O allzu distanzierte Lesehäschen, euer treuer
Kolumnator kennt sich nicht mehr aus. Wie dieser Tage der Presse zu entnehmen
ist, wackeln anscheinend Wahltermine im Herbst. Denn es sei nicht
gewährleistet, dass die Wahlberechtigten sich mit hinreichenden Informationen
über die wahlwerbenden Parteien versorgen könnten, um eine qualifizierte
Entscheidung zu treffen. Das ist Expertensprech für: „In Coronazeiten kann man keinen ordentlichen Wahlkampf führen.“ Darauf
kann ich als Teilzeitexperte für alles, was sonst keinen interessiert, nur erwidern:
„Habt ihr in letzter Zeit mal Nachrichten
geschaut?“
Mindestens ein Parteihäuptling tut offensichtlich seit
Anfang März nichts anderes als wahlzukämpfen. Allein der schöne Auftritt im Kleinwalsertal
entschädigt für so manches, vom traurigen Papstsegen im Lockdownmodus bis zum
Ausfall der Seeprozession in jenem
Hallstatt, das zwar – auch interessant – weit mehr chinesische Touristen zu
verzeichnen hatte als jedes andere Dorf der Welt, einschließlich chinesischer Dörfer, bis heute aber keine einzige
Covid-Infektion.
Unser Bundeserlöser, das ist ja auch nicht unwichtig für
einen Politiker, hat einfach ein glückliches Händchen dafür, im Grünen mit dem
Wahlvolk Kontakt aufzunehmen. Unvergessen ist sein Ausflug im Juli 2019:
Sebastian Jessasmaria Kurz wollte nur ein bisschen wandern, um sich von der
Last des Nichtregierens abzulenken, und hastunichtgesehen, schon waren 800 treue
Mitwanderer da, die ihm dabei Gesellschaft leisteten, eine Ruhe zu haben. In
Wirklichkeit waren es, wir erinnern uns, nur 40, aber das war keine Übertreibung.
Vielmehr wusste der nachmalige Erlösekanzler
schon damals, dass uns einst das Distancing
blühen würde. Wo heute 40 in seinem Namen beisammen sind, zählen sie ungeschaut
für 800, und das war damals nicht anders.
Der große Unterschied zwischen der Bergpredigt 2019 und dem Virenkreuzweg
2020 liegt darin, dass Kurz damals nicht Kanzler war und großen Wert darauf
legte, dass er sich auch nicht wahlkämpferisch betätigte, sondern sich einfach
unschuldig (auch dies im Sinne Jesu: Wenn
ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht das Kanzleramt erlangen!)
darüber freute, dass so viele Kumpaninnen und Kumpane mit ihm fürbass
schritten. Heute hingegen ist er sehr wohl Kanzler, hat aber sich und uns die
Peinlichkeit erspart, zu behaupten, dass die Coronakrise ihm kein willkommener
Anlass sei, die Wiederwahl zu sichern. Man sieht daran, dass man durch
Schweigen nicht nur lügen kann (indem man es unterlässt, eine bestehende
unrichtige Auffassung zu korrigieren), sondern auch die Wahrheit sagen.
Ich für mein Teil sehe keinen Grund, irgendwelche
Wahltermine zu verschieben. Es sollten sich halt die anderen Politikerinnen und
Politiker ein Beispiel nehmen und sich ebenfalls bemühen, über ihre Ansichten
und Ziele so zu informieren, wie Kurz das tut, wenn er zum Beispiel den
Kleinwalsertalern großherzig verzeiht, dass sein Besuch schlecht vorbereitet
war. Wenn sich die anderen da nur ein bisschen mitspielen, traue ich mir
allemal zu, am Wahltag ein entschlossenes Kreuzchen zu malen.
Schönes Wochenende!
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