Der Dativ, hat man früher gesagt, sei dem Genitiv sein Tod.
Mittlerweile wissen wir, dass man auch den Akkusativ nicht unterschätzen
sollte, von wegen den korrekten Anschluss. Trotzdem hört man im Hintergrund ab
und zu noch den Genitiv röcheln, der übrigens auch Genetiv heißen darf, das ist
kein Fehler, sondern eine kleine Kaprize! Dabei liefert er ein herbstlich
melancholisches Beispiel dafür, wie die Sprache sich entwickelt und alte Regeln
hinter sich lässt, und zwar in seiner Inkarnation als Genitivus partitivus. Wer kein Latein hatte, lernt jetzt was Neues:
Der Genitivus partitivus liefert in der Regel eine Mengenangabe und ist nichts
anderes als die lateinische Version der gängigen deutschen Formulierung „von“. Du
gönnst (Achtung, Eselsbrücke, Gönnitivus!) dir ein Stück vom Kuchen, ein paar Räder von
der Wurst, einen Bissen vom
Schnitzel.
Denn pars ist
lateinisch der Teil, und der Genitivus partititivus sagt uns, wovon der Teil
stammt. In der wörtlichen Übersetzung kriegst du (weil Genitiv) eben nicht ein
Stück vom Kuchen, sondern ein Stück des Kuchens, einen Festmeter Holzes,
eine Ladung Korns. Vielleicht besichtigst du auch einen meiner Paläste. Im Italienischen funktioniert das ebenfalls
einwandfrei: ho bevuto dell‘ acqua,
ich habe (einen Schluck) des Wassers getrunken, und ich habe mir sagen lassen,
dass die Franzosen das ähnlich handhaben, aber da will sich euer Kolumnator
jetzt lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn heuer ist es 300 Jahre
her, dass der 30-jährige Krieg begonnen hat, und womit? Genau, mit dem Prager Fenstersturz, da heißt es also
vorsichtig sein. Wo waren wir? Beim Partitivus.
Der Partitivus wird nämlich, wie so viele von uns,
allmählich alt. Wie so viele von uns verspürt er daher nicht mehr den Drang,
bei jedem Hundsderschlagn dabei zu sein, sondern überlegt sich vorher, ob es
das wirklich wert ist. Deshalb liest er lieber Zeitung, wenn du „einen Humpen
Bier“ bestellst, wie es unter Schluckspechten Sitte ist. Geht es hingegen
darum, eine deiner Töchter kennenzulernen,
dann steht er natürlich parat. Damit sind wir jetzt beim melancholischen Teil:
Geht es um nicht Zählbares, dann bleibt der Partititivus gern auf der faulen
Haut liegen. Ein Glas Wasser, eine Fuhre Mist – mit so etwas kannst du ihn
nicht locken, und sogar ein Haufen Geld lässt ihn kalt, während er sich einst
verpflichtet gesehen hätte, auch in solchen Angelegenheiten herbeizueilen. Zählbare Begehrenswertigkeiten wie Diamanten, Whiskyflaschen oder die obgedachten Töchter locken ihn aber umstandslos aus seiner Lethargie.
Die Frage ist aber, in welchem Fall Wasser, Holz und Geld dann
überhaupt stehen? Kommt drauf an. Steht dir der Sinn nach einem Becher warmem Punsch, dann im Dativ, weil einem der Sinn eben
nur nach diesem stehen kann. Greifst du dir hingegen einen großen Sack Geld, weil die Gelegenheit gerade günstig ist, da
muss man sich nicht lange fragen, was die eigene Leistung war, dann natürlich
im Akkusativ. Kurz: Der gute alte Partitivus macht Platz für keinen bestimmten
Fall. Sondern der gemeinte Stoff steht im selben Fall wie das Behältnis, der
Teil oder was immer. Damit verlieren wir die Zusatzinformation, dass alles, was
wir nehmen, verzehren, gebrauchen und so weiter nur ein Teil der Gesamtmenge
ist (hoffentlich!). Und gewinnen dafür ein bisschen sprachliche Bequemlichkeit.
Man kann natürlich darauf bestehen, dass die innere Logik nicht mehr so ganz
aufgeht. Aber spätestens, wenn du im Kaffeehaus „ein Glas Wassers“ bestellst,
merkst du, wie wichtig die Logik nicht ist. Zum Wohle!
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