Und
nun, hochverehrte Lesehäschen, zu etwas ganz anderem. Mein adventlich gestimmtes Herz denkt an
meine frühen Jahre zurück, an Fröschefangen, Prilblumen, Polyesterpullover und Biene Maja am Dienstag nach Am-Dam-Des. Das waren halt die 70er.
Waren sie das? Nicht ganz. Da war noch etwas. Da waren, man muss das jetzt so
schmucklos hinrotzen, da waren Sackgesichter.
Ich
meine das nicht wertend, zumindest nicht moralisch.
Doch
als ich kürzlich Gelegenheit hatte, ein Kinderbuch der 70er wieder vorzulesen,
war ich doch ziemlich verblüfft. Der Inhalt war für die Zeit Standard – wir
müssen viel sorgsamer mit der Natur umgehen, die Entscheidungsträger denken
nicht weiter als ihre Nasenspitze, Kinder haben es im Griff. So weit, so gut.
Das
Highlight des Buches waren aber die Illustrationen, und wenn ich „Highlight“
sage, dann meine ich es in demselben Sinne, wie H.C. Strache derzeit das
Highlight der FPÖ ist.
Der
Illustrator nämlich hatte offensichtlich entweder vorher eine Wette verloren,
oder aber mit diesem Buch eine Wette gewonnen. Denn er hat sich damals, in den
70ern, dafür entschieden, das Gesicht jeder einzelnen Figur als Skrotum oder, zu Deutsch, Hodensack,
darzustellen. Eine Halbsackwange links, eine Halbsackwange rechts, oben Augen,
mittig Nase (erstaunlich unanzüglich, muss ich sagen), und untendran das
Sahnehäubchen. Denn jede Figur hat auch ein Kinn wie Kirk Douglas bzw., für die
Generation Netflix, Ryan Gosling oder
Ben Affleck: Ein gespaltenes Kinn, ein Kinn mit Grübchen, ein Kinn, das, wenn
man unseren neuen Lieblingsillustrator dranlässt, aussieht wie ein Hodensack.
Kurz:
Jede und jeder in diesem Buch hat ein Gesicht wie das Beutelchen für die
Familienjuwelen, mit einem ebensolchen kleineren untendran. Und das
gendermaingestreamt, ohne Ansehung von Alter und Geschlecht. Hier gibt es NUR
Sackgesichter, vom Bürgermeister an die 60 über die Tante unbestimmten Alters
bis zu den zehnjährigen Gören, lauter Beidlfressen.
Wie
dieses? Man könnte sagen: 70er, eh klar, der Gute war breit wie eine Krot auf
einer vielbefahrenen Straße ohne Amphibiensammeleinrichtung. Aber machen wir es
uns damit nicht ein bisserl gröbi?
Man
könnte auch spekulieren, dass der Illustrator (o.k., ich verrate es jetzt:
Johannes Fessl heißt der Mann, oder vielmehr hieß, denn er ist schon vor
Längerem verstorben) einfach ein begeisterter Sozialdemokrat war und den
späteren Bundeskanzler Fred Sinowatz ehren wollte. Doch erstens konnte sich
Sinowatz zahlreicher Vorzüge rühmen, und seine Backen hatten wirklich etwas
Skrotales, was ihm reichlich unverdienten Spott eintrug – heute wäre die SPÖ
wohl froh um einen derart vernünftigen und integren Proponenten, ungeachtet der
Wangengestaltung. Aber ein Grübchen im Kinn besaß er nicht.
Ich
aber, geliebte Lesehäschen, ich glaube einfach, der Mann hat die Illustrationen
im Advent – nun ja: begangen. Und sein Herz war so übervoll von Vorfreude auf
einen richtig großen Sack mit feinen Sachen drin, dass ihm die Säcke einfach so
aus dem Stift gekullert sind.
In
diesem Sinne: Schönen Advent!
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