Meine lieben Lesehäschen, wie haltet ihr es eigentlich mit
dem Vegetarismus? Seid ihr klassische Grünzeughäschen oder macht ihr es eher
wie die Eichhörnchen, die, Hunger ist schließlich der beste Koch, notfalls auch
einmal ein Küken jausnen? Wo wir schon dabei sind: Wie haltet ihr es mit der
Entblößung? Schon vor Jahren musste Olaf Ney erfahren, dass die Dinge selbst auf
der Punkseite des Lebens nicht mehr so einfach sind wie einst. Wer ist Olaf
Ney? Tja, da scheiden sich jetzt die unter- von den über-30-jährigen
Lesehäschen: Olaf Ney ist der Drummer von Feine
Sahne Fischfilet, einer Band, die im nicht gerade linken MeckPomm (ja, so nennen die das in
Deutschland) so korrekt links ist, dass sie routinemäßig vom Verfassungsschutz
beobachtet wird. Vor Jahren entledigte er sich während eines Konzerts, wie
früher unter Punkdrummern nicht unüblich, seines T-Shirts, weil ihm, so er,
sehr heiß war. Da musste das Konzert
unterbrochen werden, weil nämlich im Verhaltenskodex des Veranstaltungsortes
festgeschrieben ist, dass auch Männer angezogen zu bleiben haben, weil Frauen
sowieso angezogen bleiben müssen.
Damit, o teure Häschen, darf ich herzlich einladen, mir auf
bedenklich dünnes Eis zu folgen.
Hört ihr es schon knacken?
Denn es ist ja so: Einerseits ist euer Kolumnator sehr
dafür, dass die Menschheit sich ordentlich anzieht. Zwar habe ich Verständnis
für berufsbedingtes Lockermachen, wenn man zum Beispiel Bauhackler oder eben Punkdrummer
ist. Aber schon bei Oben-ohne-Radfahrern hebt mein innerer Revolutionsgardist peinlich
berührt die Augenbraue. Das geht doch auch mit Shirt!
Andererseits – Vorsicht, Schützengrabengeschichte! – war die
Regulierung zwischenmenschlicher Bereiche (wozu der Anblick wie auch immer
gegenderter Nippel jedenfalls zählt) früher der Höflichkeit überlassen. Das heißt: Einst vertraute man darauf, dass der
Mensch sein soziales Kapital durch das stärken wolle, was als ordentliches
Benehmen galt (zum Beispiel, nicht mit nacktem Oberkörper durch die Innenstadt
zu radeln, oder das Gegenüber respektvoll zu behandeln). Zuwiderhandlung wurde
mit Verachtung geahndet. Das hatte den Vorteil, dass die meisten Leute meistens
angezogen waren und gleichzeitig Nippelspielraum
für Bauhackler und Punkdrummer erhalten blieb.
Mittlerweile darf man aber eh alles außer rauchen, Fleisch
essen und Flugzeuge benutzen. Es ist total okay, keine Türen offenzuhalten oder
mit Flip-Flops zu Geschäftsterminen zu erscheinen.
Daher haben wir das Vertrauen in die Kraft gesellschaftlicher
Anerkennung verloren. In unserer Verzweiflung schreiben wir Verhaltensregeln
als Gesetz, Hausordnung oder sonstwas fest. Mitgedacht ist die Unterstellung,
dass Vorschriften weniger diskriminierend seien als Benimm-Codes: Man kann von
jedem verlangen, die festgeschriebenen Regeln zu kennen, während bei der Beherrschung
ordentlicher Umgangsformen die privilegierten Stände, nunja, privilegiert sind.
In Wahrheit schützt bei Vorschriften Unwissenheit nicht vor Strafe, während
jemand, der einer Frau nicht die Tür aufhielt, zu seiner Verteidigung immer
noch ins Treffen führen konnte, er sei von Wölfen großgezogen worden oder habe
ein Gelübde abgelegt.
Mir scheint das ein Charakteristikum des Fundamentalismus zu sein. Der Unterschied
zwischen der burkatragenden Frau und dem behemdeten Mann ist ja weniger die
benötigte Stoffmenge, sondern die Art der Durchsetzung. Es steht (vielmehr: stand)
nirgends, dass man nicht oberhalb nackt herumzuradeln habe. Man tat es halt
nicht. Hingegen steht sehr wohl geschrieben, wer wann wo eine Burka tragen
muss.
Mithin erkennt man den konservativen
Scheißer einerseits und den progressiven
Gesellschaftsumkrempler andererseits daran, dass beide ihr Shirt anbehalten.
Der Scheißer, weil ihm in seinem Shirt egoistischerweise wohler in seiner Haut
ist. Der Kämpfer für Geschlechtergerechtigkeit würde sich nackig besser fühlen,
behält es aber an, weil es Vorschrift ist.
Schönen Sommer!
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