Freitag, 8. Januar 2016

Geschlechter oder Gebesser?


Ein neues Jahr, das ist ein Setzkasten voller neuer Chancen, liebe Lesehäschen. Eines von euch hatte im Rahmen einer kleinen, informellen Montagvormittagsumfrage die einzigartige und eines Tages sicher derart mit Sammlerwert beaufschlagte Möglichkeit, dass man sich nur noch an den Kopf greifen kann – also die Möglichkeit, das Thema der heutigen und also ersten 2016er-Kolumne entscheidend zu beeinflussen.

Doch wie das schon so ist, man könnte einmal so richtig hinlangen, und dann weiß man nicht, wohin eigentlich. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass Neujahrsvorsätze für eine Jahresanfangskolumne schon ziemlich abgegriffen sind. Das wird es also nicht, und darüber bin ich froh, schon deshalb, weil ich nie Neujahrsvorsätze fasse. Irgendwie komme ich nicht dazu. Manchmal überlege ich, ob ich mir nicht was vornehmen sollte, aber ehe ich mich entschieden habe, ist schon Neujahr. Da ist dann die Luft draußen aus der Vorsätzefasserei. Sogar das Rauchen habe ich mir einst abgewöhnt, ohne mir dies fünf Wochen vorher vorgenommen zu haben. Ich überlege gelegentlich, ob ich nicht wieder anfangen sollte, aber zu einem entsprechenden Neujahrsvorsatz hat es auch hier nicht gereicht.

Liegt etwas im Talon? Ei freilich. Das Genderthema lässt uns nicht aus seinen Samtpfötchen. Schon vor Weihnachten wurde der schätzbare Filmschaffende Todd Haynes in einem Standard-Interview anlässlich des Kinostarts von Carol mit den Worten „meine lesbischen Freunde“ zitiert. Natürlich ist davon auszugehen, dass er selber von „my lesbian friends“ gesprochen hat, was ja vollrohr in Ordnung geht.

Aber was hat den Interviewer (da kein Übersetzer genannt wird, nehme ich an, dass Herr Kamalzadeh sich selbst darum gekümmert hat) bewogen, die „Freunde“ da hinzustellen?

Vielleicht muss man etwas weiter ausholen. Nämlich war es ja früher so (als das Wünschen noch geholfen hat, Volksschulkinder vom Lehrer gelegentlich um ein Packl Tschik geschickt wurden und man bei der Einfahrt in einen Tunnel eigenhändig die Scheinwerfer einschalten musste), dass sich mit der männlichen Form alle anderen Genders mitgemeint fühlen durften bzw. zu fühlen hatten. Später suchte man nach Möglichkeiten, dieses Mitmeinen sichtbar auszudrücken (um die Sprech- und Hörbarkeit wird sich in diesem Zusammenhang traditionell nicht geschert). Es kamen das Binnen-I, die nachgestellte Endung mit Bindestrich, das Sternderl und was es halt noch für Gender-Anhängsel gibt.

Und jetzt? Jetzt wird dieses genderistische Gießkannenprinzip als unbefriedigend empfunden (zumindest von Herrn Kamalzadeh). Mit feiner Ironie ordnet er den Lesben die männliche Endung zu, die sie sich als Verehrer (oder doch Verehrerinnen?) weiblicher Reize redlich verdient haben, redlicher zumal als die Männer, dieses Hodenpack.

Zweite Möglichkeit: Es gilt die rein weibliche Zuschreibung von „lesbisch“ gendergerecht aufzulösen, so wie im Englischen „gay“ Homesexualität in beiderlei Gestalt meint, was bei „schwul“ nicht breitenwirksam gilt. Vielleicht hat Herr Haynes überhaupt von „gay friends“ gesprochen, wer weiß?

Dritte Möglichkeit: Ist bloß so durchgerutscht. Schade.

Sehr gut aufgepasst hat jemand auf Kundenseite, und umgehend das Feedback der Woche geliefert:

Gehört da ein „Doppelpunkt“?

Auch wenn grade mal Dreikönig vorbei ist, wage ich zu behaupten: Wenn wir heuer noch einmal derart graziöse Gänsefüßchen zu sehen kriegen, können wir uns fürwahr glücklich schätzen.

So, das wär’s für heute. Einen Vorsatz für 2017 habe ich jetzt auch schon: Gutes Thema für die erste Kolumne überlegen! Die gibt’s dann allerdings erst am 13. Jänner, weil die Feiertage nächstes Mal echt doof fallen.

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