Freitag, 26. April 2024

Drauf

 

Wie, o substanzunabhängig fröhliche Lesehäschen, war das eigentlich früher mit den Drogen? Besser gesagt: ohne Drogen? Die Frage verdanken wir dem Zweckdichterbalg, das menschliches Verhalten mit gleichbleibender Neugier und wechselnder Verblüffung betrachtet. Zwar heißt es immer, dass die Menschheit von Anbeginn lustige Sachen zu sich genommen hat, und wahrscheinlich hat sie damit nicht einmal bis zur Menschwerdung gewartet. Schließlich wissen wir, dass das südostasiatische Baumspitzhörnchen vom fermentierten Nektar gern einen über den Durst schluckt, dass junge Seidenschwänze im Gegensatz zur gern zitierten Weisheit eben nicht wissen, wann es mit den vergorenen Vogelbeeren (yummy!) genug ist und dass Rentiere so viele Fliegenpilze vertragen, dass man sogar noch von ihrem Urin high wird. Dieser ist natürlich Schamanen vorbehalten, während das Fußvolk wiederum auf dessen Urin warten muss, der auch noch ordentlich kickt. I shit you not. 

Nun hatte man aber die längste Zeit nur die Wahl zwischen alkoholartigem Zeug, d.h. bei hinreichendem Konsum braucht man was zum Festhalten und sollte lieber keine Entscheidungen irgendwelcher Tragweite treffen (Bier, vergorene Vogelbeeren, Marihuana). Und acidartigem Zeug, d.h. man erlebt interessante Dinge und ist außerstande, Entscheidungen von irgendwelcher Tragweite zu treffen (Rentier-auf-Fliegenpilzen-Urin, Ayahuasca, Spezialschwammerln). 

Man musste aber ohne Substanzen auskommen, die einen so richtig lässig berauschen, wie auch ohne solche, dank derer man sich großartig und der Welt einen Haxen auszureißen ohne weiteres imstande fühlt. Wenn man sich die Weltgeschichte so anschaut, fragt man sich, wie das funktionieren konnte, und stellt fest: Die wichtigste Voraussetzung dafür, sich in die Weltgeschichte dauerhaft (wenn auch nicht immer erfreulich) einzuschreiben, bestand weniger in Charisma oder Zielstrebigkeit als vielmehr darin, sich weitgehend nüchtern aufzuführen, als hätte man gerade am Plumpsklo eine Line gezogen, und zwar nicht die erste des Tages. An herausragenden Persönlichkeiten von Alexander bis Napoleon vermag manches zu verblüffen, aber wahrscheinlich nichts so sehr wie die Tatsache, dass sie das alles weitgehend nüchtern vollbracht haben. Wir lernen daraus, dass man nicht nur ohne Alkohol fröhlich, sondern auch ohne Kokain größenwahnsinnig sein kann. 

Zum Abschluss erinnern wir uns eines wunderbaren Reims:

LSD und andere Drogen

Wirken stark halluzinogen.

Schönes Wochenende!

Freitag, 19. April 2024

Unschuldig

 

Eine euch natürlich bestens bekannte englische Wendung, o polyglotte Lesehäschen, behauptet, es gebe guilty pleasures, also Genüsse, die weniger unschuldig sind als andere. So weit, so gut, doch damit sind nicht etwa Vergnügungen gemeint, in deren Verlauf andere gegen ihren Willen zu schaden kommen. Es bedeutet bloß, dass sich hier jemand unter seinem Niveau verlustiert. Das scheint dem Zweckdichter sonderbar. Zum Beispiel kocht er gern und oft, und zwar nicht nur, weil er gern und oft in Gesellschaft isst und die Gesellschaft dazu eher bereit ist, wenn man ihr etwas halbwegs Genießbares hinstellt. Nein, Kochen macht einfach Spaß, weil man dabei (zumindest, wenn man weiß, was gut für einen ist), nichts anderes tut, genauso wie beim Snowboarden oder beim Rasieren mit dem Messer (auch dies, wenn man weiß, was gut für einen ist). Welches Leben zum Multitasking beim Kochen führt, zeigt die Schlusssequenz von Good Fellas, in der Henry Hill noch für die erweiterte Familie Polpetti kocht, während die FBI-Hubschrauber schon über im kreisen und er nebenbei seine Waffensammlung entsorgt. Lieber nicht.

Doch wir schwiffen ab. Neben seiner Schwäche fürs Kochen hat euer Ergebener auch eine

für Chips mit Ketchup sowie für Dosenravioli. Erstere gehen immer, letztere zumindest alle paar Monate. Das Zweckdichterbalg wiederum schätzt gute Filme und liebt außerdem Reality auf RTL (das N steht bekanntlich für Niveau).

Soll man sich deshalb ein schlechtes Gewissen machen?

Gewiss nicht. Woher wüsste man, was das eigene Niveau ist, wenn man es nicht hin und wieder von unten betrachtete? Vor langer Zeit war euer Kolumnator mit einer ausgewiesenen Hardcore-Cineastin im Kino und sah dort einen Schwarzweiß-Klassiker. Keine Ahnung mehr, was es war, wahrscheinlich ein Film noir wie Billy Wilders Double Indemnity oder etwas in der Art. Die Cineastin sah sich außerstande, das Meisterwerk zu genießen, weil sie, wie sie nachher erklärte, infolge häufigen und ausschließlichen Konsums avantgardistischer Streifen (so sagte man früher zu Filmen, wenn man cool war) mit herkömmlichen Erzählmustern nichts mehr anfangen konnte, ja geradezu ratlos davor stand.

Damit es nicht so weit kommt, sind hin und wieder Dosenravioli fällig. Dies ist vermutlich auch die Funktion populistischer Parteien im Ökosystem der Politik: Man muss verkosten, wie Politik schmeckt, die größtenteils aus Konservierungsmitteln, hochverarbeitetem Getreide, naturidentischen Aromastoffen, diversen E-s, Fett und Zucker besteht (Emulgator: Herbert Kickl), um schätzen zu lernen, dass es Besseres gibt. Es ist lauter schlechtes Zeug drin, damit man woanders das Gute wieder findet (was freilich nicht immer leicht ist).

Ach ja, von letzter Woche bin ich noch schuldig, warum das Revival des Faxgeräts fällig ist: Ich kenne eine Firma mit über 100 Mitarbeitern, die einen solchen Apparat zu genau einem Zweck noch in Betrieb haben: um vormittags in der nahen Metzgerei die Wurstsemmeln für die Jause (für Vorarlberger: Z’Nünar) zu bestellen.

Schönes Wochenende!


Freitag, 12. April 2024

Reflexiv

 

Der Winter fiel heuer günstig auf ein Wochenende, der Sommer begann Anfang April, und Robert Kratky verdient gut. Das alles war zu erwarten und geht vermutlich auch in Ordnung. Immerhin ist Robert Kratky der Cashcowmoderator des Cashcowsenders Ö3. Hat man also erst einmal akzeptiert, dass eine Medienanstalt öffentlichen Rechts eine Cashcow betreibt, um die Gebührenzahler zu entlasten, dann ist es auch klar, dass dortige Stars für ihr Tun korrekt entlohnt werden wollen. Und so schlimm ist es ja nicht: Immerhin hat Florian Silbereisen, der hauptsächlich aus demselben Grund im Fernsehen ist wie ein Schmierfleck in deinem Lieblingsshirt (er geht nicht mehr raus), anscheinend allein vom MDR im vergangenen Jahr doppelt so viel Honorar bezogen wie Kratky vom ORF, in einem ähnlichen Einzugsgebiet und für viel weniger Shows. Kratky muss ja sogar früh aufstehen, das ist praktisch an der Grenze zum Schichtarbeiter. Dass CEOs in staatsnahen Betrieben wie der Post für ein Kratkygehalt bestensfalls ihren Schwager ins Büro schicken würden, versteht sich von selbst, kümmert aber sonderbarerweise niemanden.

Auch haben wir kürzlich gelernt, dass die FPÖ die Republik medial zu unterwandern plante. Weitere breaking news betrafen die Bläue des Himmels und die Nässe des Wassers. 

Damit nun endlich wieder einmal zu einem sprachlichen Problem, etwa in einem Satz wie diesem:

Ich gelobe, dass ich die Regeln der Agentur beachten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte.

So weit, so klar, hätte sich euer Ergebener gedacht. Werbeagenturen sollten endlich Eidesformeln einführen und zurück zum Faxgerät finden – dazu gleich mehr.

Es fand sich aber im Internet (wo sonst) einer, der anderer Meinung war: Die Agentur erscheine nur als nähere Bestimmung der Regeln, daher könne sich Folgendes höchstens auf die Regeln, nicht aber auf die Agentur beziehen. Ein solcher Rückbezug sei nur zu einem ausgewachsenen Objekt möglich, während attributives Gesocks so überfordert mit dem Empfang des Rückbezugs wäre wie der DPD-Bote mit der Bedienung eines handelsüblichen Klingelschilds.

Wenn ihr mich fragt, scheidet sich hier die Spreu der Regelgläubigen vom Weizen jener, die stets eingedenk sind, dass ein Satz nicht nur aus Grammatik, sondern auch aus Bedeutung besteht (hoffentlich). Wer seine Tassen im Schrank hat, dem ist klar, dass der Agentur kein Schaden erwachsen soll. Nun noch eine Schweigeminute für die GIS, obgleich sie leider nicht von uns gegangen ist, sondern nur irgendwie anders heißt.

Schönes Wochenende!