Freitag, 4. Oktober 2019

Schleimig

Wir haben uns, o vielgeliebte Lesehäschen, ja schon des Öfteren damit befasst, ob etwas „umgangssprachlich“ sei. Doch gibt es immer noch etwas Neues zu lernen, und ich will nicht anstehen, euch eure ohnehin zartrosa strahlenden Schnäuzelchen noch ein bisschen mehr zu polieren, auf dass ihr damit essen könnet, wie auch der Schnabel gewachsen ist. Je nun.
Wir fangen mit einer Rätselfrage an. Wie lautete der folgende Satz, ehe er optimiert, bereinigt und überhaupt salonfähig hergerichtet wurde?
Die ideale Ergänzung zu Ihrem knusprigen Schnitzel ist ein weißer Spritzer.
Auf den ersten Blick könnte man glauben, das hänge von der politischen Ausrichtung ab ab. Die FPÖ-Kernzielgruppe konsumiert vielleicht zum Schnitzel lieber drei Bier, der Grüne statt dem Schnitzel einen Grünkernbratling, aber dafür zwei Spritzer, und so weiter. Aber da habt ihr leider nicht aufgepasst: Der Satz, so wie er dasteht, ist schon der Gute. Wir suchen die mangelhafte Urversion. Wartet nur, gleich wird es euch wie Schuppen von den Augen fallen!
Nämlich hieß der Satz, ehe er kunden- (und ja, auch: kundiger-!) -seits optimiert wurde:
Die ideale Ergänzung zum knusprigen Schnitzel ist ein weißer Spritzer.
Diese Fassung ist aber, so ward euer Ergebener beschieden, „zu umgangssprachlich“. Man muss für solche Erhellungen dankbar sein. Nur zu oft werden ja Texte aus unerfindlichen Gründen geändert. Wie erfrischend ist es doch, wenn der unerfindliche Grund so klar benannt wird! Gleich tun sich neue Möglichkeiten sprachlicher Nuancierung auf. So ist nun klar, dass man von einem Bierzelteinpeitscher vor der Wahlrede des Kandidaten zum Lachen gebracht wird, sodass einem vor lauter Schenkelklopfen der Humpen aus der Hand rutscht und man dann mit einem verdächtigen Fleck im Schritt herumhocken muss.
Der feinsinnige Doyen des Kabarettismus hingegen bringt einen natürlich nicht so ordinär zum Lachen, sondern mit gehobenem Humor zu Ihrem Lachen oder wahrscheinlich zu Ihrem Schmunzeln. Auch passt zum Wurstsemmerl ein Cola, während wir Ihnen zu Ihrem Gruß aus der Küche gern ein Proseccerl kredenzen.
Gerne bestätige ich auch, was sich hoffentlich das eine oder andere Lesehäschen schon gefragt hat: Ja, diese Perle ist auf derselben Austernbank gediehen, von der wir schon gelernt haben,
dass das Wort „vorbereitet“ langweilig ist,
dass das Wort „Geschäftskollegen“ existiert
und dass man „einen Bonus einlösen“ kann.
Noch lieber bestätige ich, dass ich den Vergleich mit der Austernbank nicht zufällig gewählt habe. Denn euer Zweckdichter weilte einst im Orient, genauer gesagt, in Taiwan. Dort ließ es sich ein befreundeter Einheimischer nicht nehmen, ihm eine örtliche Spezialität zwecks Verkostung vorzusetzen, nämlich das unter Kennern gefürchtete Austernomelett. Gefürchtet ist es nicht etwa geschmackshalber (da kann man nicht meckern), sondern ob seiner Konsistenz, weil man nämlich beim Essen nie weiß, ob das Schleimige jetzt Auster oder Ei ist. So kann es einem auch mit Feedback wie dem eben Besprochenen gehen, indem man sich fragt, ob eher eine kognitive oder eher eine charakterliche Schwachstelle dafür verantwortlich war. Schönes Wochenende!

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