Freitag, 18. Dezember 2015

Locker bleiben

Wir haben es, geschätzte Lesehäschen, bald geschafft. Der eine oder andere Punsch noch, oder das eine oder andere Abschlusskonzert, je nach Lebensphase und Gusto. Noch eine Korrekturphase vielleicht, eine Bonus-Idee oder ein letztes Layout. Und dann auf zur Gans, zum Karpfen oder zu den tofuidenten Kalbsbratwürsteln, je nach nach Gusto und geographischer Anlage.
Und doch ärgert man sich vielleicht vorher noch über irgendeinen pitzeligen Menschen. Einen Korinthenkacker wie mich, mit dem man nicht vernünftig reden kann.
Denn, und damit habe ich schon häufig für Unwillen gesorgt, ohne es zu wollen, wir Tüpflescheißer hauen immer auf die Kleinen hin. Wenn uns jemand Gründe für eine Meinung präsentiert, dann suchen wir uns verlässlich den schwächsten aus, um ihn niederzumachen. Das ist sehr ungerecht gegenüber Menschen, die reihenweise vortreffliche Argumente haben, aber irgendwie nicht dazu gekommen sind, das eine nicht so vortreffliche auszusortieren. Sie hätten Besseres verdient als Besserwisser wie mich.
Da war z. B. am Montag die NYT-Beilage des Standard, die sich der „einsamsten Generation“ widmete: Den ca. 150 Millionen junger Chinesen, die infolge der Ein-Kind-Politik als Einzelkinder aufgewachsen sind.
Viele von ihnen werden einsam bleiben, da es infolge geschlechtsspezifischer Abtreibungen einen Überhang von etwa 30 Millionen Männern gibt. Sie sind um ihre Lage sicher nicht zu beneiden. Doch eine Aktivistin erklärte sinngemäß, es sei eine Frechheit, dem Schicksal dieser Junggesellen so viel Raum zu widmen, denn dahinter stünden ja 30 Millionen abgetriebene Mädchen.
Und leider, meine Lesehäschen, denke ich dabei nicht sofort an das bedauernswerte Schicksal dieser Heerscharen, die in einer stark familienorientierten Gesellschaft als Einzelkinder aufwachsen mussten. Ich denke auch nicht daran, wie es den ewigen Junggesellen wohl gehen wird, oder was einst die Mütter empfunden haben, als sie sich zur Abtreibung eines weiblichen Fötus entschlossen, um die Chance auf einen Sohn zu wahren. Als erstes, so ein Mensch bin ich zu meinem Leidwesen, frage ich mich: Waren es nicht nur 15 Millionen? Ich bin mir nicht sicher, weil man die Chronologie ja nicht außer Acht lassen darf (oder?).
Erstaunlich daran ist, dass es Menschen gibt, die noch pedantischer sind, aber auf weniger unsympathische Weise. Wir hatten hieramts kürzlich für einen Kunden Antwortkarten zu gestalten und zu produzieren. Auf der einen Seite ein Bild mit Headline, auf der andern Zeug zum Ausfüllen, fertig. Antwortkarten eben.
Das dazugehörige Konzept sieht dementsprechend eine Vorderseite mit Bild vor, auf der Rückseite Zeug zum Ausfüllen.
Als nun das Layout schon ziemlich weit gediehen ist und die Kundin dieses wieder einmal betrachtet, stellt sie fest, dass die Seiten vertauscht sind. Es müsste doch logischerweise die Seite zum Ausfüllen die Vorderseite sein, und die mit dem Bild die Rückseite. Weil auf einer Antwortkarte das Ausfüllen ja das Wichtigste ist. Sie ersucht uns, diesen Umstand zu berücksichtigen, damit dann am Ende alles passt.
In diesem Sinne: Entspannte Feiertage euch allen!

5 Kommentare:

  1. Warum denn 15 Mio? Es geht ja um selektive Abtreibung, nicht Geschlechtsumwandlung? (Angenommen ohne Abtreibung 100 m. + 100 w.; davon 10w. abgetr -> 100/90, d.h. m.-überhag von 10?)

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    1. Das ist schon richtig. Es ist aber anzunehmen, dass die Eltern die Tochter in der Hoffnung auf einen Sohn beim nächsten Versuch abgetrieben haben. Wenn das klappt, haben wir in Ihrem Beispiel am Ende nicht 190 Kinder, sondern wieder 200, mit einem Verhältnis von 110:90. D.h. einen Überhang von 20 nach zehn Abtreibungen.

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    2. Aber die Wahrscheinlichkeit einen Sohn zu bekommen ist nach einer (oder beliebig vielen) Abtreibung(en) ja nach wie vor ca. 50%.

      Bei dem Modell "max 1 Abtreibung, danach nehmen was kommt" wäre das Resultat also 105:95 (10 Abtreibungen, Überhang 10).

      Beim Modell "max 2 Abtreibungen, danach nehmen was kommt" hätten wir nach den ersten 10 Abtreibungen 5m und 5w, d.h. weitere 5 Abtreibungen mit Ergebnis 2.5m und 2.5w, und als Endresultat 10+5 Abtreibungen bei Überhang von 100+5+2.5 minus 90+2.5, d.h. wieder mal 1:1 Abtreibungen zu Überhang?

      Es sieht nicht so aus als ob das Verhältnis bei anderen Modellen (z.B. abtreiben bis m) besser wird?

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  2. Gegen Ihre Rechnung ist natürlich nichts einzuwenden. Sie setzen allerdings zweierlei voraus: Erstens, dass die Eltern nach der Abtreibung eines Mädchens überhaupt ein weiteres Kind zeugen. Und zweitens, dass das Geschlecht eines Kindes sich nicht im Voraus beeinflussen lässt, wie verschiedentlich berichtet wird. Möglicherweise informieren die betreffenden Eltern sich nach der Abtreibung genauer? Man weiß es nicht. Im Grunde ging es mir auch nicht darum, ob die chinesische Aktivistin korrekt gerechnet hat, sondern darum, dass sich mir sogleich die Frage danach stellte.

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