Freitag, 16. November 2018

Strange Sprache

Man sei so alt, wie man sich fühlt, wird gerne behauptet, ohne dass man weiß, wieviele Lesehäschenjahre ein Menschenjährchen zählt. Ehe wir uns darin verlieren, warum es angemessen ist, sei hier im Konjunktiv zu setzen, fühlt hingegen im Indikativ, räumen wir lieber gleich mit der ganzen fehlgeleiteten Selbsttäuschung auf. Man ist nicht so alt, wie man sich fühlt, sondern so alt, wie man sich ständig fragt, warum die Leute das auf Englisch sagen oder schreiben. Es ist nämlich like this: Dein Balg, das einen kleinen grünen Gecko mit großen Augen vor zwei Jahren süß fand, findet ihn heute voll cute. Und was einst gruselig war, ist heute creepy. Damit ist man als unverbesserlicher Kraus-Leser vor ein Dilemma gestellt. Einerseits hatte Kraus natürlich recht damit, dass ein Satz, der nur aus Fremdwörtern besteht, besser deutsch sein kann, als wenn man ihn verdeutscht, sodass man seine Polemik gegen die Sprachreiniger nur unterschreiben kann.
Andererseits muss man nicht Philipp von Zesen nacheifern, der einst die Nase durch den Gesichtserker und das Fenster durch den Tageleuchter ersetzen wollte, um sich zu fragen, ob es die Ausdruckskraft steigert, wenn man aufgefordert wird, etwas je sooner desto besser zu erledigen. (Bildungsauftrag: Philipp von Zesen war ein deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts und einer der ersten deutschsprachigen Berufsschriftsteller. Aus seinem umfangreichen Werk haben Spätere, die im Barock vor allem das Skurrile suchten, gern seine Wortschöpfungen herausgepickt, mit denen er dem Deutschen zu einem genuin deutschen Wortschatz zu verhelfen hoffte.)
Denn die Durchdringung der Alltagssprache mit englischen Begriffen ist nicht auf Sprecherinnen unter 17 beschränkt, noch auch auf Fachsprache und Jargon. Dass eine Institution zur würdevollen Unterbringung von Senioren eine Heimseite hat, du und ich aber höchstens eine Homepage, darüber müssen wir nicht diskutieren. Dass von mir so mancher ein E-Mail bekommt, aber niemals eine Strompost, versteht sich ebenfalls von selbst. Auch das device erspart die umständliche Formel vom mobilen Endgerät.
Wenn wir aber woanders hinfahren, ist das dann eine Reise oder eine journey? Bis vor Kurzem schien die Antwort eindeutig, aber heute – who knows?
Irritierend ist daran für den gesetzten language user zweierlei: Einesteils die immer wieder gestellte Frage, ob man sich als hoffnungslos gestrig outet, wenn man weiterhin davon überzeugt bleibt, dass man an einem Schreibtisch sitze und nicht an einem desk.
Noch schlimmer ist aber die zweifellos ketzerische Frage, was das Ganze soll? Ist für Präzision, Konzinnität oder Ausdruckskraft irgendetwas zu gewinnen, wenn der Urlaubende auf journeys geht?
Aber halt! Wir sind ja weltoffene Kommunikationshäschen und wollen uns nicht in fehlgeleitetem Purismus verlieren. Die Frage kann nicht sein, ob englische Wörter besser sind als deutsche (fix, Oida! womit wir ein mögliches „Jugendwort des Jahres 2018“ abgehakt haben), sondern vielmehr: warum nur englische Wörter? Ab sofort ist etwas nicht mehr „so ding“, sondern je ne sais quoi, nicht mehr „köstlich“, sondern oishii. Das Auto fährt nicht mehr, es kjört. Wir gehen nicht mehr ins „Zimmer“, sondern ins chumba. Wer seine Sprache optimieren will, muss einfach nur die Rosinen aus dem linguistischen Kuchen picken. Erst wenn wir so sprechen wie der unvergessliche Salvatore im Namen der Rose, der den Kaasschmarrn bereitet, können wir sicher sein, dass wir kommunikativ unser Bestes geben: Nimm einen Kaas, nich zu alt, nich zu weich, mach klein Stückl in quadri o sicut te piace. Dann stell auf Feuer ein Topf mit un poco de burro o vero de structo fresco à rechauffer sobre la brasia. Et dentro vamos, rein mit dem Kaas, und wenn dir scheint tenerum, un peu zucharum et canella supra positurum. Fertisch. E subito in tabula, parce que ça se mange caldo caldo!
Mahlzeit.

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