Donnerstag, 21. Dezember 2017

Schweinereime

Wenn die Festtage näher rücken,
beginne deine Satzmuskeln zu regen.
Denn willst du mit guten Wünschen entzücken,
kommt dir ein guter Spruch grad gelegen.

Versuch es mit einer Parenthese –
man kann es auch einen Einschub nennen –
darauf reimt sich z. B. die Chaise,
die wir eher als Kutsche kennen.

Die Kutsche mit Kufen heißt man dann Schlitten,
Was sich darauf reimt, liegt dem Ausschnitt inmitten.
Denk schnell an was anderes, sonst heißt es „MeToo“,
und das ist unterm Christbaum nicht de bon gout.

Du merkst schon, der Reimer wird allmählich müde.
Es bröckelt die hochtrabende Attitüde.
Schluss mit Gejeier,
es ist Zeit für die Feier.

Einen auf Kläuschen, einen aufs Christkind,
Im Rohr eine Gans, ein Baum voller Gaben.
Friedlich soll’s sein, und möglichst nicht sprachblind.
Dass lass dir gefallen, zu Heiligabend.

Freitag, 15. Dezember 2017

Shakespeare-Verhandlungen

Ach, teure Lesehäschen, was soll ich sagen? Das Leben ist bekanntlich wie eine Schachtel Pralinen: Wenn man rechtzeitig auf der Rückseite nachschaut, weiß man genau, was man kriegt. Oder so ähnlich. Man erkennt daran, dass das Theater nicht wie das Leben ist, weil hier unverhofft oft kommt. Darin ähnelt es dem Wein. Der wunderbare Schluckspecht Kingsley Amis hatte mit diesem seine Probleme, weil man in Wein ohne Ende investieren und dann trotzdem eine korkige Plörre im Glas vorfinden kann. Bei Cocktails ist es umgekehrt: Wer genügend Zeit und Know-how aufwendet, ist eines vorzüglichen Resultats gewiss.
Was ich sagen wollte: Euer Kolumnator war wieder einmal im Theater, und es war eine sehr erfreuliche Erfahrung. Herr Haußmann hat geil abgeliefert wie ein geübter und einfühlsamer Barkeeper, und es war ein wunderbarer Abend. Allerdings auch – a propos geil – wieder ein Abend, der zusätzliche Komik daraus erzeugt hat, wie er sich auf die Perspektive des Parketts verlässt, beziehungsweise wahrscheinlich nicht verlässt, sondern damit spielt.
Denn im Sommernachtstraum gibt es eine Szene (früher wurde die ein bisschen weniger explizit gelöst, außer in jenen Sommernachtstraum-Verfilmungen, die in Videotheken nur hinterm Vorhang zu finden waren, als es noch Videotheken gab), in der Elfenkönigin Titania einen Esel, nun ja, besteigt. (Wer Clerks II noch nicht gesehen hat, dem sei, a propos des Esels, auch dieses Werk wärmstens anempfohlen.)
In Haußmanns Inszenierung findet das ganz wörtlich statt, indem der vereselte Zettel tief schlummert, während die zauberblumentolle Titania ihr Ding durchzieht (und also, den Kalauer muss einer machen, damit wir nicht alle ein Magengeschwür kriegen: auch seines). Freilich: den Inhabern der kostspieligen Plätze bleibt dieser Anblick dank dem vorgehaltenen weiten Ärmel einer Elfe erspart oder vorenthalten, das ist Geschmackssache. Im Juchhe (und gar seitlich im Juchhe) ist man dagegen mittendrin in der gewagten Action, weil ein Elfenkleiderärmel eben kein Zweimannzelt ist. Ist das Haußmanns Zugeständnis an die Sehgewohnheiten des saturierten Bürgertums? Oder macht er dem Prekariat auf den Plätzen mit sonstiger Sichteinschränkung ein kleines, semipornographisches Theatergeschenk?
Vielleicht ist es aber auch sein Kommentar zu dem Vorspiel, das dieser Tage statthat, damit Türkis und Blau sich so richtig harmonisch-blümchenmäßig vereinigen können: Wenn ein Esel verpennt, was gerade passiert ist, gibt es immer welche, die das geil finden.
Oder, noch anders: Wenn man nicht mitkriegt (übrigens nicht: „nur weil man nicht ...“), was los ist, kann man immer noch hoffen, dass jemand anderer der Gefickte ist.
Tja. Soviel zum Rauchverbot in der Gastronomie.


Freitag, 1. Dezember 2017

Welches der Relativpronomina?

Bald ist Advent, und vielleicht habt ihr euren Brief ans Christkind gleich mir schon abgeschickt. Ich wünsche mir eine Regierung, die keinen allzu großen Blödsinn macht, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ein kurzer Blick auf die Plakatwände weckt gleich neue Hoffnung: jene, dass die Es-lässt-sich-halt-nicht-ändern-Koalitionäre Zurufe aus der Industriellenvereinigung sorgfältig prüfen. Denn offenbar ist der IV die Wiedereinführung der Fünf-Stufen-Benotung in der Volksschule zu wenig. Sie will ein Bildungssystem analog der Zweiklassenmedizin einführen, nur mit viel mehr Klassen. (Übrigens, war irgendjemand von den Leuten, die vor der dräuenden Zweiklassenmedizin warnen, schon einmal beim Zahnarzt? Anscheinend nicht, sonst wüssten sie, dass die Erhaltung des eigenen Gebisses eine reine Geldfrage ist.)
Woher ich das weiß? Weil die Industriellenvereinigung es plakatiert. Schon seit einigen Wochen hängen Sujets, in denen sich verschiedene Formen der Naivität treffen – von Waldbären, die fragen, wozu Industrie oder Exporte gut seien, bis zu jenem anderen Waldbären, der die treuherzige Versicherung, dass er bei flexibleren Arbeitszeiten natürlich nicht mehr arbeiten müsse, für bare Münze nimmt. Am interessantesten ist aber die Frage des vielleicht zwölfjährigen Mädchens: Bekomme ich die beste Bildung,die mir zusteht?
Damit ist klar, dass nicht jedem die beste Bildung zusteht (wobei die „beste Bildung“ natürlich Verschiedenes bedeuten kann, je nachdem, was der Betreffenden am ehesten frommen wird). Vielmehr gibt es Kinder, denen eine bessere Bildung zusteht als anderen. Das liegt daran, dass die IV (oder ihre Agentur), vor die Wahl zwischen zwei Relativpronomina gestellt, sich für das gängigere und in diesem Fall ungeeignete entschieden hat. Es ist Zeit, sich bei Karl Kraus Rats zu erholen, und siehe, er bringt ein klares Beispiel für einen analogen Fall, nämlich:
Es ist der älteste Wein, den ich getrunken habe.
Es ist der älteste Wein, welchen ich getrunken habe.
Die, damit hier auch mal die Mafo zu Wort kommt, Grundgesamtheit des ersten Satzes ist die Menge der Weine, die ich bereits getrunken habe. Thema ist unter diesen der älteste. Als anspruchsloser Schluckspecht komme ich sicher nicht auf mehr als zwölf oder fünfzehn Jahre.
Der zweite spricht vom ältesten Wein überhaupt und merkt an, dass ich davon getrunken habe. (Wie alt der älteste theoretisch verfügbare Wein ist, weiß ich nicht. Ich glaube mich aber zu erinnern, dass irgendwo Flaschen herumkugeln, deren Inhalt noch die alten Römer gekeltert haben.)
So ist es leider auch mit der IV und der Bildungspolitik. Das Mädchen sagt nicht: Bekomme ich die beste Bildung, welche mir zusteht? Denn es hat bereits verinnerlicht, dass ihm nicht etwa die beste Bildung zusteht, die es gibt, sondern dass es verschiedene Bildungswege gibt, deren einige ihm gar nicht zustehen. Es spitzt daher nicht auf die beste Bildung, sondern nur auf die beste, die (nicht: welche) es eventuell abkriegen könnte. Die IV appelliert anscheinend an unser Mitgefühl, weil es ja sehr schade ist, wenn man bereits in diesem Alter jegliche Illusionen über sein Fortkommen verloren hat.
Ich vermute, auf dem Plakat steht deshalb nicht welches, weil welches als Relativpronomen sehr schriftsprachlich wirkt. Wenn die Zielgruppe damit vertraut wäre, wäre es nicht notwendig, am Bildungssystem viel zu ändern. Man hätte aber nicht in die Falle tappen müssen, unbedingt eine Headline mit Superlativ formulieren zu wollen. Bekomme ich die Bildung, die mir zusteht? hätte zwar die Möglichkeit einer Klassengesellschaft offengelassen, sie aber nicht geradezu postuliert, wie die nun umgesetzte Version es tut.