Freitag, 25. Januar 2019

Rechtsprechung

O teure Häschen, euer ergebener Kolumnator muss euch heute eine Enttäuschung bereiten. Mit Recht habt ihr klare Worte zu der Frage erwartet, ob das Recht für die Politik gilt oder ob es vor der Politik brav Männchen zu machen habe. Ich verspreche: Irgendwann folgen diese klaren Worte (nicht, dass ihr sie euch nicht ohnehin denken könntet). Doch ist der Zweckdichter dieser Tage, wie vielen bekannt, doppelt engagiert, und was bleibt auf der Strecke? Die Bildung natürlich. Wie im wirklichen Leben. Deshalb gibt es zum Wochenende statt einem gut abgehangenen Verbalsteak nur einige Wordinghäppchen wie zum Beispiel das Wort „Geschäftskollegen“, das natürlich einem Feedback entstammt.
Der Leser fragt sich unwillkürlich, in welchen anderen Geschmacksrichtungen Kollegen zu haben sind. Amtskollegen, das ja, aber Amtskollegen sind ja im gängigen Sprachgebrauch eben keine: Ein Kollege ist jemand, mit dem du den Arbeitsplatz teilst. Ein Amtskollege tut das nicht, sondern er hat die gleiche Position wie du inne, aber ganz woanders. Wenn du zum Beispiel Innenminister in Österreich bist, sitzt dein Amtskollege gewiss nicht in der Herrengasse, sondern zum Beispiel in Berlin, wobei man es nicht einmal Herrn Seehofer gönnen möchte, ein Amtskollege von Herrn Kickl sein zu müssen.
Aber ein Geschäftskollege? Das könnte ein Geschäftspartner sein, ein Lieferant oder auch nur ein netteres Wort für Mitbewerb. Meine Prognose: Wir werden auch in Zukunft ohne den Geschäftskollegen auskommen.
Nun zur Justiz, und leider lässt dieser Fall nichts Gutes für die von Herrn Kickl angesprochene Problematik hoffen, weil nämlich die Rechtsprechung anscheinend präventiv mit der Inkompetenz der Endverbraucher rechnet. Aber der Reihe nach: Ein geschätzter Kunde eures Ergebenen handelt mit, sagen wir, Kohlrabi und Fleisch. Bisher verhieß seine Werbung, den Käufer erwarte gesunder Kohlrabi und gesundes Fleisch. Ein Mitbewerber (oder Geschäftskollege) konnte das nicht so stehenlassen und drohte mit Klage. Um dem zu entgehen, verhieß der obgedachte Kunde nun gesunden Kohlrabi und Fleisch, wogegen aus grammatischer Sicht nichts einzuwenden ist, weil gesunder Fleisch eben nicht zusammengehören kann. Doch ach! vor dem gestrengen, aber grammatisch unscharfen Richterauge bestand diese Lösung nicht. Er forderte die Formulierung gesunder Kohlrabi und proteinreiches Fleisch, damit auch für flüchtig lesende Konsumentinnen geklärt sei, dass das Fleisch zwar proteinreich, aber eben nicht lebensverlängernd ist. Ich finde das nicht nur bedauerlich, sondern besorgniserregend. Denn natürlich kann man sich darauf verlassen, dass die Richterschaft sorgfältig und sinnerfassend zu lesen imstande ist. Nur traut sie den Bürgerinnen und Bürgern dasselbe anscheinend nicht zu. Was das für künftige Gesetzesentwürfe aus dem Innenministerium und deren Darlegung für eine interessierte Öffentlichkeit bedeutet, überlasse ich eurer Fantasie. Schlaft gut!

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