Freitag, 23. April 2021

Untypisch

 

Wie, o teure und medial stets auf dem Quivive befindliche Lesehäschen, geht es denn zur-sache.at, dem sogenannten Blog, den sich die ÖVP angeblich wachsen hat lassen, um „die Diskussion zu versachlichen“, was in der Praxis darauf hinausläuft, dass ÖVP-Politiker Beiträge von zur-sache.at teilen, damit bei Unbedarften der Eindruck entstehe, ein journalistisches Medium habe etwas Positives über das Gebaren der türkisen Reichshälfte zu sagen?

Antwort: den Umständen entsprechend. Weshalb der Chef dieser Veranstaltung, Claus Reitan, sich als erfahrener Journalist den Schmarren antut, ist ein Geheimnis, das hoffentlich nur er selber kennt, denn wenn es jemand von der ÖVP weiß, dann ist das auch schon die Antwort darauf, warum er mitspielt.

Dass seine beiden Schackln hoffen, hier parteiintern zu punkten, ehe sie 25 werden, liegt auf der Hand. Unterwindet man  sich tatsächlich der Lektüre ihrer Beiträge, stellt man – wenig überraschend – fest, dass ihre Pöstchen offenbar nach dem Prinzip „schreiben kann eh jeder“ besetzt wurden. Wer hier ein Kopfgeld auf gerade Sätze aussetzt, muss ebensowenig die Verarmung fürchten, wie jemandem, der sich bei jeder von einer gesellschaftlichen Vision getragenen Aussage des Kanzlers einen Schnaps genehmigt, der Weg in die Trunksucht vorgeizeichnet ist.

Sucht man hingegen die geschossenen Böcke auf, so findet man sich in einem, wie der Engländer sagt, target-rich environment wieder. Man muss sich schon fragen, auf das Niveau welcher Zielgruppe man sich begibt, wenn davon die Rede ist, dass bei uns höhere COVID-Unterstützungen ausgezahlt werden „als wie in Deutschland“. (Antwort: 23-jährige Möchtegern-Politkarrieristen, denen bei so mancher Klassensprecherwahl noch übler mitgespielt wurde als bei der Deutschschularbeit.) Auch der fast vergessene Babyelefant trabt noch durch die Sätze, wenn etwa von einem „pro Kopf Schlüssel“ die Rede ist, in dem jedes Wort vom anderen brav Abstand hält, weil der „Redakteur“ gefürchtet hat, durch die naheliegende Koppelung mit Bindestrichen eine Infektionskette zu provozieren.

Unlustig wird es, wenn dem wahrhaftigen Journalisten Florian Klenk unterstellt wird, er habe Angehörige von Personen, die vor dem Ibiza-Ausschuss befragt werden, in sozialen Medien persönlich beleidigt, was zwar ein Blödsinn ist, womit sich aber der „Redakteur“ die Rutsche legt, um wiederum Klenk als „Kollegen“ zu beleidigen. Dieser Peter Stöckl ist jemand, der kraft seiner journalistischen Expertise nichts dabei findet, Sätze wie diesen zu schreiben: „FMA-Vorstand Helmut Ettl wird in Commerzialbank-Skandal als Beschuldigter geführt.“ Wir haben zwar in den vergangenen Monaten allerlei Erstaunliches über die österreichische Justiz gehört. Dass sie aber neben Instituten wie dem Zivil- und dem Strafprozess auch den „Skandal“ kennt und dass man in einem solchen „als Beschuldigter geführt“ werden kann – um das zu lernen, haben wir die versachlichende Kraft von „Zur Sache“ gebraucht, welches Organ man nur dankbar darauf hinweisen kann, dass „im“ Commerzialbank-Skandal sich noch graziöser läse als „in“.

Leider sind nicht alle Beiträge von „Zur Sache“ namentlich gezeichnet. Nur zu gerne wüsste man, wem wir die Aufklärung verdanken, was das Ziel des „Girls’ Day des Bundes“ ist: dass nämlich Mädchen „in Ministerien und anderen Institutionen Einblicke in für sie untypische Berufsfelder […] bekommen.“ Gut zu wissen, dass der offizielle Blog der Neuen ÖVP ein Ministerium als untypisches Berufsumfeld für Mädchen sieht. Schönes Wochenende!

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