Euer Kolumnator sonnt sich ja gerne in den wärmenden Strahlen
des Ruhms, d.h. erfreut sich an der Vermutung, dass es auch außerhalb der
Bundeshauptstadt Lesehäschen gibt, die gelegentlich hier reinschauen. Was,
meine Teuren, habt ihr euch gedacht, als ihr medienweise erfahren habt, dass in
der Wiener U-Bahn derzeit testbeduftet wird, inkl. public voting über den bevorzugten Duft? Einerseits stehen dahinter
nur hehrste Beweggründe, nämlich die Attraktivität der Öffis zu steigern.
Andererseits fragt man sich, ob die Wunderbaumtaktik
dafür der richtige Weg ist. Bisher blieb die Beduftung ja der individuellen Initiative
der Fahrgäste überlassen, und ob man jetzt Irrésistible,
das gute alte Pitralon oder aber
Käsekrainer in Achselschweißbakterien zu riechen bekam, diese Frage machte
jeden Öffieinstieg um das entscheidende Quentchen spannender. Angesichts generell
steigender Temperaturen wird vielleicht bald die Frage virulent, wie vielen
Nippeln welchen Geschlechts man mit gelassener Miene ins, nunja, Auge sehen
kann? Die Hausordnung der Wiener Linien enthält nämlich wohl den Hinweis, dass
der Konsum von Alkohol in den Öffis oft Unmut erregt, schweigt sich aber
darüber aus, wie umfassend der Fahrgast seinen Körper zu bedecken habe.
Damit sind wir bei der Frage, wie die Hipster das sehen (wie
Fettes Brot das sehen, weiß man ja). Das ist leicht herauszufinden, sofern man
boshaft genug ist, um das Onlinemagazin ze.tt
als ihr Sprachrohr ernst zu nehmen. Von ze.tt war hieramts ja schon das eine
und andere Mal die Rede. Für heute genügt uns die Gewissheit, dass man sich
dort der Themen annimmt, die junge Menschen von heute umtreiben: Sind Avocados
vertretbar? Wie retten wir das Klima? Soll man auf einem Festival sein T-Shirt
ausziehen?
Zu letzterer Frage hat ze.tt, weil sie ja wirklich auf den
Nägeln brennt, eine kleine Umfrage veranstaltet. Hintergrund war natürlich nicht die Frage, ob Männer auf
Festivals ihr T-Shirt ausziehen dürfen sollen – das wäre zu platt und kündete
von einem betrüblichen Mangel an gesellschaftlichem Problembewusstsein.
Vielmehr ging es darum, ob es genderpolitisch
ein Bringer ist, wenn Festivalveranstalter ihren männlichen Besuchern
verbieten, blank zu ziehen, weil es sozial unverträglich ist, weibliche Brüste
auf Festivals dauerhaft zu entblößen und man daher als moderner Mann solidarisch
verhüllt bleiben sollte. Der Tenor unter den befragten Männern: „von mir aus“. Der Tenor unter den
befragten Frauen: „recht geschieht ihnen“.
Besonders schön die Antwort von „Anna & Fox (22)“, die in nicht weniger als
zehn Zeilen schulaufsatzmäßig zusammenfassten, worum es bei der Sache geht, um schließlich
zu dem Fazit zu gelangen, dass strukturelle Ungleichbehandlung durch eine T-Shirt-Pflicht
für Männer nicht zu beseitigen sein wird. No
shit, Sherlock! Einhaken müssen wir jedoch bei Jolan, der zu bedenken gab: Was haben wir davon, wenn sich am Ende
niemand mehr ausziehen kann, obwohl es ja viele vielleicht gerne wollen?
An dieser Stelle ist es Zeit für euren Ergebenen, sich
(nicht zum ersten Mal!) als konservativer Scheißer zu outen. Noch nie habe ich
mich bemüßigt gefühlt, mich abseits beschwimmbarer Wasserflächen in der
Öffentlichkeit „frei zu machen“. Das sei vorausgeschickt, ehe ich Jolan
erkläre, was wir davon haben, nämlich an einem Beispiel: Was haben wir davon,
wenn am Ende niemand in der Straßenbahn furzt und sich dann selber applaudiert,
obwohl es ja viele vielleicht gerne wollen? Die Antwort haben wir alle in der
Schule in Philo gelernt: Persönliche Freiheit geht vollrohr in Ordnung, solange
die Ausübung meiner Freiheit die deinige nicht einschränkt. Beziehungsweise,
wie die möglicherweise baldige SPD-Chefin Franziska
Giffey einmal gesagt hat: Die
Freiheit, deinen Arm zu schwingen, endet dort, wo meine Nase beginnt. Man
unterschätze also nicht die Anzahl der Menschen, die gerne ihre Freiheit
ausüben, in der Öffentlichkeit keine unbekleideten fremden Oberkörper zu sehen.
Das Ausziehverbot für Männer dient der Erhaltung dieser Freiheit. Schönes
Wochenende!
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