Freitag, 12. Juli 2019

Vorher/nachher

Die Welt, o teure Häschen, ist wunderbar, nämlich so wunderbar wie der Shoppingkanal. Die dortigen Angebote zeichnen sich ja dadurch aus, dass man nicht 90 Euro zahlt, auch nicht 80, ja nicht einmal 60 Euro, leider aber auch nicht 20 Euro wie im Baumarkt. Vielmehr zahlt man 40 Euro, erhält dafür jedoch zwei Stück. So wird der TV-Shopper automatisch zum unbezahlten Vertriebsmitarbeiter, indem man für das nicht benötigte Geschenk einen Abnehmer finden muss, will man nicht irgendwann den Keller bis zur Decke mit unerwünschten Draufgaben zugemüllt haben.
Auch der türkise Messias erweist sich immer mehr als Messias 2.0. Der Messias 1.0 brauchte nämlich noch 1 Stück Bergpredigt und bei anderer Gelegenheit 1 Stück wundersame Vermehrung, um die Qualität seines Wirkens so richtig unzweideutig darzutun. (Für die nicht so Bibelfesten: Messias 1.0 genügten fünf Brote und zwei Fische, um die 5.000 zu verköstigen. Rechnet man pro Nase ein Brot und – zwecks gleichmäßiger Vermehrung – 40 % von einem Fisch, dann ergibt sich daraus ein Vermehrungsfaktor von 1.000.)
Sebastian 2.0 erledigt beides in einem Aufwasch, wie uns die einschlägigen Mediakanäle kürzlich miterleben ließen. Es wanderte nämlich Sebastian auf einen Berg – natürlich nicht in wahlkämpferischer Absicht, sondern weil ihm gerade nach Wandern war, ist ja auch schön, jetzt, wo die größte Hitz’ einmal vorbei ist, klar, dass da auch der Arbeitslose nach Höherem strebt, und sei das Erstrebte nur ein größerer Abstand zum Normalniveau (Normalniveau: auch bekannt als „Meeresspiegel“, also der Nullpunkt von Höhenangaben).
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass sich der eine und die andere Mitwandererin zu ihm gesellten. Keine Ahnung, wie das passiert ist, wenn euer Ergebener (selten genug!) auf einen Berg geht, ist immer sonst keiner da. Aber unsereiner ist halt auch nur Kolumnator und nicht die Rettung Österreichs, da muss schon ein Unterschied sein. Nicht weniger als 800 Begleiter fanden sich, die – anders als bei Messias 1.0 im Ölberg – bereit waren, mit ihm nicht nur zu wachen, sondern auch zu walken und dabei, man stellt sich das so lauschig vor, seiner improvisierten Predigt zu lauschen (die nicht wahlkämpferisch gehalten war, natürlich, mehr so allgemein menschlich-gesellschaftlich-zukunftsorientiert). Kein Wunder, dass der Segensbasti sich über dieses schöne Erlebnis betwitterte!
Ein noch glücklicherer Zufall wollte es freilich, dass die Lichtgestalt der österreichischen Politik samt ihrer Entourage von einer Webcam festgehalten wurde. Auf den Bildern waren aber nicht die ertwitterten 800 Begleiter zu sehen, sondern nur ungefähr 40. Kleingeistige User wollten darin eine unzulässige Übertreibung erkennen und warfen dem Aufsteiger Größenwahn vor. Richtig ist vielmehr: Das Gezwitscher des Sicherbaldwiederkanzlers ist aktuell vielleicht etwas dick aufgetragen, mittelfristig aber nur recht und billig. Er hat ja schließlich nicht behauptet, dass alle 800 im Fleische mit auf den Berg gegangen seien, sondern nur, dass sie „dabei“ waren. Das aber waren sie gewiss, wenn auch vorerst nur in potentia. Denn für einen wahren Heilsbringer sind 40 rechtgläubig türkise Mitgeher wertvoller als für einen herkömmlichen Politiker 800 schwarze Mitläufer. In Nullkommanix überzeugt jede dieser treuen Pilgerinnen für das Gute mindestens – nicht zwanzig, nicht dreißig, nein, zweimal fünfundzwanzig weitere, sodass also in Wahrheit nicht nur 800, sondern gleich 1.000 „Menschen da draußen“ mit dem Keineswegsmehrkanzler munter fürbass schritten. Dass 960 von ihnen auf dem Foto nicht zu sehen sind, beweist keine Übertreibung, sondern ist lediglich eine chronologische Unschärfe. Die kommen schon noch. Spätestens bei der nächsten Wahl.
Schönes Wochenende!

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