Fürs
neue Jahr hatte ich keinen Vorsatz, für diese Woche habe ich einen:
Kolumnierenderweise mindestens eine Reaktion gleich welcher Art zu produzieren.
Gut, dass Frau Barbara Herzog-Punzenberger, Leiterin des Instituts für
Pädagogik und Psychologie an der Uni Linz, dem Standard ein Interview gegeben hat. Der Schule obliege unter
anderem die Eingliederung der Kinder in die Gesellschaft. Dies sei nur in „schichtmäßig, sprachlich und kulturell
vielfältige[n] Klassen“ möglich. Private Kindergärten und Schulen aber
wiesen meist eine andere Klientel auf als die umliegenden öffentlichen Schulen
– nämlich eine mit weit geringerem Zuwanderungshintergrund.
Knallhart
gesagt: Hier reproduzierten sich „Eliten,
die von den realen gesellschaftlichen Verhältnissen von Kindheit an wenig
Ahnung haben“. Deshalb sollte man
Privatschulen am besten abschaffen. Und überhaupt: „Wenn die soziale Zusammensetzung der Familien stark von jener der
Nachbarschaft oder des Gemeindedurchschnitts abweicht ist, die Frage, ob die
öffentliche Unterstützung durch Lehrergehälter überhaupt noch gerechtfertigt
ist.“
Um
es höflich zu formulieren: Ich finde das problematisch, besonders, dass die
Geschichte am jeweiligen Wohnbezirk festgemacht werden soll. Denn wenn eine Elite sich unbedingt unter Ausschluss
breiter Bevölkerungsschichten reproduzieren will, wird sie durch die
Abschaffung der Privatschulen ja nicht davon abgehalten. Frau
Herzog-Punzenberger zwingt sie nur, ihr Wohnviertel entsprechend zu wählen. Will
sie mangelnde Durchmischung in der Schule durch Segregation in der ganzen Stadt
ersetzen?
Um
welche realen gesellschaftlichen
Verhältnisse geht es Frau Herzog-Punzenberger? Meine? Die meines Kindes? Die
einer Industriellenfamilie in vierter Generation mit Stadtpalais am Tiefen
Graben und weiteren Domizilen in Lech, London und Las Vegas? Wenn es um die gesamtgesellschaftliche Realität
geht, warum sich dann mit dem Wohnbezirk als Messlatte bescheiden? Soll mein
Freund J, der Forscher mit dem Doktorat und den drei Magisterien – soll der
seinen Eltern dankbar sein, weil sie sich einst eine Wohnung im
proletarisch-jugoslawischen Rudolfsheim gekauft haben anstatt z. B. im
gutbürgerlichen Währing? Wäre dann ein besserer oder schlechterer Mensch aus
ihm geworden, ein erfolgreicherer oder ein weniger erfolgreicher? Und was
bedeutet es, dass er selber eine Wohnung in Währing erworben hat?
Die
traurige Wahrheit ist: Frau Herzog-Punzenberger bleibt auf halbem Wege stehen. Denken
wir ihren Vorschlag zu Ende. Losen wir Wohngegend
und Schule jeder Familie und jedem Kind unabhängig voneinander zu! Erst
dann werden die Kinder angemessen vorbereitet auf – ja, worauf denn nun?
Bei
allem Verständnis für den Boden, auf dem das Abschaffungsblümlein gewachsen ist:
Ein türkischstämmiges Kind in einer Schule, deren Schülerschaft zu fünfzig oder
mehr Prozent aus türkischstämmigen Kindern besteht, wird später von der gesellschaftlichen
Realität mindestens so verblüfft sein wie mein eigenes Kind. In seiner
Privatschulklasse haben von 25 anderen Kindern zwölf mindestens einen
Elternteil mit nicht-deutscher
Muttersprache. Wird es der Zukunft
gewachsen sein? Auch wenn Türkisch oder Syrisch nicht vertreten sind, wohl aber
Armenisch, Italienisch, Hindi, Tschechisch und Russisch?
Ich
weiß es nicht. Ich behaupte aber auch nicht, dass Menschen wie ich, die nicht
nur die ersten Akademiker in ihren Familien sind, sondern die ersten mit
Matura, gleich sich selbst reproduzierenden Eliten angehören, weil sie ihr Kind
in eine Privatschule schicken.
Die
Sache mit dem Wohnbezirk ist aus einem weiteren Grund halbgar. Ich habe meine
gesamte Schulbildung in öffentlichen Schulen genossen, und der Anteil an
Kindern mit Migrationshintergrund in
meiner Umgebung war vernachlässigbar. Das spiegelte die Realität meiner
Lebenswelt wider, ganz im Sinne von Frau Herzog-Punzenberger. (Vielleicht meint
sie tatsächlich die gesamtgesellschaftliche Realität, aber die erlebt niemand,
außer vielleicht in diesen Dörfern, wo immer die Wahlergebnisse vorausgesagt
werden, weil sie so perfekt den ganzen Staat abbilden.)
Blöd
nur: Ich bin dann vom Land in die Stadt gezogen. Meine heutige Lebenswelt
entspricht deshalb nicht mehr derjenigen, auf die mich die Schule vorbereitet
hat. Menno!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen