Freitag, 19. November 2021

Für mindestens 18-Jährige

 

Leider, o teure und zweifellos flächendeckend immunisierte Lesehäschen, kam der Rat eures Ergebenen, wie man die Impfrate durch wohlerwogene Gamification eventuell steigern könnte, zu spät. Man sieht an den aktuellen Ereignissen, dass in der türkisen Volkspartei die christlichen Elemente stärker sind, als man dachte. Heißt es doch im Matthäusevangelium:

Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Hier ist offensichtlich von den immer häufigeren Konflikten die Rede, die Familien in Impfwillige und Ungeimpfte spalten. Indem die Regierung diesen durch eine Informationspolitik Vorschub geleistet hat, die darauf ausging, jede Seite gegenüber der anderen lächerlich zu machen, hat sie also nicht mehr als gut christlich gehandelt. Dass die Kluft im Land nur noch durch einen Lockdown zu schließen ist – was soll’s. Ist nicht der erste, wird nicht der letzte sein.

Die nächste Frage ist nun, wie diese gesellschaftliche Realität sich im Deutschen abbilden lässt. Denn wenn der Genderstern recht ist, so kann es nur billig sein, auch sprachlich das Trennende über das Verbindende zu stellen. Deshalb: Weg mit dem Bindestrich! War er einst eine willkommene Prothese für Leute, die ihren Lesern nicht zutrauten, mehrsilbige Wörter zu verarbeiten, sodass aus der Marketingkonferenz im Handumdrehen eine mundgerechtere Marketing-Konferenz wurde, so ist er nun ein lästiges Überbleibsel aus einer Zeit, als man noch dachte, es sei wünschenswert, Dinge zusammenzubringen. Wer wagt es, endlich zu trennen, was auseinandergehört?

Antwort: Ein lang geschätzter Kunde eures vielgeprüften Zweckdichters. Dort gibt es weiterhin Wörter mit Bindestrichen und Produktnamen ohne solche, weil es halt viel cooler ist, einen Business Schraubenzieher zu ergreifen als einen Business-Schraubenzieher. Nichts ist aufgeräumter als die Leere, und horror vacui sowieso total 1975, als man noch alles mit Blumenmustern anräumen zu müssen glaubte. Heute dagegegen: skandinavische Schlichtheit. Doch wie wir wissen, gibt es nicht nur Rule 34: There’s porn of it. Es gibt auch too much of a good thing, beziehungsweise in diesem Fall too wenig of a thing, das notwendig wäre. Bei eigenen Produktnamen darf sich ja jeder aussuchen, ob er die mit Bindestrich, Doppelpunkt oder Heftpflaster schreibt. Wenn aber ein Whiskyhersteller seinen „12jährigen“ Stoff anpreist, ist das schon falsch, weil Buchstaben und Zahlen nicht so einfach zusammenpassen, das ist wie Lego und Fischertechnik, da brauchst du einen Bindestrichadapter.  Spricht er gar vom „12 jährigen“, dann stellen sich zart die Haare auf. Wollte er uns nicht mitteilen, die Plörre sei zwölf Jahre alt? Warum dürfen die 12 und die Jahre dann nichts miteinander zu tun haben? Auch eine „ph neutrale“ Seife ist eine orthographische Sauerei, da nützen alle Tenside nichts, das wird nicht mehr sauber. Beziehungsweise eben schon: Die Wörtervereinigung ist so jugendfrei, dass sie praktisch gar nicht stattfindet. Wenn zwei Wörter sich schon so fest liebhaben, dass sie ein neues machen, darf man das auch ruhig sehen. Deshalb, o meine Teuren, her mit dem Bindestrich, damit die Wörter sich wieder zusammenferkeln können, als gäbe es kein Morgen, dafür ph-neutral, 70-jährig und Cr6-frei.

Schönen Lockdown und schönes Wochenende!

 

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