Freitag, 5. Oktober 2018

Fliegen

Das Deutsche ist ja durchaus eine hübsche Sprache, da ist euer Kolumnator der Letzte, der was zu meckern hätte. Gelegentlich findet man aber doch anderwärts Geschliffenheiten, deren unsere genderneutrale Eltern*zunge (das * bedeutet, dass es mir ferne sei, hergebrachten, um nicht zu sagen: überkommenen kernfamiliären Strukturen das Wort zu reden) ermangelt.

Wo waren wir? Genau: Was andere Sprachen besser können. Davon habe ich mangels Fremdsprachenkenntnissen ja bedauerlich wenig Ahnung. Doch am Englischen hat mich eines immer besonders fasziniert: sein verschwenderischer Reichtum an Kollektiva.

Ein Kollektivum ist, für alle, die Latein bedauerlicherweise ausgelassen haben, ein Wort, das im Singular steht, mit dem wir aber eine Vielheit gleichartiger Dinge bezeichnen. Einfache Beispiele sind Menge, Haufen oder Gruppe. Für Tiere gibt es eigene Kollektiva, die heißen Rudel, Schwarm oder Herde. Wir denken kurz an Ottos „Lied der Wölfe“ (Jo, mir san mit’m Rudel do), danach ist auf Deutsch auch schon wieder Schicht im Schacht. Nur den Waidleuten fällt noch dies und das ein, zum Beispiel die Rotte, die eine Zusammenrottung von Schweinsviechern meint.

Auf Englisch geht es bittesehr ganz anders zur Sache. Die dortigen terms of venery (so heißen die lässigen Kollektiva auf Englisch) sind mit Recht berühmt, weil ich nämlich mit euch wette: Mindestens drei Vierteln von euch geht es wie mir, und ihr könnt von der entsprechenden Wikipedia-Liste höchsten die Hälfte der Tierarten übersetzen, von den terms of venery ganz zu schweigen. Was waren noch einmal wigeons oder dunlins? Mehrere Wölfe heißen pack, was insofern interessant ist, als pack auf der anderen Seite des Gesetzes auch Meute bedeuten kann. Aber mehrere Löwen sind zwar auf Deutsch ebenfalls ein Rudel, auf Englisch hingegen ein (oder eine?) pride.  Viele Friedfische (ha, da habt ihr schon wieder was gelernt) heißen vielleicht auch auf Deutsch Schule. Aber warum heißt ein Schwarm flock, wenn er aus Gänsen besteht, hingegen flush, handelt es sich um Enten? Neidisch könnte man werden bei einem business Fliegen oder einem regiment Flamingos. „Hier wimmelt es ja von Fliegen!“ – „Ja, das business brummt.“ Hach, da kullern die Kalauer wie von selber daher!
Doch zurück zum Ernst des Lebens. Warum bittesehr gibt es nur für Löwen, Schnepfen oder Dachse so schöne Sammelwörter? Die Fauna des öffentlichen Lebens will schließlich auch repräsentiert sein. Hier ist die Kreativität unterbeschäftigter Wortschöpfer gefordert! Wie wäre es zum Beispiel mit einem Horben Gutmenschen? Ein Binsel Topmodelkandidatinnen klingt schon so ausgezehrt, wie Heidi Klum das gerne sieht. In der Politik ist einerseits Fingerspitzengefühl gefragt: Mir gefiele zum Beispiel das Wünzlein für FunktionärInnen der Grünen oder der SPÖ, denn diese gefährdeten Arten wollen zart angefasst sein. Die ÖVP andererseits kann etwas vertragen, ein Kalomp gestandener türkiser Regierungsmitglieder haut so schnell nix um. Hat man freilich eine Ansammlung freiheitlich gesonnener Innenminister zu benennen, so braucht man, finde ich, das Rad nicht neu zu erfinden. Was hier zählt, ist das business. As usual.

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