Freitag, 26. Januar 2018

Vermummung

Es ist leilei oreore wieder so weit, meine lieben und stets kenntlichen Lesehäschen. Die närrische Zeit ist da, frohsinniges Volk lässt in buntem Treiben allüberall hoffentlich nicht gerade die Sau raus, aber vielleicht ein Schweinchen. Voll süß!
Soll man da mitmachen? Vor Längerem hat euer Kolumnator sich diesbezüglich schon einmal verzweifelt an euch gewandt, weil er unverhofft zu einer Maskensause eingeladen wurde. Grund: In der Stadt ist das mit der Vermummung nicht so eingeübt, vielleicht, weil man hier sowieso keinen kennt. Da weiß man ja nicht einmal, wer nebenan wohnt, pflegte meine Oma zu sagen! Ich kenne und schätze meine Nachbarin zwar sehr wohl, aber ihr wisst, was ich meine (oder vielmehr meine Oma).
Das rettet uns nicht vor der Frage, ob man im Anlassfall maskiert mitsausen oder lieber daheim ein gutes Buch lesen, Un ballo in maschera hören oder Knight Rider schauen soll. Denn vielleicht ist man ja auf dem Land, und da findet man sich leicht vor einem solchen Dilemma. Nach meinen jüngsten Erfahrungen lautet die Antwort eindeutig: hingehen! Dies hat mehrere egoistische Gründe.
Erstens hast du Gelegenheit, ganz viele ganz junge Menschen zu sehen, die gerade lernen, mit Alkohol umzugehen. Dabei bestätigt sich, was deine Mudda immer gesagt hat: Finger weg von Alkopops! Wer auf diese Regel pfeift, wird bald weit mehr zum Unterhaltungswert der Veranstaltung beitragen als zum eigenen Wohlbefinden.
Zweitens sind die Kostüme echt nicht ohne. Neun Königspudel beider Mainstreamgenders in identischen weißen Shorts, Königspudelfrisuren und Schminke! Sieben Feuersalamander mit langen Wippschwänzen, die an die Tournüre der 1870er Jahre gemahnen! Supermario samt Luigi! Fünf buddhistische Mönche, die Gebetsmühlen drehen, mit Topfdeckeln Radau machen und sonstigen Baheux (ich erkläre hiermit diese Schreibweise zur wünschenswerten, weil schönen und wahren). Man sieht hieran auch, dass die Political Correctness dortzulande noch nicht ins Kraut geschossen ist.
Die beeindruckendste Maske war aber ein Einzelgänger, den euer Zweckdichter für sich Grizzly Adams getauft hat, im Gedenken an die erdige Fernsehserie aus den 70ern. Grizzly präsentierte sich ungefähr einsneunzig groß mit geschätzten hundertfünfzig Kilo Lebendgewicht. Stell dir dazu Hände wie Kohlenschaufeln vor, Dreadlocks bis zum Kragen und einen zerzausten Bart. Was seine Adjustierung betraf, hatte Grizzly nach den Sternen gezielt und getroffen: Ein grüner Parka und an den Waden aufgeschlitzte Leggings bedeckten alles Wichtige und ließen angemessene Bewegungsfreiheit. Damit man wisse, er sei inkognito, trug er einen orangen Plüschhut mit einer Plastiksonnenblume dran und zwischen den Beinen (ja, genau dort) einen echten Kuhschwanz (Nein, keinen Ochsenziemer. Wir sprechen vom haarigen Fliegenwedel eines weiblichen Nutzrindes.) Ein Gesamtkunstwerk!
Empfehlenswert ist weiters, dass du selber dich nicht komplett wegschießt. Dann hast du Gelegenheit, mit deinem alten Freund, der als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ordnerpflichten versieht, einige Worte darüber zu wechseln, wie gelungen das Fest ist und von wie weither die zahlreichen Gäste den Weg der Mühe wert gefunden haben. Wenn du Glück hast, stehst du gerade in der Raucherzone vor dem Eingang, wenn ein hochgewachsenes Teletubby im Alter von ungefähr zwanzig Jahren feststellen muss, dass in dem letzten Alkopop wahrscheinlich was Schlechtes drin war und dass die Schwerkraft auch am Wochenende an ist. Dann wirft dein Freund einen Kennerblick auf das am Boden langsam zappelnde (denk an einen großen Käfer, mit dem es im Spätherbst zu Ende geht) Teletubby und sagt beiläufig: Des is zum Beischpü a Gosinger (Gosinger: ein in der Gemeinde Gosau am Dachstein Ansäßiger).
Deshalb, o teure Häschen, sollt ihr auf Maskenfeste gehen.

Freitag, 19. Januar 2018

Wie man mehr herausholt

Es ist 2018, o teure Lesehäschen, also sollten wir uns allmählich darüber klarwerden, worauf es im Leben ankommt. Glücklicherweise gibt es das Internet, und die Antwort ist schnell gefunden: Das Wichtige im Leben ist nicht etwa der Genuss oder die Hinterlassenschaft, sondern dessen Optimierung. Nicht erst seit gestern werfen (hoffentlich) fürstlich bezahlte (vermutliche) Experten mit Dingen um sich, die auf den ersten Blick Ratschläge für die kleinen Zweifelsfälle des Alltags sein könnten. Das aber wäre nichts Neues. Ich bin sicher, dass schon in vorhistorischer Zeit die Arrr der Urrgs gesteckt hat, wie man einen Faustkeil schärfer hinkriegt, ohne sich auf den Daumen (und was wären wir ohne Daumen!) zu hauen.
Weil wir aber, wie schon angedeutet, 2018 haben, geht es nicht nur darum, wo wir Tipps für die Lösung einer Aufgabe (Herstellung eines Faustkeils, Erziehung einer Katze, Zubereitung von Kale, sodass das Zeug nicht nach Hausmeisterwohnung 1957 schmeckt) herkriegen. Vielmehr ist, weil alles mit allem zusammenhängt (ausgenommen vielleicht Internetsuchen über die relative Größe des eigenen Penis mit der Notwendigkeit, Kraftwerke und Kühlanlagen für Googles Serverfarmen zu erichten), ein Tipp nicht nur ein Tipp. Er ist vielmehr ein Cheatcode fürs Leben: Wer’s weiß. kommt schneller voran.
So etwas firmiert heute unter dem verräterischen Etikett eben nicht eines Ratschlags oder Hinweises, sondern eines Lifehack, währen man Ähnliches mit weniger hochtrabendem Anspruch einst als Kniff oder im Salzkammergut als Vochtl kannte (jenen Vorteil, den die Erfahrung uns nicht schenkt, aber zu verdienen gestattet). Wenn dir heute ein Webschreiberling rät, ein buntes Bändlein an deinen Samsonite-Klon zu binden, damit du ihn auf dem Gepäckkarrussell nicht lange suchen musst, kann man den Anspruch gar nicht hoch genug stecken. Denn wer sein Gepäckstück schneller findet, der hat ein lebensveränderndes Hintertürchen dorthin gefunden, wo die Weltverschwörer in Saus und Braus leben. Das ist wie mit hundert Euro: Hundert Euro haben und nichthaben sind zweihundert, mit Mehrwertsteuer macht 240, Urlaubsweihnachtsgeld 270, dann hast du noch bissi Glück im Casino, und wenn du hundert Euro sagst, reden wir in Wahrheit locker von sechshundert. Mindestens. Deshalb liest du schon den nächsten, übernächsten, ja, Lifehack, und dann ist es zu spät: Du sitzt da und lässt dir erklären, um wieviel besser es dir gehen könnte, wolltest du dir nur angewöhnen:
- deine Schuhe zu wachsen, damit sie kein Wasser mehr durchlassen
- etwaige Medikamentenallergien auf einer Karte zu vermerken und diese bei dir zu tragen
- Schlüssel verschiedenenfarbig zu lackieren, zwecks besserer Unterscheidbarkeit (wow!)
- Eiswürfel aus Kaffee bereit zu halten, damit dein Eiskaffee nicht verwässert
- einen hölzernen Kochlöffel über den Kochtopf zu legen, damit nichts überkocht (hat meine Oma auch immer gesagt)
- deine Hemdkrägen mit einem Glätteisen zu bügeln (wie bitte?)
- deine Takeaway-Pizza im Auto mit der Sitzheizung warm zu halten (jetzt reicht’s aber)
Und so weiter und so fort. Je länger die Prozession lebensverändernder Weisheiten für Shampoomehrwert, Restlaufbewahrung und Fertigkostverfeinerung vorbeizieht, desto stärker wird der Eindruck, Zielgruppe seien jene Aliens unter uns, die sich wirklich bemühen, als Menschen durchzugehen, denen das alles aber einfach so fremd ist. Wer noch einen Beweis dafür braucht, betrachte den Oreo-Lifehack: Anscheinend ist es Brauch, diese jugendfreie Koks-Alternative in Milch einzutauchen. Der einschlägige Hack empfiehlt die Verwendung einer Gabel, damit man sich nicht die Finger anpatzt. Wer hätte gedacht, dass Besteck auch dafür gut sein kann. Schönes Wochenende und allzeit saubere Finger!

Freitag, 12. Januar 2018

Rechtzeitig


Man könnte meinen, wir seien hier zu spät dran. Doch so denkt, wer nicht weiter denkt als seine Nasenspitze reicht. Tatsächlich sind wir gerade früh genug dran. Denn nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und wer sich jetzt nicht auf Silvester vorbereitet, den kann 2019 kalt erwischen, das glaubst du als Laie gar nicht. Hier also einige wichtige Tipps für einen reibungsarmen Jahreswechsel, a.k.a. „Rutsch“.

Die erste Frage ist natürlich die nach den Haustieren. Alljährlich lesen wir inbrünstige Appelle, doch die Knallerei zu lassen, weil die armen Viecher sich so schrecken. Doch das ist nicht praktikabel, weil erstens die Buben (die, wie der Engländer weiß, allzumal Buben sein werden) trotzdem ihre Böller werfen und zweitens so ein Feuerwerk um Mitternacht ja auch viel für sich hat. Wenn einer kompetent Zunder zu geben weiß, ist euer Zweckdichter der letzte, der sich darob beschweren wollte. Gesucht sind also knallkompatible Hausgenossen, und gerne lasse ich euch an meinen erfahrungsbasierten Erkenntnissen teilhaben.

Fische sind bestens geeignet, so lange euer Nachbar nicht zu viel Das Boot geschaut und in Wabos anstatt das Hofer-Raketensortiment „Samba“ investiert hat. Denen geht jeder Knall an der Heckflosse vorbei.

Auch diverse Wirbellose wie etwa Stabheuschrecken oder – mein persönlicher Favorit – Käfer lässt das Geschieße kalt oder bestenfalls wechselwarm.

Und wenn ihr trotzdem was zum Kuscheln wollt, sowas Felliges mit feuchter Nase? Dann sucht euch eben einen ordentlichen Hund anstatt einen lärmschwachen Buschbrunzer. Erprobte Jagdhunde sind in der Regel schussfest und lassen sich von Silvestergeräuschen nicht beeindrucken, auch wenn es zusätzlich bunt leuchtet. Problem gelöst!

Zweitens: Soll man Dinner for One schauen? Antwort: Wer das gefragt hat, macht dreißig Liegestütz. Natürlich soll man Dinner for One schauen. Was für eine Trottelfrage. Echt jetzt.

Drittens: Soll man zu Silvester was unternehmen? Wenn du unbedingt willst. Vorausgesetzt, du kannst dort Dinner for One schauen. Falls nicht: Erst Freddie Frinton, dann Ausgang!

Viertens: Soll man Blei gießen? Aber klar! Bestenfalls erfährst du was über deine Zukunft. Schlimmstenfalls fischst du einen penisförmigen Bleiklumpen aus der Wasserschüssel, zum Gaudium des Publikums. Es kann natürlich auch sein, dass beides zugleich eintritt. Aber das weißt du dann eh selber.

Fünftens: Wie isst man einen Biskottenfisch korrekt? Natürlich vom Kopf her. Wer einen Fisch vom Schwanz her isst, lässt ihn unnötig leiden, und so beginnt man kein unschuldiges Jahr.

Sechstens: Warum ist man um 22 Uhr nie so schläfrig wie zu Silvester? Dies ist eine Fangfrage. Du bist um 22 Uhr immer gleich müde (außer an Neujahr, da bist du etwas müder, weil du gestern so lange auf warst), aber meistens schläfst du da schon.

Siebentens: Soll man durchmachen? Keinesfalls. Denn du musst irgendwann mal aufstehen, um mit deinem Jagdhund äußerln zu gehen. Und um elf beginnt das Neujahrskonzert. Alles Gute für 2019!

Freitag, 5. Januar 2018

Matt Damon und die Frauen

O Lesehäschen, das mit dem neuen Glück im neuen Jahr wird vorerst nix. An MeToo führt auch 2018 kein Weg vorbei, zumindest nicht für euren leichtsinnigen Schreiberling. Ich lehne mich, das ist mein Neujahrsvorsatz, in Sachen sexueller Belästigung so lange immer weiter aus dem Fenster, bis es entweder besser wird oder eine die Geschichte satt hat und mir von hinten einen Stups versetzt. Möglicherweise überlebe ich und kann dann berichten, wie es war, was bei sexuellem Missbrauch, den Männer an Frauen verüben, nicht möglich wäre.
Wie? Nein, echt nicht. Matt Damon kann ein Lied davon singen. Denn Matt Damon ist zwar ein bilderbuch-, homestory- und miniserienreifer Sympathieträger. Aber er hat in einer Talkshow gesagt: Es sei zwar sowohl verwerflich, jemandem ungefragt auf den Hintern zu patschen wie jemanden zu vergewaltigen oder ein Kind zu missbrauchen. Man solle diese drei Tatbestände aber nicht in einen Topf werfen.
Na, mehr hat er nicht gebraucht. Die Schauspielerin Alyssa Milano war fassungslos, wie er so etwas behaupten konnte. Denn jeder Missbrauch sei gleichwertig, weil er nämlich stets Schmerz verursache und eng mit dem Patriarchat und als normalem empfundenem Frauenhass verwoben sei.
Die Schauspielerin Minnie Driver erklärt, dass Männer Frauen nichts über deren Missbrauchserfahrungen zu erzählen haben, weil diese so individuell und persönlich sind, dass es einfach empörend ist, wenn ein mächtiger Mann dazu etwas sagen will.
Die österreichische Journalistin Eva Reisinger wollte Hollywood nicht den Doofheits-Lead überlassen und hat festgehalten, dass Männer niemals wissen werden, was es heißt, eine Frau zu sein oder gar, als Frau sexuell belästigt zu werden.
Ja, eh nicht. Ich weiß aber auch nicht aus eigener Anschauung, was es heißt, ein Orang-Utan, ein Tiefseefisch oder ein Kunde einer Werbeagentur zu sein. Trotzdem behalte ich mir das Recht vor, Ansichten darüber zu hegen, ob man Palmöl essen und die Meere überfischen soll und ob ein Feedback klug ist oder nicht.
Man darf nämlich erstens über Dinge nachdenken, die man nicht erlebt hat. Und es besteht zweitens ein Unterschied zwischen der subjektiven Einzigartigkeit einer Erfahrung einerseits und der Frage der Gültigkeit ethischer Leitlinien andererseits. Wenn ich jemandem mit dem Auto hinten reinfahre, ist das stets peinlich und eng mit dem Straßenverkehr und als normal empfundener Ausbeutung endlicher Ressourcen verwoben. Trotzdem ist Radfahrern klar, dass es nicht dasselbe ist, ob ihnen ein Autofahrer das Schutzblech gegen den Reifen drückt oder ob sie die Ölwanne plötzlich von unten sehen. Auch empfindest du wahrscheinlich verschieden, je nachdem, ob dein Chef zu spät zur Besprechung kommt oder ob er dich sein Auto waschen lässt, während er deiner Freundin auf den Hintern greift.
Man kann natürlich diesen Unterschied ebenso bestreiten wie jenen zwischen Grapschen und Jemandem-etwas-in-die-Vagina-oder-sonstwohin-Schieben. Man hat sich aber dann halt von der Ethik verabschiedet. Ethik ist, das hat nicht erst Kant entdeckt, eine zwischenmenschliche Angelegenheit. Wenn wir uns nicht auf moralische Grundsätze einigen müssen, sondern auf Chromosomenbasis schon feststeht, wer bei diesen Grundsätzen mitreden darf, dann brauchen wir gleich keine. Beziehungsweise: Wer will dann den Y-chromosomierten Dreckskerlen beweisen, dass deren Grundsätze schlechter seien?  
Als Mann, der im Unterschied zu Matt Damon ziemlich wenig Macht besitzt und – vermutlich gleich Matt Damon – noch nie wen vergewaltigt hat, sage ich ganz hodenkartellgeschwängert: Wer Herrn Damons Recht bestreitet, Grapschen und Vergewaltigung unterschiedlich schlimm zu finden, ohne Ersteres zu entschuldigen, die verzichtet auch darauf, beides unter ethischen Gesichtspunkten zu verurteilen.