Freitag, 30. August 2019

Wer's braucht

Keine Sorge, teure Häschen: Trotz der Hitze schläft euer Kolumnator gut. Kürzlich träumte mir, eine Doyenne der Schauspielkunst habe Frau Rendi-Wagner „verblödet“ geheißen, weil ihr das Misstrauensvotum gegen Herrn Kurz unterlaufen ist. Dazu kann ich nur sagen, dass man nicht zu rasch mit Vorurteilen bei der Hand sein soll. Wie pflegte doch ein lieber Freund zu sagen? Es gibt keine vertrottelten Greise, die waren alle als Junge schon deppert.
Soviel dazu.
Wie die Chancen von Frau Rendi-Wagner stehen, ist eine Frage, die mancher sich kaum zu stellen wagt, und genau das ist das Seltsame. Die Frau ist gebildet, sie kann reden, sie wirkt ehrlich, sie ist herzeigbar, sie ist kompetent – was zum Geier ist da eigentlich das Problem?
Eine mir bestens bekannte Person hat dazu eine betrübliche Theorie aus dem zwischenmenschlichen Bereich: Wenn jemand mit 40 noch (oder wieder) zu haben ist, so jene Person, hat das oft einen Grund. Vielleicht liegt es also nicht an Rendi-Wagner, sondern an der SPÖ. Denn Rendi-Wagner ist vieles, aber sie ist kein Porsche und auch keine halb so alte Freundin. Es liegt nicht an dir, Pamela, es liegt an mir, der Midlife-SPÖ!
Eines muss man allerdings der Guten ankreiden: Sie hat schon mehrfach behauptet, „es brauche“ irgendwas. Leider ist „es braucht“ die All-time-Lieblingsfloskel fast aller Politiker. Nämlich aller, die in die Politik gegangen sind, weil sie es wichtig fanden, dass etwas bewirkt werde, und dazu etwas beitragen wollten, im Gegensatz zu jenen, die selber etwas bewirken wollen. „Es braucht“ sucht nach einer Rechtfertigung dafür, dass der Betreffende etwas richtig findet. Denn wer braucht, wenn es braucht? Genau: keiner, weil es hier nichts ist als ein Ersatzsubjekt, ein grammatischer Platzhalter, der nur dasteht, damit das Prädikat eine Ansprache hat. „Es braucht“ ist die Jogginghose der politischen Richtungsfindung. Wer eine Jogginghose trägt, wusste Karl L., der hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Wer „es braucht“ sagt, weiß nicht, wem er die Kontrolle über seine Politik zuschieben soll: anscheinend dem es, das irgendwo da draußen sitzt, blind, taub, aber reich an Bedürfnissen. Ich für mein Teil hätte es gern konkreter. Und weil wir gerade dabeisind: Wie lautet der Konjunktiv II von es braucht? Genau: es brauchte (und nicht: „es bräuchte“). Weil warum? Weil der Konjunktiv von der Mitvergangenheit (a.ka. Präteritum) gebildet wird und genauso aussieht wie jene. Der Konjunktiv II von er bemerkte lautet also er bemerkte, der von er brauchte heißt er brauchte. Warum sagen wir trotzdem so oft ich bräuchte? Weil der Konjunktiv von stark gebeugten Verben sich oft durch einen Umlaut vom Indikativ unterscheidet. Sie lag, vielleicht läge er lieber. Ob er wirklich log oder ob ihm nur nachgesagt wurde, er löge – wer weiß.
Erfreuliche Wahrheitsliebe hat jedenfalls unser liebster Wahlkampfverweigerer Sebi Kurz bewiesen. Denn zu der Frage, ob es angebracht sei, dass Kickl lieber die Drahtzieher des Ibiza-Videos dingfest machen will als ein schlechtes Gewissen zu haben, weil seine Parteifreunde offensichtlich völlig frei von einem solchen sind, zu dieser Frage also sprach Kurz in seinem überaus staatstragenden Interview, nachdem die Reisswolf-Affäre (ja, mit Doppel-s, ist ein Firmenname!) bekannt geworden war: Da hatte ich schon das Gefühl, dass da die mangelnde Sensibilität für den richtigen Umgang fehlt. Das muss eine herbe Enttäuschung gewesen sein, also rein menschlich, wo er doch von seinem Innenminister gewöhnt war, dass dieser mangelnde Sensibilität immer nur dort zeigte, wo sie dem Kanzler eh nicht fehlte, also zum Beispiel im Umgang mit Menschen, die garantiert schlechter dran sind als die beiden K-Kumpane.
Schönes Wochenende!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen