzt gewesen sei? Natürlich nicht, schließlich muss sie ihr Geschäft erhalten und kann nicht ständig wegrennen.

Warum diese Verbrecher überhaupt auf ihr Geschäftslokal scharf sind? Das ist es ja, man kriegt ja keine Auskunft!

Kurz: Es ist alles sehr schrecklich, wegen der – psst! – Russenmafia. Und überhaupt.

Dazu, o meine mitfühlenden Lesehäschen, vergesst bitte nicht, dass mir die Frau J. während ihrer ganzen traurigen Tirade die Haare geschnitten hat.

Damit bin ich bei der Kernfrage des heutigen Tages: Kann eines von euch mir einen kundigen Coiffeur oder gerne auch eine Coiffeuse empfehlen, die die Hoffnung aufs Reichwerden aufgegeben hat? Denn die Frau J. lasse ich nicht mehr mit scharfen Werkzeugen in meine Nähe. Lieber fünf Minuten feig als ein Leben lang tot.

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