Freitag, 21. April 2017

Das hat man jetzt so

Es ist Zeit für ein weiteres peinliches Geständnis. Euer ergebener Zweckdichter ist nicht nur in vieler Hinsicht ein Problembär, er ist auch in Modefragen weitestgehend ohne den Tau des Nebels der Spur einer Ahnung. Die Schwierigkeit der Mode ist nämlich, ob das gut aussieht, und ob es trotzdem super ist, wenn nicht. Außerdem, bittesehr: Haute couture? Pret-a-porter? Mein Französisch war noch nie besser als heute, aber das ist, als würde ich sagen, dass ich noch nie einen schöneren Rittberger gesprungen habe als gestern.
Ebenso wie beim Französischen, so habe ich auch mit der Mode meine Verständnisschwierigkeiten. Besser gesagt: hatte, denn mittlerweile ist mir alles klar. Die Schwierigkeiten rührten, wie schon angedeutet, daher, dass ich öfter mal rätselte, was das eigentlich soll. Wenn Uma Thurman als Mia Wallace in einer weißen Bluse mit langen Manschetten durchs Wohnzimmer tänzelt, sieht das natürlich schon was gleich. Wenn Karl Lagerfeld aus seiner Lade voller Krägen den passenden für heute Nachmittag wählt, ebenfalls. Audrey Hepburn in Givenchy, deine Nachbarin im Rock von Lena Hoschek, euer Ergebener in seinem ziemlich frischen Dreiteiler (auch die Weste mit Revers) – das bietet was fürs Auge.
Aber geht es darum? Wenn ja, weshalb gibt es dann Mode, die, darauf können wir uns wohl alle einigen, bestenfalls auffallend ist? „Schön nicht, aber selten“, wie man im Lande meines Aufwachsens sagt. Sphärische Umrisse, Anzüge, in denen man sich weder setzen kann noch von seiner Mutter gesehen werden will – sind das ästhetische Statements oder Versehen?
Glücklicherweise durfte ich vor einer Weile ein Interview mit Carl Jakob Haupt lesen. Carl Jakob Haupt ist, für alle, die ebenso ahnungslos sind wie ich, geradezu haarsträubend angesagt. Er nennt ein Modelabel sein eigen, für das ich nie jung genug war. Er schreibt einen Modeblog mit Fotos, die ihn im glänzenden Anzug vor glänzendem Auto zeigen, mit Sätzen wie Frankfurt ist das neue Ding und so flog ich wehmütig nach Berlin und wusste was ich zu tun habe. (Die Beistriche und das Plusquamperfekt hat Herr Haupt eingespart, nicht ich.) Er veranstaltet in Berlin Partys, die an Zaphod Beeblebrox’ unvergesslich selbstbewusste Ansage gemahnen: I’m so hip I have difficulty seeing over my pelvis. Kurzum, Carl Jakob Haupt ist, der menschgewordene Trend, dem 20 % vergeblich hinterherhetzen, während weitere 75 % so vermützt sind, dass sie nicht einmal mitbekommen, dass das Leben mit Volldampf an ihnen vorbeizieht. Angesichts dieses Overkill an urbaner Lässigkeit geraten Midlife-Bobos leicht in Versuchung, Jakob Haupt als unausstehlichen Wichtigtuer abzutun, auf den man lieber nicht neidisch wäre. Doch das wäre voreilig.
Carl Jakob Haupt ist ein viel klügerer Kopf, als er sich alltags anmerken lässt. Er hat in obgedachtem Interview das vielleicht Erhellendste zum Thema Mode geäußert, das mir je untergekommen ist: Es gehe eben nicht um Schönheit, denn in einem schwarzen Anzug mit weißem Hemd fesch sein – das könne jeder. Vielmehr: Es ist total wichtig, scheiße auszusehen und das auch auszuhalten. So Berlins oberster Dandy, und wir wissen endlich, wo das Dandytum heute steht. Von Oscar Wilde bis zu den Mods ging es darum, Trends vorauszueilen und sie gleichzeitig auf die Spitze zu treiben, in einer Weise, die beim Betrachter eine Entscheidung provozierte – man konnte es toll finden oder bescheuert, aber die eine Reaktion war klar positiv konnotiert, die andere negativ. Heutige Dandys betreiben nicht mehr Optimierung, sondern selbstbestimmte Kommunikation. Im Zweifelsfall auch dann, wenn du gerade einen Scheiß zu sagen hast.

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