Puuh, das war hart. Fünf Wochen ohne
Tschickstummelnachrichten! Wie habt ihr das bloß ausgehalten? Dafür gehen wir
heute in die Vollen. Hochkultur! Oder so ähnlich. Und etwas Wehmut. Denn der
Tschickstummel, da dürfen wir uns nichts vormachen, ist ein Requisit der
Vergangenheit. Wenn heute in einem Kulturerzeugnis feste geraucht wird, dann spielt
es garantiert nicht hier und jetzt. Sogar Don
Draper hat in der siebten, achten Staffel öfter ausgedämpft als angeraucht.
Unvergesslich ist mir eine Warnung in einem Programm der Bundestheater, das ich
vor ein oder zwei Jahren durchgeblättert habe: Da vermerkte bei manchen
Produktionen eine Fußnote, dass in dieser Inszenierung „aus dramaturgischen Gründen auf der Bühne geraucht“ werde. Die
gedachten Adressaten dieser Warnung sind vermutlich dermaßen zartbesaitet, dass
ihnen schon der Weg zum Theater Übermenschliches abverlangt, könnte es doch
geschehen, dass ihnen auf der Straße wer begegnet, der sich ganz ohne
dramaturgische Ausrede eine anzündet. Huch!
Dabei waren der Tschick- bzw. Zigarrenstummel und die
Pfeifenasche einst entschieden mehr als Zeitkolorit. Sie waren im wahrsten
Sinne die DNA einer Ära.
M, (für alle unter 30: Filmklassiker
von Fritz Lang, mit Peter Lorre – immerhin hat meine Nachbarin kürzlich
gestehen müssen, dass ihr Und täglich
grüßt das Murmeltier nur als Redewendung geläufig ist, während der dazugehörige
Film ihr neu war) ist da noch nur ein halbes Beispiel. In M wird zwar binnen fünf Minuten mehr weggepofelt als in zwei Folgen
Mad Men (und zwar meist dicke
Stumpen, liebevoll gestopfte Pfeifen und dergleichen mehr), doch die Reste
spielen keine große Rolle.
Was wäre aber Sherlock
Holmes ohne Tschickstummel? Hat doch der große Detektiv eine systematische
Sammlung aller möglichen Hinterlassenschaften des Tabakgenießers angelegt,
säuberlich geordnet nach Gattungen und Arten. Da gab es feste Asche und krümelige, helle,
dunkle und feine, frische und ältere. Was anderen ihre Käfer, Schmetterlinge
oder Briefmarken, das war Sherlock der Tabakrest. Wie mancher Missetäter wäre
nicht ungestraft davongekommen ohne diese taxonomische Sorgfalt!
Man mag einwenden, dass wir dafür heute die DNA als
Handlungstreiber jeder besseren Polizeiserie haben, verlässlich,
wissenschaftlich hochwertig und unangreifbar. Doch leider! liegt hier der Hund
begraben. Erstens gibt es kaum eine schändlicher missbrauchte Requisite als
die DNA-Analyse. Zum Beispiel sind die Wohnungen in den einschlägigen Serien
immer perfekt aufgeräumt. Wenn der Spurensicherer dann ein Haar findet, weiß
man: Das ist vom Messermörder, wahrscheinlich ein Typ mit stechendem Blick und
beginnender Halbglatze, aber egal, wir haben ja die DNA-Analyse.
Wie bitte? Ich weiß ja nicht, ob ich eine spezielle Drecksau bin, und ich will nicht
spekulieren, wie es in euren Bauten ausschaut, meine lieben reinlichen
Lesehäschen. Aber eines sage ich euch: Ich habe einen Hund. Wenn ich mir
anschaue, wo der überall seine Haare ausstreut, dann kann er froh sein, dass er
in der wirklichen Welt lebt. Auf CSI hätten
sie ihm schon längst jede Missetat angehängt, seit Kain den Abel erschlug. Selbst wenn er eine Katze mit neun Leben wäre
anstatt ein Hund mit bloß einem – die Sonne würde er nie wieder sehen.
Zweitens
hat ein von der Täterin persönlich abgelutschter Tschickstummel doch mehr Sex
und lässt uns tiefer in menschliche Abgründe blicken als eine verlorene „Hautschuppe“, ein Wort, bei dem man
sich fragen muss, woraus denn Schuppen sonst bestehen sollten. Immerhin war sie
am Tatort so aufgewühlt, dass sie gar nicht anders konnte als zum Tschick zu
greifen. War es Nervosität? Erschöpfung? Gar Fadesse? Hier tun sich Weiten auf,
von denen eine Hautschuppe nur träumen kann. Wie ärmlich dagegen der stereotype
DNA-Analysen-Bildschirm, auf dem zwei Sätze bunter Striche sich
übereinanderschieben, damit jeder kapiert: die schauen gleich aus.
Soviel zum Tschickstummel im Kriminal. Schweigen wir kurz im
Gedenken an ihn, der einst aus jedem Whodunit ein psychologisches Kammerspiel
machte. Wir werden seinesgleichen nimmer sehen.
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