Freitag, 21. Februar 2025

Win-win

 

Das Problem an der Welt, o verständnisvolle Lesehäschen, ist ja immer die unpraktische Verteilung. Das Insektensterben ist schlimm, aber in der Au fressen dich die Gelsen. Die einen nehmen ständig zu, die anderen leiden Hunger. Wir haben zu wenig Regierung, die USA zu viel. Dafür haben wir zu viel Verwaltung, die USA vermutlich in Kürze zu wenig, so seltsam das klingen mag. 

Für alle, die glauben, die österreichische Verwaltung habe nur ein Gesicht, nämlich jenes, auf das die Deutschen neidisch sind, weil wir so viel online erledigen können: Euch steht eine Enttäuschung bevor. Denn viel ist in den letzten Jahrzehnten geschehen, aber es geschieht immer noch allerlei nicht. Wenn zum Beispiel die Frau Sabine in einer eurem Ergebenen bekannten Bezirkshauptmannschaft bestimmte Unterlagen braucht, dann holt sie sich die nicht etwa aus der digitalen Dokumentenablage. Sondern die Frau Gabi trägt diese zum Herrn Franz und ersucht ihn, sie zur Frau Sabine weiterzutragen. Und wenn die Frau Gabi beim ersten Mal Unterlagen vergisst, muss der Herr Franz zweimal laufen (die Frau Gabi sowieso, aber der geschieht es recht). 

Deshalb ein Vorschlag, wie sich die Weltlage wieder zurechtrücken ließe:

Wir borgen uns den Herrn Trump für ein, zwei Monate aus. In dieser Zeit fährt er mit eisernem Besen durch das organisch gewachsene Verwaltungsdickicht.

In derselben Zeit schicken wir zwei, drei Regimenter aus Amtsräten, Abteilungsleiterinnen und Referenten jeglicher Genders in die USA, die mit ihrem segensreichen Wirken dafür sorgen, dass die Verwaltung wieder wächst und gedeiht. Wer sich fragt, wie genau sie das tun, der stelle sich hinter eine Kuh und warte ab, wie die Kuh hinten dazu beiträgt, dass das Gras wieder nachwächst, dass sie vorne verzehrt.

Wir unsererseits freuen uns, dass die seit bald einem halben Jahrhundert verheißene „große Verwaltungsreform“ Wahrheit wird. Wenn ich der Herr Trump wäre, würde mir beim Anblick des Föderalismus geradezu das Wasser im Munde zusammenlaufen. Zur Erinnerung: Wir sprechen von einem Föderalismus, in dessen Rahmen es notwendig und sinnvoll ist, durch das steirische Tanzschulgesetz zu regeln, wer anderen Leuten das Tanzen beibringen darf, allerdings nur, soweit es sich nicht um Volkstänze handelt. Dass hingegen Vorarlberg es schon vor Jahrzehnten verboten hat, den Kadaver einer Kuh in die Luft zu sprengen, die in so unwegsamem Gelände verendet war, dass man sonst den Hubschrauber gebraucht hätte, ist vermutlich eine Regel, die der Oberdonald umgehend  revidieren würde.

Falls sich nun Sorge regt, dass Trump unserer beinahe schon weltkulturerbeverdächtigen österreichischen Verwaltung den Garaus machen könnte: Immer mit der Ruhe. Wer schon einmal versucht hat, eine Brombeerhecke loszuwerden, weiß, wie schwer es ist, da dauerhafte Verwüstungen anzurichten. 

Schönes Wochenende!


Freitag, 14. Februar 2025

Persönlich

Es gab, o erinnerungsstarke Lesehäschen, lange nichts Schöneres und Wertvolleres als die Menschlichkeit. Es galt, Mensch unter Mensch zu bleiben, und wer daran so richtig krachend scheiterte, der hatte ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Seht, ein Mensch! sprach Pontius Pilatus, wenn auch etwas spät.

Inzwischen ist, man muss das leider so sagen, die Menschlichkeit aber passé, von gestern und vermutlich cringe. Denn mit gar nicht wenigen formschönen und praktischen Anglizismen hat auch, wie die Spinne in der Bananenkiste, ein vollkommen unnötiger, umständlicher und lästiger den Weg zu uns gefunden hat. Der der englische Mensch sieht dem man zum Verwechseln ähnlich, weshalb man dortzulande nunmehr von persons spricht. Seltsamerweise hat sich auch bei uns die Ansicht verbreitet, dass das super sei, weshalb wir nun nicht mehr unter Menschen sind, sondern unter Personen. Das ist für die Person erfreulich, denn früher war eine Person entweder jemand unter Polizeiverdacht oder jemand, mit dem man aus anderen Gründen lieber nichts zu tun haben wollte. Kürzlich wurde euer Ergebener Zeuge, wie eine Frau eine Kollegin eine „tolle Person“ nannte. Letztere freute sich wahrscheinlich umsomehr, weil wir 2025 schreiben und nicht 1850, als nämlich tolle Personen mit Anbinden und Eisbädern behandelt wurden, fortschrittlichenfalls auch mit Stromstößen – nutzt’s nix, schadt’s nix. 

Weniger erfreulich ist es für die Menschlichkeit, die ja nun niemanden mehr hat, der als ihr leuchtendes Beispiel dienen kann. Und alles nur, weil niemand beim Anglizismenimport innegehalten hat, um sich zu fragen, ob das Deutsche nicht eh schon ein einwandfreies Wort für jemanden hat, dessen Geschlecht keine Rolle spielt. Endlich kommt einmal eine andere Sprache mit einem generischen Maskulinum (nämlich man) daher, sodass sich die andern hintangesetzt fühlen müssen, und anstatt versonnen unsere Fingernägel zu betrachten und dabei unauffällig mit „Mensch“ zu wedeln, treten wir uns die „Person“ ein, die halt mehr nach Volkszählung klingt als nach gesteigertem Respekt. Wir lehnen uns nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir vermuten, dass die Kreuzigung auch stattgefunden hätte, wenn Pilatus Seht, eine Person gerufen hätte.

Es bleibt, und hier seid ihr zu Feldversuchen aufgerufen!, eine Frage zu klären: Wenn man Personen als Menschen anspricht, nehmen die das dann persönlich? Oder bringen sie Verständnis für die menschliche Schwäche auf, dass einem der Mensch näher ist als die Person? Man kann nur hoffen, dass auch künftig ein feiner Unterschied bleibe zwischen solchen, die menschlich bleiben und solchen, die persönlich werden. Schönes Wochenende!


 

Freitag, 7. Februar 2025

Messbar

Wer etwas erleben will, o weltoffene Lesehäschen, geht auf eine Messe. Einst war das in Vorarlberg nicht eine, sondern „die“ Messe, nämlich die Dornbirner Mustermesse. Wie der Name zeigt, waren die Zeiten kommunikativ einfacher, indem die Verheißung, unverkäufliche Warenmuster präsentiert zu bekommen, hinreichende Anziehungskraft auf große Teile der Bevölkerung zu entwickeln imstande war. Mittlerweile erwartet man sich von Messen mehr, nämlich in erster Linie das Gleiche wie auf einem Kindergeburtstag, also Beute, also Füllung für die Tragetaschen und ähnliche Aufmerksamkeiten. Wer schon einmal ein Fest für Fünfjährige ausgerichtet und die Mitgebsel vergessen hat, weiß, was das bedeutet. So auch die heutigen Aussteller. Deshalb erhält man zum Beispiel auf der Haustiermesse Probebeutelchen mit Leckerli. Auf der Weinmesse darf man Wein verkosten, bis man das Ausspucken vergisst, und dann erst recht. Auf der Hausbaumesse bekommt man wahrscheinlich Schlüsselanhänger und kann an Photovoltaikgewinnspielen teilnehmen.

Es wird euch nicht entgangen sein, dass im Kalender noch Platz für Messen ist, die man auf keinen Fall versäumen würde. Wie schön wäre eine Weisheitsmesse, mit klugen Menschen, die freigebig kleine Erkenntnisperlen unters Volk streuen, um Lust auf mehr zu wecken!

Auch eine Prokrastinationsmesse fände eine umfangreiche Zielgruppe vor, freilich mit dem Nachteil, dass alle Angesprochenen eine Ausrede parat hätten, um dann doch nicht hinzugehen. Wer auf der Prokrastinationsmesse auftaucht, ist dort falsch. Darüber berichten würden vermutlich Journalisten, die ja Mark Twain zufolge Menschen sind, die ihr Leben lang darüber nachdenken, welchen Beruf sie eigentlich verfehlt haben. Hochinteressant stelle ich mir eine Mietwohnungsmesse vor, am besten in einer deutschen Großstadt. Das Schauspiel der Massen, die sich an den Fenstern unerreichbarer Bleiben die Nasen plattdrückten, hätte das Zeug, aus so manchem von uns einen besseren Menschen zu machen.

Aus aktuellem Anlass stellt sich die Frage, was einen auf der Fetischmesse erwartet. Kriegt man da eine alte Socke ins Maul und drei Peitschenhiebe aufs Haus? Übergießen mit Ausscheidungen nach Wahl? Oder doch nur einen 15-Prozent-Gutschein vom SM-Tischler? Euer Ergebener ist am Wochenende nicht in der Stadt, aber wenn sich bitte jemand opfern könnte (take one for the team, und wie!), wäre das sehr fein. Danke und schönes WE!

 

Freitag, 31. Januar 2025

Rumgockeln


 

Der Hahnenkampf ist, o unterhaltungsfreudige Lesehäschen, ein beliebter Zuschauer- naja, Sport nicht wirklich. Sagen wir: ein Event. Wikipedia teilt mit, dass er sich nicht nur in zum Beispiel Indonesien, auf den Philippinen oder in Kuba ungebrochener Beliebtheit erfreut, sondern auch in vielen mexikanischen Bundesstaaten und bestimmten Regionen Frankreichs. Wir hingegen hatten bisher stattdessen Trash-TV: Man setzt eine Auslese von Gockeln aller verfügbaren Geschlechter irgendwohin, wo sie nicht auskönnen, zum Beispiel das Forsthaus Rampensau oder das Sommerhaus der Stars. Dann muss man nur noch warten, bis der erste den Kamm aufstellt, der nächste darauf reagiert, und in Nullkommanix fliegen die Federn. Die künstlichen Sporen ersetzt man durch kluge Auswahl des Personals, zum Beispiel die beiden Exen des dritten, sowie idealerweise den Entzug von Zigaretten.

Doch größerer Unterhaltungswert ist unterwegs zu uns, dank dem interessanten Verhalten der Wahlberechtigten allüberall. Bekanntlich geht die Zeit des storytelling in der Politik dem Ende zu. Auch Politik ist keine Wirklichkeit mehr, sondern Reality.

Zwar tun Rechten einstweilen noch so, als seien sie ein Herz und eine Seele. Doch spätestens, wenn alle sich volksnah installiert haben und anfangen wollen, unter unwesentlichem, aber umso aufdringlicherem Gepluster ihre Versprechen einzulösen, wird es rund gehen. Schon hat Trump angekündigt, Strafzölle zu erheben, während Kickl sein Schlachtross in Richtung US-Tech-Konzerne lenkt. Bald wird auch hier ein Krähen und Gackern anheben, das sich gewaschen haben wird. Frau Le Pen ist lieber daheim geblieben, als sich die Ehre von Trumps Inauguration zu geben, weil man in Frankreich halt rechts und Sozi sein kann, was sich in Iowa oder Kentucky kaum ausgeht. Das zufriedene Wahlvolk kann sich zurücklehnen und die Show genießen, während die aufgeregten Hähne Kehllappen und Wirtschaftskriegsmittel schwenken.

Danach werden wir irgendwann, wie nach jeder solchen Veranstaltung, heimwärts wackeln und uns vornehmen, unsere Stimme beim nächsten Mal klüger zu veranlagen. Beim übernächsten Mal werden wir das wieder vergessen haben, und alles geht von vorne los.

Viel Spaß und schönes Wochenende!

Freitag, 17. Januar 2025

Schlimmer geht immer

 

Es wird, o resignierte Lesehäschen, wohl ernst mit dem BuKaKi (Assoziationen zu schweinischen Internetphänomenen sind euch überlassen). Darob breiten sich Sorgen um die Zukunft des Kultursektors im Lande aus. (Klärung: Es breiten sich sowohl die Sorgen im Lande aus als die Sorgen auch den Kultursektor im Lande betreffen). Das liegt erst einmal daran, dass die FPÖ zweierlei Kulturen unterscheidet, und zwar nicht etwa „Trinkkultur und Esskultur“ oder „Hochkultur und Popkultur“ sondern – hättet ihr’s gewusst? – die „Volkskultur“ und den Rest. Dies führt zu der durchaus pikanten Konstellation, dass zum Beispiel Darbietungen und Erzeugnisse von Anselm Kiefer, Iggy Pop, Florentina Holzmeister und den Wiener Philharmonikern alle in derselben Lade liegen und warten, was passiert. „Kultur“ ist alles, was nicht theoretisch auch im Trachtenverein stattfinden könnte, ohne dass jemand verwundert die Augenbraue höbe.

Dazu habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für euch. Die gute lautet: Das ist überhaupt nicht schlimm.

Die schlechte ist leider: Es ist noch viel schlimmer. Wie schlimm? Dazu blicken wir ungefähr ein Jahr in die Vergangenheit, hin zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres in Bad Ischl. Damals fand, wie zumindest in der Region lebhaft erinnerlich, unter anderem der sogenannte „Pudertanz“ statt: Die ansonsten nackte Choreographin Doris Uhlich puderte sich zu den Klängen klassischer Musik gründlich ein, was auch insofern verständlich war, als eine Schicht Puder bei den damals herrschenden Temperaturen besser war als nichts.

Bedenklicherweise bezeichnete der künftige BuKaKi dies als „linke Dekadenz in Reinkultur“. Er hätte auch sagen können, es handle sich um ein „Paradebeispiel linker Dekadenz“ oder um einen „Ausbund“ an derselben oder auch „das Schlimmste an linker Dekadenz, dessen Anblick nicht vermeiden zu können ich seit Langem das Missvergnügen hatte“.

Stattdessen hat er jene Formulierung gewählt, die am deutlichsten kundtut, wie vollkommen wurscht ihm Kultur jeglicher Art ist. Sie ist ihm als Lieferantin für eine sinnentstellende Phrase gerade gut genug, aber mehr auch nicht. Die „Reinkultur“ dient ihm dazu, das anzuprangern, was er für das Gegenteil von Reinkultur hält. Für ihn ist die Reinkultur bloß die Steigerungsform von etwas anderem. Sie selbst aber ist gar nichts.

Es sagt viel, aber nichts Erfreuliches über die Verfassung der österreichischen Politik, wenn jemand, der so wenig Empfinden für den Inhalt eines Wortes besitzt, rhetorisch im Vergleich zu den sonstigen rednerischen Nackerbatzeln so weit vorn liegt. Schönes Wochenende!

Freitag, 10. Januar 2025

Spielzug

 

Willkommen im aktuellen Jahr, o zukunftsbejahende Lesehäschen! Ein kluger Bekannter eures Ergebenen pflegte zu fragen: „Wollen wir in einer Welt leben, in der immer der Klügere nachgibt?“

Inzwischen hat sich das erledigt, indem der Klügere gar nicht mehr die Wahl bekommt, sondern einfach mit interessanten Ein- und Auslassungen überfahren wird. So zum Beispiel, wenn dein Paket bei DHL verschütt geht, was ja gerade um die Feiertage herum schon einmal passieren kann. Wenn das Ding schon seit einer Woche zum „Transport ins Zielland vorbereitet“ wird, kann der Naivling schon auf den Gedanken kommen, da einmal nachzuhaken. Man klickt sich also durch den Entscheidungsbaum, bis man bei einem Kontaktformular landet. Dieses füllt man aus.

Alsbald erhält man die Rückmeldung, dass das Serviceteam nur in English zu antworten imstande sei. Das rührt einen seltsam an, da die Sendung von Österreich nach Deutschland unterwegs und das Kontaktformular auf Deutsch gehalten ist. Noch seltsamer, weil dem Serviceteam nicht zuzumuten ist, die erhaltene Anfrage durch einen Online-Übersetzer zu schicken. Und am allerseltsamsten, weil es ja tatsächlich noch Menschen gibt, die mit dieser Rückmeldung mangels Englischkenntnissen nichts anzufangen wüssten.

Falls es einen Preis für die arroganteste, mieseste, faulste Ausrede für Service gibt, nominiere ich hiermit bereits jetzt DHL.

In verwandten Nachrichten (um in der sprachlichen Sphäre zu bleiben) hat Trump bekanntlich die Katze aus dem Sack gelassen, was die Basis seiner Außenpolitik betrifft: Es handelt sich offenbar um das seit Jahrzehnten beliebte Brettspiel Risiko, und Trump würfelt, um Grönland zu befreien, dessen König vielleicht klüger, aber jedenfalls mit geringerer militärischer Schlagkraft ausgestattet ist. Angesichts der martialischen Logik der Regeln (wenn du am Zug bist und nichts eroberst, pardon, „befreist“, kriegst du keine Karte, die du später gegen zusätzliche Kampfeinheiten eintauschen kannst), sind wir sehr gespannt, was sich hier am Ende als der Schlauere herausstellen wird. Freilich weiß man nicht, welche Mission Trump gezogen hat. Die beste Strategie für Frederik X. wird sehr davon abhängen, ob der Präsident 26 beliebige Länder zu befreien oder die Blauen von der Erdoberfläche zu tilgen hat. Oft kommt man aber mit der Zeit drauf.

Schönes Wochenende!