Freitag, 8. Mai 2020

Reue

Schon wieder, o teure Distanzlesehäschen, sind gleich drei Wochen nur so verflogen! Der geübte Prokrastinator findet ja im Lockdown so recht zu sich selbst. Freilich müssen die Umstände dafür auch die richtigen sein. Wie letzte Woche schon angedeutet, ist es zum Beispiel nicht jedem gegeben, sich mit GNTM die Zeit zu vertreiben. Euer Kolumnator zum Beispiel assoziiert den Namen der Kandidatin Maribel aus rätselhaften Gründen mit einer Frischkäsemarke, und diese wieder mit dem, was aus dem eigenen Gehirn wird, wenn man lange genug nicht nur GNTM, sondern die folgende Dokumentation über die Hintergründe des GNTM-Geschehens auf sich wirken lässt, die in der GNTM-Sendung selber nicht hinreichend gewürdigt werden können – wie der faule Diplomand auch heute noch gern schreibt: Das würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Andere kommen aus anderen Gründen nicht so viel zum Tachinieren, wie sie gerne würden. Manchmal wirkt hier ein Druckfehler erhellend, wobei „erhellend“ hier nur heuristisch, keineswegs aber moralisch zu verstehen ist, blickt man doch in jenen charakterlichen Abgrund, den das Coronabeben in einem bisher unauffälligen Menschen aufreißen kann. Es ging um einen – im Zivilberuf – Plattenladenbetreiber, der dem Plattenverkauf natürlich nicht nachgehen konnte. Was tat er stattdessen, so der Standard?
Etwas Schlimmes: Er bereute als Hauslehrer seine beiden Kinder.
Weit ist es gekommen! Früher waren Kinder unsere Zukunft, jetzt sind sie es immer noch, aber möglicherweise eine sehr kurze, wenn man nämlich zur Risikogruppe gehört und das Balg symptomfrei überträgt. Kein Wunder, wenn die Reue nicht weit ist.
Was tut man, wenn man keine Fortpflanzung zu bereuen hat? Wenn man den sozialen Medien glauben darf, gibt es zweieinhalb große Betätigungsfelder.
Das halbe ist die Erzeugung von ursuperen und voll professionellen Videos, die zeigen, was man zuhause für lässige Sachen machen kann, mit Stop-Motion, gemeinsamem Gesang und weißichwasalles – ganz ehrlich: Wem im Lockdown so schnell so fad wird, dessen Bekanntschaft entbehre ich gerne.
Die beiden ganzen Betätigungsfelder sind Sauerteigmanschen (eher männlich, und ja, auch euer Ergebener hat da seine Finger im Spiel) und Haarefärben (eher weiblich, auch hier durfte der Zweckdichter niedrige Hilfsdienste leisten).
Wenn man für beides zu faul, zu eitel (zu uneitel) oder zu glutenintolerant ist, springt man einfach auf den dritten großen Trendzug auf und ignoriert sein Haupthaar. Nämlich haben wir eine große Lüge gelebt, indem wir uns um Haarpflege bemühten. Viel gesünder, so haben es uns ja auch alle großen Friseurentbehrer von Robinson Crusoe abwärts vorgelebt, ist es, mit seinen Haaren einfach gar nix zu machen. Also, Kämmen oder so, das schon, aber sonst: einfach abwarten. Nach zwei Wochen sind die Haare gesund wie Nusskerne. Wenn der Lockdown noch lange genug dauert, erlangen sie ein Bewusstsein und beherrschen irgendwann Kreuzstichstickerei und Kurvendiskussion. Das werden herrliche Zeiten.
Bevor wir zum Schluss kommen, noch eine Frage: Warum hat die Wendung sich die Haare wachsen lassen zwei völlig konträre Bedeutungen? Da kennt sich ja keiner aus. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen