Freitag, 11. Oktober 2019

Zum Einschlafen


Seid ihr müde, o flauschige Lesehäschen? Verständlich wäre es, ist gar manches unter euch doch schon in den sogenannten mittleren Jahren angekommen. Euer ergebener Kolumnator kennt ein paar Menschen, die das auch von sich sagen müssen. Sie alle eint, dass sie sich ihre mittleren Jahre anders vorgestellt haben, nämlich weniger anstrengend. Deshalb ist es kein Wunder, wenn die langbewimperten Augenlider schwer und schwerer werden! Irgendwann schlaft ihr dann ein.
Was aber ist dann geschehen? Habt ihr dann eingeschlafen? Oder seid ihr eingeschlafen? Diese Fragen wurde an euren Ergebenen allerkürzlichst herangetragen, weshalb ich – Service! Service! Service! – nicht anstehen will, Brauchbares darauf zu erwidern.
Alsdann: Standardsprachlich ist die Antwort eindeutig, und einschlafen bildet Perfekt und Plusquamperfekt mit dem Hilfsverb sein, also bist du eingeschlafen.
In Österreich gilt das aber nicht uneingeschränkt, hier hat man oft eingeschlafen, zumal in jenen Regionen, in denen man schon das ganze Monat nicht einschlafen konnnte anstatt den ganzen Monat. Schließlich hat man auch geschlafen – niemand käme auf die Idee, geschlafen zu sein, warum sollte man also nicht auch eingeschlafen haben?
Antwort: Weil das eine einen Vorgang beschreibt, das andere einen Zustand beziehungsweise das Eintreten eines solchen. Die Regel ist, wie so viele interessante Dinge im Leben, nicht immer zuverlässig, also dreht eurem Kolumnator keinen Strick daraus.
Doch tatsächlich bildet man das Perfekt häufiger mit sein, wenn ein Zustand oder der Übergang zwischen zwei Zuständen zu beschreiben ist: Jemand oder etwas ist aufgewacht, gewachsen, verendet, gestürzt. Danach ist ein neuer Zustand erreicht: Man ist wach, größer, tot oder liegt herum. Sein ist auch für allerlei Wörter zuständig, die mit Bewegung zu tun haben, also dem Übergang von hier nach dort: Ich bin gegangen, geeilt, gefahren, geschlichen und so weiter. Danach bin ich woanders als vorher.
Haben kommt hingegen zum Zug, wenn es um einen Vorgang, eine Tätigkeit geht: Du hast gemalt, gegrübelt, geschlafen, tachiniert, kolumniert oder prokrastiniert. Im Mittelpunkt steht das, was du getan hast. Das führt zu feinen Unterscheidungen wie jener, ob man die Promenade entlanggetänzelt ist, wie unsereiner das gern zwischendurch zu tun pflegt, oder ob man Walzer getanzt hat, nämlich in dem Tanzcafé am Ende der Promenade. Im ersteren Fall geht es um die Ortsveränderung, die Entlang-Bewegung, im letzteren um die Tätigkeit, einen Tanzschritt ordentlich nach dem andern zu machen.
Unscharf – oder umso schärfer – wird die Sache an spezifisch österreichischen Formulierungen. Denn hierzulande ist man, anders als in Deutschland, gesessen, gestanden oder gelegen. Das ist auch recht und billig, denn wenn man herumsteht, tut man ja weiter nichts, während man anscheinend im nördlichen Nachbarland der Ansicht ist, dass Sitzen schon eine Tätigkeit sei. Soviel zum deutschen Fleiß, jaja, so kann man sich täuschen.
Schönes Wochenende!

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