Morgen, o Lesehäschen, beseelt von Patriotismus mit Augenmaß, ist Nationalfeiertag, was immer das heißen mag. Wenn man seinen Augen trauen darf, feiern wir hier weltmeisterliches Betonieren, kurzsichtige Fremdenfeindlichkeit und die Sorte Neutralität, die sich darauf verlässt, dass sich schon jemand anderer darum kümmern werde. Also alles wie immer, nur mit Kickl. Hier stellt sich vor allem die Frage, was die bessere Verballhornung für den Namen des Vielleicht-doch-nicht-gleich-Volkskanzlers sei: Neigt ihr zum Kicklchen, das zwar interessant kontrastreiche Assoziationen zum Meerschwein- und Eichhörnchen (besonders letzterem!) weckt, uns aber im Schriftbild eine geradezu bäurisch unelegante Aneinanderreihung von fünf Konsonanten aufs Auge drückt?
Oder greifen wir doch lieber zum Kickerl, das österreichische Herablassung ohne unerwünschte Niedlichkeit bietet, allerdings die Vorarlberger außen vor lässt und irgendwie nach freundschaftlicher Fußballpartie klingt?
Ich bin sicher, die Zeit wird es weisen.
Apropos „Zeit“ und „bäurisch“: Die ZEIT hat einen norddeutschen Bauern ein Jahr lang begleitet, um die Sorgen und Nöte des vielgeplagten Standes aus erster Hand zu erfahren. Dazu zählt zum Beispiel der drohende Verlust des Dieselsteuervorteils, der den Armen im Jahr um die 20.000 Euro kosten würde. Da empfindet man gleich festes Mitleid. Allerdings nur, bis man gelesen hat, dass der gute Mann allein mit seinem Hofladen 400.000 Euro Umsatz macht. Ein österreichischer ADEG-Kaufmann hat gut dreimal soviel, muss aber vom Ertrag leben, bewirtschaftet nicht außerdem 150 Hektar Land und bekommt keine 160.000 Euro EU-Förderung.
Dann liest man weiter, dass unser Bauer natürlich auch in Berlin war, um an den dortigen Protesten teilzunehmen. Und bald bekommt die Tatsache, dass Landwirte gerade noch 1 % der deutschen Bevölkerung ausmachen, einen ganz neuen Beigeschmack. Man muss sich schließlich wehren, wenn es dem kleinen, aber fleißigen Landmann politisch an den Kragen zu gehen droht. Denkt man, liest aber in einem Nebensatz, dass der kleine Landmann „mit einem Kumpel“ nicht etwa bei seiner Tante auf dem Sofa genächtigt hat und auch nicht in einem AirBnB im Wedding. Wer auf das Mercure oder so tippt, liegt auch daneben. Nein: Man kommt nicht alle Tage nach Berlin und gönnt sich auch sonst nix. Da darf es schon das Adlon sein.
Mein lieber Scholli, wie man zumindest früher in Deutschland gesagt hat, zu den Zeiten, als man auch gern Witzchen über „Kreditkartenpunks“ riss, d.h. Leute, die gern mit aufgestelltem Bunthaar auf der Straße abhingen, aber doch das Sicherheitsnetz eines international willkommenen Zahlungsmittels nicht missen wollten. Doch während man dem Kreditkartenpunk jugendliche Unbedachtheit zugute halten konnte, ist der Adlonwutbauer eine unerfreuliche Mischung aus der Gewissheit, dass einem das alles eh zusteht und der mitleidigen Herablassung, dass man jetzt doch nicht einfach von heute auf morgen alles ändern kann, wie soll denn das gehen?
Tja, und so wurschteln wir weiter, im 67. Jahr der Gemeinsamen Agrarpolitik. Schönes Wochenende!