Willkommen zurück, o vernünftige und distante Lesehäschen! Euer Kolumnator ist – hoffentlich endgültig – aus dem Coronaland heimgekehrt. Wollt ihr wissen, wie es dort war? Anders als vermutet, soviel ist sicher. Denn einst (so um den 50. März 2020, und heute ist erst der 412.) – einst also ward uns versichert, es sei ganz, ganz wichtig, die Infektionsketten nachzuvollziehen, auf dass man sie unterbreche.
Ist ja auch klar: Wenn du wissen willst, wo du das in langen Lockdownnachmittagen liebevoll im Geiste Bob Rossens (there are no mistakes, just happy little accidents) gepinselte Nacktselbstportrait aufhängen kannst, ohne dass es abends in der Hütte dunkel bleibt, dann solltest du herauskriegen, wo die Stromleitung ist, ehe du den Nagel einschlägst. Und wenn du deinen Dackel retten willst, ehe ihn der Dachs dauerhaft einbuddelt, dann musst du wissen, wo die Gänge des Baus verlaufen. (Wer jagdlich jetzt nicht so versiert ist: Der Dackel heißt so, weil er einst für die Dachsjagd gezüchtet wurde, und die Tieferlegung des Dackelgestells soll das Einfahren in den Dachsbau erleichtern. Der Dachs ist aber ein boshaftes Viech und es kommt durchaus vor, dass er den ungebetenen Dackel bei lebendigem Leibe eingräbt, weshalb der kluge Jäger rechtzeitig mit dem Spaten bei der Hand ist.)
Der Dackel profitiert davon, dass für den Dachs zwar von Jänner bis Mai Schonzeit gilt. Die Dachsdaten sind aber ganzjährig Freiwild, sodass man ohne weiteres eruieren darf, wo der Dachs und seine Gänge sich befinden.
Anders steht es um die Menschendaten, die als höchst schutzwürdiges Gut gelten, was allen, die Corona härter erwischt, als tröstliches Glück im Unglück bleibt: Deine Daten, mein Guter, sind so sicher wie eh und je, auch wenn es deine Zellen nicht sind.
Deshalb, so die Vermutung eures Ergebenen, war das „Tracing“ vielleicht einmal wichtig. Doch jetzt ist komplett nebbich: Wenn du als Infektionsfall agnosziert bist und von der zuständigen Stelle gefragt wirst, wo du dich angesteckt hast, und du dann antworten kannst: „Ich vermute stark, es war bei einer inoffiziellen Party, wo wir uns zwei, drei Stunden angetschechert und zwischendurch die Zungen in den Hals gesteckt haben. Daran teilgenommen haben außer mir folgende Personen Doppelpunkt.“ – dann freut man sich höchstwahrscheinlich, kontaktiert die Betreffenden und teilt ihnen mit, dass das mit dem Zungeindenhalsstecken nicht so die Königsidee war.
Sagst du hingegen: „Hm, das könnte in der Seilbahn geschehen sein, mit der ich in letzter Zeit immer wieder mal gefahren bin, wenn auch natürlich vorschriftsgemäß maskiert etcetera.“ – dann erwidert die Tracingstimme: „Also unbekannt.“ Und dein Tracing ist beendet. Denn es waren zwar du selbst und wenigstens die Hälfte der anderen Passagiere bei jeder Fahrt mit einem nicht übertragbaren Saisonticket unterwegs, sodass die Seilbahngesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt weiß, dass der und die und der auch gemeinsam mit dir unbewusster Virenschleuder in der Gondel waren. Sie muss das aber ganz schnell wieder vergessen. Denn das Virus, so die Logik, ist irgendwann besiegt. Das Datum aber, dass du am soundsovielten Mustermonat um neunuhrdreißig mit einer ganz bestimmten Gondel gefahren bist – wenn diese Katze einmal aus dem Sack ist, fängt sie keiner mehr ein. Man mag sich gar nicht vorstellen, was da alles passieren könnte, wenn das herauskommt!
Obwohl: Ein bisschen mag ich es mir schon vorstellen. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in 99,99 % der Fälle pforzpiepegal wäre, nur dass man halt, wenn man solche Daten weniger porzellankistenartig behandelte, eventuell die Chance hätte, tatsächlich hin und wieder die eine oder andere Infektionskette nachzuvollziehen. Nur so ein Gedanke. Man könnte ja die Schonzeit für Daten wieder ausrufen, wenn wir diesen Pandemiescheiß im Griff haben. Dachse gibt es auch immer noch reichlich, obgleich sie sieben Monate im Jahr gejagt werden dürfen.
Einstweilen seien euch Gesundheit, gegebenenfalls ein milder Verlauf und jedenfalls ein schönes Wochenende herzlichst angewunschen!
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